Das ewige Auf und Ab

Foto: ITAR-TASS

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Die Russland-HEUTE-Bloggerin Adele erzählt wie Russen den letzten Abend des Jahres verbringen.

Während in Deutschland und dessen Umgebung die exzessiven Kaufräusche abklingen, die unzähligen und oft auch unnützen Geschenke munter umgetauscht werden, rollt in Russland die Wahnsinnswelle gerade erst so richtig an. In Old Germany werden die Kühlschränke neu aufgefüllt,  vor allem Hochprozentiges muss wieder her.

In den russischen Weiten  richtet sich das Augenmerk auf den letzten Abend des Jahres. Da wird ordentlich aufgetischt, denn es muss ja lange reichen, bis in die Morgenstunden wird getafelt. Geschenke gibt es mit oder ohne Väterchen Frost natürlich auch. Über die ganze Schenkerei kann man verschiedener Meinung sein. Ich bin strikt dagegen. Bei dem Stress über das gesamte Jahr halte ich es für besser, nicht Geschenke ein Gros zu kaufen, sondern einander mehr Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken. Ein Geschenk ist ja bei Weitem keine Garantie dafür, dass sich der Schenker lange den Kopf zerbrochen hat, was er wem schenken will.

Am so genannten dritten Weihnachtstag setzt dann da große Umtauschen ein. Die armen Verkäufer, kann ich da nur sagen. Aber das ganze hat noch einen Haken. Die Möglichkeit, die Geschenke umzutauschen, signalisiert, dass man sich doch nicht den Kopf zerbrechen soll, denn es kann ja umgetauscht werden. Beliebigkeit, Oberflächlichkeit und Unzufriedenheit mit dem, was man hat oder bekam, haben Hochzeit.

Und noch eins. Wer umtauschen will, muss Kassenbeleg und unversehrte Verpackung vorlegen. Unausgepackte Geschenke sind ja ein absolutes Fiasko. Und um den Umtauschprozeß nicht zu gefährden, schenke ich gleich den Kassenbeleg mit? Das führt ein weiteres Mal den ganzen Wahnsinn ad absurdum.

Genau das wäre in Russland nicht möglich. Schenken wird leider auch zur kommerziellen Pflicht herab gestuft, dafür sorgt schon die Werbung. Aber umtauschen? Noch dazu mit Kassenbeleg? Das übersteigt das Vorstellungsvermögen der meisten Russen. Meines übrigens auch. Sie finden eine pragmatische Lösung. Ohne jemanden zu verletzen, verstauen sie nicht ganz gelungene Geschenke in den Schränken und Truhen, um sie dann bei Gelegenheit unschuldig lächelnd weiter zu verschenken. Damit wurde niemand öffentlich brüskiert, und man kann noch auf subtile Weise eine kleine Rache nehmen.

So schauen Russen und Deutsche verschieden auf aktuelle und historische Ereignisse. Im Moment sind viele Russen auf dem konservativen Trip, geraten dabei leider auch in die Arme von Rattenfängern und religiösen Eiferern, durchaus von ganz oben gewollt, denn so richtige Visionen, wie es

weiter gehen soll, kann man den Staatslenkern ja nicht unterstellen. Es scheint so, als ob das kommende Jahr mit der Olympiade in Sotschi beginnt und endet.

Die Welt bleibt skeptisch, Staatsoberhäupter sagen ihren Besuch auf der Olympiade ab. Das ist zwar eine eindeutige Geste, die aber für meine Begriffe witzig ist. Die Olympiade soll ein Fest des Sportes sein, die Helden sind die Sportler und nicht die Politiker. Das wird doch kein mißglückter G-20-Gipfel!

Es ist zwar besser, wenn die großen Chefs die Olympiade boykottieren und nicht ihre Sportler zwingen, den olympischen Spielen fernzubleiben, wie es zum Beispiel 1980 der Fall war, als die westlichen Sportler mehrheitlich der Sommerolympiade in Moskau fernbleiben mußten, weil der Westen so gegen den Einmarsch in Afghanistan protestieren wollte. Damit haben sie den Sportlern, die vier Jahre lang für eben diese Olympiade trainiert haben, ein faules Ei ins Nest gelegt.

Die Politiker können sich ja noch auf Staatsbegräbnissen austoben und am oder hinterm Sarg eines hochgestellten oder gar erlauchten Verschiedenen bilaterale und andere interessante Gespräche führen. So wie unlängst bei Nelson Mandela. Noch zahlreicher kamen sie damals zu Josip Broz Tito, zu Lady Diana oder zu Leonid Breschnew.

Das neue Jahr liegt in den Startlöchern. Russen und Deutsche erwarten viel, glaube ich. Die Deutschen wirtschaftliche Sicherheit, Aufschwung und viel Spaß, denn sonst hätten sie ja keine Spassgesellschaft mehr. Die Russen wollen auch wirtschaftlichen Aufschwung, ahnen aber, dass es damit 2014 Essig sein wird. Und ein bißchen mehr politische Klarheit. Weil immer nur zu hören, dass sich Mütterchen Russland von den Knien erhoben habe, ist dann wohl doch etwas zu dürftig. Aber weil es nach dem chinesischen Kalender das Jahr des Pferdes ist, wird wohl beiden Völkern nichts anderes übrig bleiben, als sich auf das Ackern und Wiehern zu verlassen. Na dann, volle Kraft voraus!

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

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