Alles auf Anfang

Foto: RIA Novosti

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Während der Olympia ruhen die Waffen, auch die gespitzten Federn! Oder?

Anfang der 90er Jahre jubelten die Medien, dass der kalte Krieg vorbei sei, und sie machten auch gleich noch den Sieger aus. Natürlich fielen die Lorbeeren den USA zu, denn es jubelten westliche Medien. Kopfschüttelnd und mit Recht misstrauisch betrachtete der denkende Teil der Medienrezipienten das Treiben.

Der kalte Krieg hatte sich nur etwas maskiert und man hatte den Freudentaumel nach der Wiedervereinigung für bestimmte nicht koschere Handlungen genutzt. Erst klammheimlich dann immer offener, entgegen der leider nur mündlich gegebenen Zusage an Gorbaschow, keinerlei Osterweiterung der NATO und der EU ins Auge zu fassen, wurde munter erweitert. Und im Schlepptau der EU rollte die NATO an. Die ehemaligen Ostblockstaaten, vor allem aber das Baltikum, lagen jedoch im geopolitischen Visier Russlands.

Dann gab es noch ein wenig Geplänkel und Muskelspiele, man suchte verkrampft nach Bezeichnungen für die vertrackte Lage, so kamen dann „strategische Partnerschaft" und „Reset der Beziehungen" ans Licht der Welt. Die Begriffe blieben nur leere Worthülsen, die nicht mit Leben gefüllt werden konnten, dank der „Bemühungen" beider Seiten.

Man schaukelte sich wieder gegenseitig hoch, auf beiden Seiten wurde aber auch munter mit doppelten Standards hantiert, das politische Verwirrspiel ist in vollem Gange, und wie immer blicken viele nicht durch.

Zur diesjährigen Olympiade in Sotschi hat sich das alte vertraute Bild wieder eingestellt, alle sitzen in ihren informatorischen Schützengräben und ballern wild drauflos. Bereits im Vorfeld schoss man sich auf das Thema Menschenrechte in Russland ein und einige hochkarätige Politiker aus aller Welt sagten demonstrativ ihre Teilnahme ab. Auch im Land der Spiele regte sich Kritik, was die ausufernde Kostenexplosion der teuersten Olympiade aller Zeiten betrifft, die auf massive Korruption zurück geführt wird.

Da holt die russische Seite aber flugs die alt bekannten Keulen wieder heraus und dementiert erstens heftig, dass es zu Unregelmäßigkeiten bei der Finanzierung gekommen sei und zieht zweitens die Propagandaschraube wieder an, um künftige undichte Stellen und kritische Berichte aus den eigenen Reihen zu minimieren. Proteste während der Spiele gegen beeinflusste Gerichtsurteile gegen Demonstranten oder die Solidaritätsaktion für den rigide abgeschalteten oppositionellen Fernsehkanal „Doschd", was übersetzt Regen heißt , wo Leute mit aufgespannten Schirmen über den Manegenplatz flanierten, wurden recht barsch beendet und die Ungehorsamen erstmal in Gewahrsam genommen. Damit nichts den Himmel der Spiele trübt.

An der Eröffnungszeremonie der Winterspiele schieden sich die Geister. Häme über Pannen und politische Incorrectness waren charakteristisch für die westliche Berichterstattung. Übertrieben jauchzend und vor allem megapatriotisch war sie von russischer Seite aus. Nicht nur Ausländer, auch viele Russen werden das beeindruckende Spektakel nicht verstanden haben, vor allem wenn sie in den letzten Jahren den hiesigen Geschichtsunterricht in den Schulen genossen hatten.

Während der Olympia ruhen die Waffen, auch die gespitzten Federn! Oder?

Im Internet entlädt sich die Spannung mit aller Wucht, da treffen die Totalschönredner auf die Totalmiesmacher und liefern sich heftige Wortgefechte. In den Stadien hüpfen Halbwüchsige mit russischen Fahnen und aufgemalten Nationalfarben auf den Gesichtern und schreien

andauernd „Rossija", was nervt, denn es hat meist keinen Bezug zum gerade laufenden Wettkampf.

Die Leistungen der russischen Wintersportler reißen uns bisher nicht vom Hocker. Das macht man wett mit wortreicher Schönrednerei.

In bester Sowjettradition erscheinen Statements von begeisterten Bürgern, wie Superklasse alles ist und sie bedanken sich gleich noch beim Präsidenten für die Spiele. Außerdem spielen sie beleidigte Leberwurst und in patriotischen Gefühlen verletzte Bürger wegen der Kritiken aus dem Ausland. Wer die Sowjetzeiten bewusst erlebt hat, erfährt ein klassisches deja vu.

Da passt es ja ins Bild, dass die Moskauer Stadtduma zum fünften Mal das Problem wälzt, ob Felix Dzersinski, der Gründer der Tscheka, dem Vorläufer des KGB; wieder auf seinen Sockel am Lubjanka Platz darf oder nicht, wo man ihn 1991 herunter geholt hatte. Vorauseilend gehorsam äußern sich verschiedene Politiker positiv zur Rückkehr des Denkmals.

Auch diesmal wurde das Ansinnen abgeschmettert. Aber ich bin mir sicher, dass das nicht der letzte Versuch gewesen ist. Eher eine Art häufige Generalprobe.

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

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