Bild enthüllt: Achtung! Gefahr!! Russen-Lügen!!!

Eine Frau trauert um die Opfer des Militärkonflikts in der Ostukraine. Foto: AP

Eine Frau trauert um die Opfer des Militärkonflikts in der Ostukraine. Foto: AP

Wie die Wahrheit im eigenen Interesse verdreht wurde.

Wir stecken mitten im Propaganda-Krieg. Das hat inzwischen auch die Bild-Zeitung gemerkt, die sich ja seit jeher ehrliche und ausgewogene Berichterstattung auf die Fahne geschrieben hat. Glaubt man Bild und anderen deutschen Medien, dann läuft dieser Krieg ziemlich einseitig ab: eine Seite feuert aus allen Rohren, die andere bemüht sich händeringend um Schadensbegrenzung. Eine ungleiche Kräfteverteilung, ungefähr so, wie wenn Asterix und Obelix ein Römerlager zertrümmern.

Die Gallier, das wären in diesem Falle die gefinkelten Propaganda-Experten des Kremls. Die Römer, das sind unsere westlichen Politiker und Journalisten, die gar nicht so recht wissen, was ihnen geschieht. Bei Jupiter, was macht diese Barbaren unbesiegbar?

Was haben die russischen Infokrieger für Tricks drauf! Da geistert ein angeblicher Brief eines jüdischen Doktors durch's Internet. Dieser berichtet, wie ein antisemitischer Mob ihn daran gehindert hat, pro-russischen Demonstranten erste Hilfe zu erweisen. Bild und andere Römer warnen: Achtung, diesen Mann gibt es in Wirklichkeit nicht. Wer hat das

herausgefunden? Ukrainische Journalistenschüler! Das Foto des angeblichen Arztes zeigt laut den jungen Detektiven in Wahrheit einen in Russland lebenden Dentisten namens – Achtung! – „Ruslan-Hadschi-Muratowitsch Semjonow". Klingt ein bisschen seltsam, dieser Name, aber man merkt: wahrscheinlich kein Jude.

Kann sich jemand vorstellen, dass das auch andersrum gelaufen sein könnte? Dass ukrainische „Journalistenschüler" diesen Brief mitsamt dem dazugehörigen Hadschi-Halef-Omar erfanden, um zu zeigen, wie fies die russische Propaganda ist? Es gibt gefälschte „Beweismittel", die als echt durchgehen und den Gegner belasten sollen. Es gibt aber auch „Fälschungen", die dem Gegner in die Schuhe geschoben werden. Diese sind bewusst so plump gemacht, damit jeder merkt, es handelt sich um ein Fake. Pfui, der Feind schwindelt! Auch bei diesem Brief könnte es sich um solche „schwarze PR" handeln.

Ich sage „könnte", denn ich weiß es auch nicht. Es kursieren so viele verwackelte Videos, unscharfe Fotos und wirre Augenzeugenberichte, bei denen niemand in der Lage ist, mit hundertprozentiger Sicherheit anzugeben, ob sie echt sind und was sie wirklich aussagen. Desgleichen würde ich niemals behaupten, die russische Seite betreibe keine Propaganda. Man muss nur das russische Fernsehen einschalten, um sich vom Gegenteil zu überzeugen. Aber soll ich ihnen ein Geheimnis verraten? Das gehört dazu, so wie Schießen zum Krieg. Es ist unschön, aber alle machen es.

Erinnern wir uns an die Gräber von Katyn. Über Jahrzehnte behauptete die Sowjetunion, die dort liegenden Polen seien von den Deutschen massakriert worden. Die deutsche Regierung behauptete das Gegenteil

– und hatte Recht. Ist Goebbels nun ein ehrenhafter Mann? Sind alle Behauptungen über deutsche Kriegsverbrechen nur erfunden? Zu Beginn des II. Weltkrieges war die Öffentlichkeit in Deutschland und der Welt skeptisch gegenüber Berichten über Morde an Juden, weil die Propaganda der Entente im ersten Weltkrieg so haarsträubende Lügen über Gräueltaten deutscher Truppen verbreitet hatten.

Für schlichte Gemüter wäre es schön, wenn alles einfach wäre. Wir haben einen beim Lügen erwischt, also lügt dieser eine immer und ist überhaupt an allem schuld. So wie in Hollywood. Aber so ist es nun einmal nicht, im richtigen Leben. Alle verdrehen die Wahrheit im eigenen Interesse. Sogar die Bild-Zeitung.

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

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