Erstmal sind da die Garderoben in großen Betrieben und Organisationen, die den ganzen Tag über Mäntel, Jacken, Schirmeund Einkaufstüten entgegen nehmen und wieder ausgeben. Es gibt sogar bis heutenoch große Organisationen, die sich für äußerst progressiv und vor allemdemokratisch halten, aber die Nichtbenutzung der Garderobe bestrafen! Mit demgnadenlosen Abzug von Zulagen und Prämien.
Keiner soll im Mantel im Innern der Einrichtungen gesehen werden. Viele haben noch einen Garderobenständer in ihren Räumen oder gar Schränke, und wollen partout ihre Mäntel u.ä. nicht abgegeben. Damit wollen sie natürlich die Schlangen am Ende des Arbeitstages umgehen, wennalle nach Hause oder zu ihren Dates und Treffs hasten.
In den Sommermonaten werden die Garderobenfrauen, in Betrieben und Agenturen, Hochschulen usw. sind es meist Frauen, in unbezahlten Urlaub geschickt. Da kann man dann schon mal im Sommermantel durchschlüpfen,ohne einen Rüffel zu riskieren. Ab Herbst sind sie wieder da, die mehr oder weniger freundlichen Garderobenfeen. Wenn es richtig Winter wird, sind ja hier Pelzmäntel sehr verbreitet. Keine der Pelz tragenden Damen ist bereit, das gute Stück tagsüber aus den Augen zu lassen oder Küchengerüchen auszusetzen, denn die Garderoben liegen oft in unmittelbarer Nähe der Betriebskantinen. Also wird der Pelz mit an den Arbeitsplatzgeschleift und vor kontrollierenden Blicken versteckt. Dass er da meist mehr leidet als in der Garderobe spielt keine Rolle.
Sowohl in den Betrieben als auch in allen Theatern und Opernhäusern sind die Garderoben kostenlos. In den Theatern fühlen sich die durchweg nicht mehr jungen Garderobenfrauen als Teil des Kulturbetriebes und legen Wert auf korrekte Umgangsformen. Mit dem Verleih von Operngläsern kommen sogar ein paar Rubel in die Kasse.
In Polikliniken und Krankenhäusern im Sowjetstil wird kategorisch verlangt, Mäntel und Jacken auszuziehen und an der Garderobe abzugeben. Im Gegenzug bekommt man Einwegüberschuhe (welch langes Wort, hier heißt das kurz und bündig bachily) und einen Kittel in zweifelhaftem Weiß aufgedrängt. Wegen der vielen Bakterien und anderer unsichtbarer Feinde der Medizin versteht sich. Aber ein Toilettenbesuch führt den ganzen Zauber mit Kittel und so ab absurd um.
Der weitaus lustigere und kommunikativere Teil der Garderobtschiki tut seinen Dienst in Restaurants, Bars oder Bierkneipen. Das sind durchweg Männer im Rentenalter, manche im jungen Rentenalter, also um die 60, und manche im hohen, also über 70. Da ist die Abgabe der Garderobe ebenfalls kostenlos. Nirgendwo steht ein Preis. Aber wenn der geschäftstüchtige Garderobenmann den Überrock schnappt, aus seinem Kabuff hervor kommt und dem Gast dann hineinhilft, kommt ein Mensch mit Gewissen nicht um einen Obulus herum, verschwiegen von Hand zu Hand gereicht.
Dieser Job bringt offiziell nur ganz wenige Rubelchen ein und dient auch häufig zur Vertreibung der Alterseinsamkeit, aber mit den Trinkgeldern, die in den letzten drei Jahren beträchtlich gestiegen sind, sieht es schon besser aus. Ich habe in meinen Stammlokalen Lieblingsgarderobtschiki,die sofort, wenn sie meiner ansichtig werden, mir entweder meine feste Garderobennummer geben oder flugs eine suchen, deren Quersumme durch dreiteilbar ist, damit der Abend gelingt. Die Drei ist nach numerologischen Erkenntnissen meine Zahl, also richte ich so viel wie möglich darauf aus.
Ein langjähriger guter Freund gibt vor jedem Herrenabend dem Garderobier das Trinkgeld vorab und dazu noch zwei Handynummern, die seiner Frau
und meine. Er weiß, wenn er mit dem Gesicht auf dem Teller liegt, kann ernur noch zeigen, ob der gute Mann die erste oder die zweite Nummer wählen soll. Wird die Nummer der Ehefrau gewählt, ist das Stadium der Trunkenheit endgültig. Der gute Freund hat den Autopiloten eingeschaltet, aber auch der streikt. Also ruft der Garderobierdie Ehefrau an, die kommt dann mit dem Taxi und nimmt ihren Angetrauten in Empfang. Er ist zu besoffen, um die Schimpfkanonaden zu hören, deshalb will eranch Hause und in sein Bett.
Gibt es aber auf der nach oben offenen Besoffenheitsskala noch Luft, werde ich angerufen, weil er mit mir und meinem Lebenspartner noch ein wenig philosophieren und den Abend ausklingen lassen will, ohne Geschimpfe zu hören. Am Ende liegt der Kopf auf dem Tisch, der Gast schnarcht, wir rufen die Ehefrau an und sie holt ihn ab. Sie kann den ganzen Weg über schimpfen und sich abreagieren, so dass am nächsten Morgen alles in Butter ist.
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