Es ist nicht alles Gold, was glänzt!

Über das etwas mehr als 200 km östlich von Moskau gelegene Rostov Velikij am viel gepriesenen Goldenen Ring, ein Städtchen mit knapp 32 000 Einwohnern und 1150 Jahre alt hatte ich schon viel gehört und wollte es endlich mit eigenen Augen sehen.

Per Internet wählte ich ein Hotel, viel Auswahl war nicht, welches in den höchsten Tönen gelobt wurde und sich am malerischen Ufer des Sees Nero befinden sollte.

Die Fahrt dahin auf der M8, einer großen Magistrale, die nach Nordosten führt, war nervend. Bis Sergeev Posad, rund 70 Kilometer, nur im Schneckentempo, dann wurde es auch nicht viel besser, denn die Strecke ist nur ein kurzes Stück mehrspurig ausgebaut. Für die 202 Kilometer brauchte ich knappe fünf Stunden!

Rostov begrüßte uns mit tiefen Schlaglöchern und Totalsperrungen. Die Umleitung führte über Schleichwege, die eigentlich nur mit dem Traktor oder Kettenfahrzeugen befahren werden können, vorbei an total verwahrlosten Wohnhäusern und Höfen.

Ab und zu konnte ich auf den riesigen See und ein paar Zwiebeltürme blicken. Das beruhigte mich dann etwas und ließ Vorfreude aufkommen. Am Hotel, an dem drei Sterne prangten, angekommen, stellte ich erfreut fest, dass es ein schönes gepflegtes Gebäude war mit Parkmöglichkeit auf dem Innenhof. Das Einchecken, wir waren die ersten Hotelgäste, dauerte eine schlappe halbe Stunde, um dann zu erfahren, das Zimmer sei leider noch nicht fertig.

Macht nichts, wir wollten sowieso einen Kaffee auf der Terrasse trinken. Dort saß schon eine schwer angeschlagene Gesellschaft, die Männer zeigten sich topless, die Lautstärke entsprach mehreren Flaschen Wodka. Die herrenlosen Kinder der Truppe ersäuften die Plastikenten im kleinen Teich und klauten die künstlichen Seerosen.

Die Kellnerinnen waren sehr liebenswürdig und natürlich, aber ahnungslos im Job. Der dünne Kaffee wurde mit Fußbad, dafür aber ohne Löffel und Kaffeesahne serviert. Eine trieb dann doch ein Tetrapack Sahne auf, die leider sauer war und den Kaffee ungenießbar machte.

Also auf zur Erkundung, stärken können wir uns unterwegs in der Stadt. Mit Mühe drangen wir bis zum Ufer des Sees vor, kamen aber nicht bis ans Wasser. Verrostete Boote und anderer Müll verhinderten das. Auch im hermetisch abgeriegelten Stadtpark, der gerade eilig etwas für das Jubiläum aufgemöbelt wurde, gab es keinen Strand oder wenigstens Zugang zum Wasser. Dafür Müll und Abfälle.

Der Kreml mit seinen Mauern und Kirchen und die Handelsreihen bilden, wie in allen alten russischen Städten, das Zentrum. Dort ist wirklich restauriert worden, die Kirchen zeigen sich glanzvoll, das Gelände ist auf Vordermann gebracht worden. Von einem der Türme aus eröffnet sich ein traumhafter Blick auf den großen Nero-See und die Stadt. Der See liegt verlassen, nur manchmal fahren kleine Boote privat Ausflügler übers Wasser. Ein einziges marodes Schiffchen schippert mutige Passagiere umher, kein Fahrplan, keine Anlegestelle, keine Badestellen. Touristische Brache.

Touristen werden mit Bussen angekarrt, in den Kreml geschleust und anschließend in den paar Restaurants abgefüttert. Dann geht’s wieder zurück ins nahe gelegene Jaroslawl. In Rostow steigen vorrangig Wochenendausflügler aus Moskau und dem Umland ab. Unseren Hunger konnten wir unterwegs nicht wie geplant stillen. Entweder blockierte eine Hochzeitsgesellschaft die Gasträume oder ein Bus hatte seine hungrige Ladung abgesetzt. Die kleineren Cafes oder Kneipen kamen nicht in Frage, weil sie eher an abgewrackte Kantinen erinnerten, mit entsprechendem Publikum.

Nach mehreren Stunden langten wir hungrig und durstig wieder im Hotel an, dessen Vorratsräume leer waren. Kein Mineralwasser, keine vernünftigen Speisen! Eine Flasche lauwarmen Weißweins konnte ich haben, leider ohne Korkenzieher. Ich trug’s mit Fassung, die anderen Gäste weniger. „Kein Mineralwasser aber Livemusik – ich geh am Stock!“ rief ein älterer Herr empört aus.

Entspannt nagte ich an einem Stückchen Käse. Das Hühnerschaschlyk war leider ungenießbar, anderes gab es nicht. Am nächsten Morgen trieb uns das Frühstück aus dem Haus. Wir verließen die Herberge und machten uns auf den Rückweg. An der Strecke verkauften die Einheimischen ihre frische Ernte, Kürbisse, Tomaten, Gurken, Kartoffeln, Augustäpfel, Zwiebeln und anderes. Die hohen Preise hielten mich aber von Großeinkäufen ab. „Hier fahren die reichen Moskauer lang, deshalb sind die Preise so hoch!“ klärte man mich auf. Sie brechen sich auf ihre Weise ein Stück vom großen Kuchen ab.

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

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