Ein Königreich für eine Garage

Foto: RIA Novosti

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Das Problem der Großstadt – wohin das geliebte Auto stellen – macht sich auch hier breiter und breiter. Es gibt davon zu viele, als dass alle einen komfortablen Stellplatz ergattern könnten. Runden drehen nach der Arbeit und dann das Gefährt irgendwo abstellen. So komisch das klingen mag, aber das ist ein echtes Zeichen von Fortschritt, dass man das Auto hier einfach so auf der Straße abstellen kann.

Zu Sowjetzeiten hatten nicht viele ein Auto. Sie versteckten es sorgfältig in einer Garage. Wenn die Autofahrer irgendwo anhielten, um in ein Geschäft oder in ein Büro zu gehen, schraubten sie Scheibenwischer und manchmal auch Spiegel ab, das Autoradio, soweit vorhanden, wurde auch mitgenommen. Stand das Auto länger an einem Platz, konnte es schon vorkommen, dass die Räder weg waren und das gute Stück bestenfalls auf Ziegeln stand. In der Zeit der Mangelwirtschaft half sich eben jeder, so gut er konnte.

Anfang der 90er traute ich dem neuen Frieden nicht und schraubte jedes Mal eine gelbe und imposante Wegfahrsperre an ein Rad. Das hatten mir deutsche Polizisten geschenkt, als sie hörten, wohin ich mit dem Auto will. Ich wurde belächelt und beneidet. Mit der Zeit wurde das aber überflüssig, die Autos wurden abgestellt und blieben unversehrt. Natürlich nicht alle, denn Autoklau ist ein weltweites Problem.

„Geld kann man nicht verdienen, man muss es sich ausdenken." Diesen weisen Spruch nahmen hier viele zum Anlass, ein Stück Land oder eine Ecke Asphalt abzutrennen und als bewachten Parkplatz auszugeben. Eine Blechbude für den Wächter kam noch hinzu und fertig war das Business. Das ging in den 90ern solange gut, bis die Genossen Räuber, also die Schutzgeldtruppen, dahinter kamen. Dann war Schluss mit lustig und der Profit sank merklich, denn es musste Schutzgeld gezahlt werden. Die einen bewachten Parkplatz ergattert hatten, zahlten mehr und mehr, meist ohne zu murren. Sie konnten es eh nicht ändern und wollten etwas Sicherheit für das gute Stück. Mit der Masse der unbewacht herumstehenden Autos wuchs der Vandalismus bei Jugendlichen oder Schluckspechten, die kein Auto hatten.

Die kurzzeitig vernachlässigten Garagenkomplexe bekamen wieder Bedeutung und Gewicht, nicht nur weil die Herren der Schöpfung dort ungestört unter dem Deckmantel von Autopflege oder Reparatur einen zur Brust nehmen konnten, sondern auch weil dort Reifen, Werkzeug, alte Fahrräder oder sonstiges lagern konnten. Dort stand auch das Lieblingsspielzeug bewacht und trocken. Der einzige Nachteil war, dass diese Garagen oft sehr abgelegen und schwer zu erreichen waren.

Wächter beschützten die Autos und hatten in Umbruchszeiten gleich einen Broterwerb.

Das Glück währte nicht lange, denn mit dem Straßenbau mussten zahlreiche Garagenkomplexe weichen. Wenn die Garageneigentümer versammelt wurden, um die traurige Kunde vom Sterben ihrer Garagen zu erfahren, schlugen die Emotionen hohe Wellen. Ihnen wurden verschiedene Lösungen angeboten. Entweder Entschädigung bar auf die Hand oder die Möglichkeit, in den entstehenden Parkhäusern, die komischerweise Volksgarage genannt wurden, einen Platz zu kaufen, der oft teurer war als das Auto selbst. Und aufbewahren konnte man da auch nichts. Wer das Geld für den neuen Stellplatz nicht aufbringen konnte oder wollte, hatte noch die Möglichkeit, für ein geringes Entgeld das Fahrzeug im Parkhaus abzustellen, ohne das Recht auf Weitergabe an Dritte. Der Appetit der Baulöwen schlug den Garagenfreaks ordentlich auf den Magen.

In den etwas teureren Neubauten wird den Wohnungsbesitzern auch gleich ein Platz in der Tiefgarage angeboten, der wiederum das Budget sprengt. Nicht alle können sich so etwas leisten. Der dadurch entstandene Leerstand wird von „Aushäusigen" beseitigt, die schon irgendwo eine Wohnung haben und Geld für eine Garage erübrigen können.

Ich bin weder Wohnungs- noch Garagenbesitzerin, demzufolge immer auf der Suche nach einem sicheren Platz. Eine gute Lösung ergab sich, als in meiner Nachbarschaft in einem ehemaligen Luftschutzkeller Stellplätze zu einem vernünftigen Preis angeboten wurden. In den Tiefen des Kellers herrschte nahezu das ganze Jahr über die gleiche Temperatur. Da freute ich mich für mein Auto, dass es nicht bibbern und nicht unter der unbarmherzigen Sonne stehen musste. Aber nur kurz, denn diese Garage wurde zum Objekt der Begierde von verschiedenen Gruppierungen. Ständig wechselten die Vermieter, zwischendurch flogen alle Autos raus und durften nach empfindlichen Preiserhöhungen wieder hinein.

Das war mir dann doch zu stressig und nach dem letzten Vermieterwechsel bat ich um Asyl für mein Auto bei einem langjährigen Freund, der seine Eigentumsgarage nicht nutzt. Nun haben wir hoffentlich etwas Ruhe, mein Auto und ich.

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