Ziolkowskij – ein Visionär, der die moderne Raumfahrt inspirierte

Bild: Natalja Michajlenko

Bild: Natalja Michajlenko

Der russische Wissenschaftler Konstantin Ziolkowskij (1857-1935) wurde zu Lebzeiten oft nicht ernst genommen. Heute gilt Ziolkowskij als einer der Wegbereiter für die russische Raumfahrt.

Konstantin Ziolkowskij musste in seiner Kindheit einen Schicksalsschlag hinnehmen. Als Folge einer Scharlacherkrankung wurde er taub und konnte die Schule nicht weiter besuchen. Doch der junge Ziolkowskij war wissbegierig und brachte sich vieles selber bei. Schnell lernte er lesen, was dann auch zu einer seiner Lieblingsbeschäftigungen wurde: Oft soll er tagelang nur gelesen haben. Er war außerdem sehr kreativ und baute zum Beispiel eine Drehbank, kleine Häuser, Pendeluhren, Spielzeugautos und vieles mehr. Dabei verließ er sich nicht auf Bauanleitungen, sondern auf seinen Erfindergeist.

Später erfand er ein Ballonschiff, Gehstelzen, die interplanetare Signalübermittlung, eine thermische Solaranlage, eine Klimaanlage, eine Schreibmaschine, ein eigenes Längenmaß und sogar ein universelles Alphabet. Die eine oder andere Erfindung des Wissenschaftlers wurde sogar patentiert, doch Geld bekam er dafür nie.

 

Seiner Zeit voraus

Seinen Lebensunterhalt verdiente er als Lehrer. Als Ziolkowskij 16 Jahre alt war, zog er nach Moskau, um dort Physik, Astronomie, Mechanik und Geometrie zu studieren. Nach drei Jahren Studium kehrte er zurück in seinen Heimatort, heiratete, wurde Vater und unterrichtete Mathematik. Später bekam er eine Festanstellung an einer Schule. Ziolkowskij war trotz seiner Taubheit ein glücklicher und zufriedener Mensch mit einer großen Portion Selbstbewusstsein. Als er sich zum ersten Mal verliebte, soll er in einem Liebesbrief über sich selbst geschrieben haben: „Ich bin ein so großartiger Mensch. Einen solchen wie mich gab es niemals und wird es niemals geben."

Mit dieser Selbsteinschätzung hatte er wohl recht, denn kaum jemand erarbeitete so viele wissenschaftliche Theorien wie Ziolkowskij. Manchmal lag er dabei hinter dem wissenschaftlichen Fortschritt seiner Zeit zurück. So glaubte er, die kinetische Gastheorie entwickelt zu haben. Er schickte seine Ergebnisse dem berühmten Chemiker Dmitrij Mendelejew. Dieser lobte ihn zwar dafür, doch schrieb er ihm zurück, dass diese Theorie bereits vor 25 Jahren begründet worden war.

In anderen Bereichen war Ziolkowskij aber seiner Zeit voraus und entwickelte einige wirklich grundlegende Ideen, vor allem für die Raumfahrt. Als Erster stellte er die Raketengrundleichung auf, die Gesetzmäßigkeiten für den Raketenantrieb beschreibt. Ziolkowskij hatte Visionen vom künstlichen Satelliten, der Stufenrakete, dem nuklearen Pulsantrieb und dachte an noch vieles mehr.

Als damals die ersten Flugzeuge nacheinander abstürzten, glaubte Ziolkowskij dennoch an eine große Zukunft der Luftfahrt: „Ich bin davon überzeugt, dass interplanetare Reisen irgendwann möglich sein werden. Die Helden und die Waghalsigen werden dabei die ersten Reiserouten begründen: von der Erde zum Mond und wieder zurück, dann von der Erde zum Mars und noch weiter. Irgendwann fliegen wir dann von Moskau zum Mond und von Kaluga zum Mars."

Luft- und Raumfahrt faszinierten Ziolkowskij. Im Alter von 30 Jahren verfasste er sein Werk „Auf dem Monde". Darin beschrieb er den Mond so genau, als wäre er schon einmal dort gewesen. Der Kosmonaut Juri Gagarin fand, dass seine Eindrücke von seinem ersten Flug ins Weltall den Darstellungen in Ziolkowskijs Geschichte sehr ähnlich gewesen seien, bis hin zur Beschreibung der Schwerelosigkeit.

Nach seinem Tod begann man damit, Ziolkowskij als Vater der russischen Raumfahrt zu bezeichnen. Denn seine Ideen waren so bahnbrechend, dass einige seiner Konzepte sogar vom berühmten Konstrukteur Sergej Koroljow aufgegriffen und weiterentwickelt wurden.

 

Ein komischer Kauz

Zu Lebzeiten wurde Ziolkowskij nicht wirklich ernst genommen. Allzu oft benahm er sich tatsächlich seltsam. Sein ganzes Geld gab er für Bücher und Chemikalien aus, ließ mit Kindern Papierdrachen steigen und fuhr Rollschuh mit einem Regenschirm, da er dadurch den Fahrtwind nutzen konnte, um schneller zu fahren. Die Pferde der Bauern schreckten dabei jedes Mal auf, wenn er an ihnen vorbeifuhr, was dazu führte, dass ihn die Bauern immer rege beschimpften. Doch das war Ziolkowskij egal. Er war schließlich taub und die Flüche der Bauern hörte er nicht.

Auch seine Ansichten wirkten in der damaligen Zeit befremdlich. Ziolkowskij glaubte, dass die Seele von der Materie beherrscht werde, denn für ihn waren das Belebte und Unbelebte eins. Darüber hinaus war Ziolkowskij der Ansicht, dass es keinen Tod gebe, dass das Weltall universell sei und es keine Grenzen zwischen den Welten gebe. Für viele grenzten seine Ideen an Irrsinn. So lehrte er beispielsweise, dass die ideale Form für den Menschen die Kugelform sei. Aus diesem Grund würden die Menschen seiner Ansicht nach in ferner Zukunft auch die Form von Kugeln haben. Darüber hinaus glaubte er daran, dass man Menschen klonen könne.

Seinen Schülern erzählte Ziolkowskij, dass er die Gabe hätte, mit Engeln zu sprechen. Für ihn seien Engel höchst intelligente Wesen, die wesentlich vollkommener seien als die Menschen. So würden sich auch Menschen irgendwann in Engel verwandeln. Zudem würde der Mensch seiner Ansicht nach irgendwann mit dem Kosmos verschmelzen, wodurch er Unsterblichkeit erlangen und sich in kosmische Energie verwandeln würde.

Ziolkowskij soll oft tief in Gedanken versunken durch die Straßen Kalugas spaziert sein. Manchmal soll er sich einfach auf den Boden gesetzt oder sich mit dem Rücken an einen Baum gelehnt und nachgedacht haben. Aus der Ferne betrachtet wirkte er dabei nicht wie jemand, der im Russland der 1920er-Jahre zu Hause war, sondern wie jemand aus einer anderen Welt, oder wie jemand, der aus einer fernen Zukunft stammt.

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

Diese Webseite benutzt Cookies. Mehr Informationen finden Sie hier! Weiterlesen!

OK!