Bild: Nijas Karim
Nach dem Ende der Sowjetunion eröffneten in Russland überall neue Restaurants und Cafés, die ganz neue, sogar exotische Speisen auf die Karte führten.
Exotisch war für die Russen auch das Angebot der Fastfood-Kette McDonalds. Vor der ersten Moskauer Filiale von McDonalds bildeten sich Ende der Achtzigerjahre gigantische Schlangen. Ein Besuch bei McDonalds wurde zelebriert wie der Besuch eines guten Restaurants. Hamburger und Cola mit Eis sprachen ganz neue Geschmacksnerven an und eine Weile galt McDonalds als Vorbild für westlichen Gastronomiestandard. Diese Zeiten sind lange vorbei, heute geht der Russe zu Mac-Duck, wie die Fastfood-Kette im Volksmund genannt wird, oder zur Sabegalowki, wie die Imbissbude zu Sowjetzeiten hieß.
Alte Speisen mit neuem Namen
Im Trend liegt an Werktagen das auch schon seit Sowjetzeiten bekannte kompleksnyj objed, ein komplettes Mittagsmenü, das normalerweise aus vier Gängen besteht. Erst nach dem Ende der Sowjetunion entstand die Gewohnheit, sich im Kino zum Film eine große Tüte Popcorn zu bestellen. Eine weitere beliebte Film- und Fernsehmahlzeit, die Chips, gibt es heute in vielen Variationen und Geschmacksrichtungen, auch noch als Chrustjaschtschij kartofel (zu Deutsch Knusper-Kartoffel). Diese Marke wird heutzutage immer noch produziert – wahrscheinlich aus nostalgischen Gründen. Fast verdrängt wurde dagegen das zu Sowjetzeiten populäre Würzmittel Sous tomatnyj (Tomatensauce). Auch die Russen bevorzugen heute Ketschup.
Während es früher Nudeln nur als Spaghetti oder Makkaroni gab, gibt es seit dem Einzug der italienischen Küche nach Russland eine Vielfalt an Pasta-Spezialitäten. Besonders gern wird Spaghetti Bolognese gegessen, ein Gericht, das früher Makkaroni po-flotski (Makkaroni auf Matrosenart) hieß. Lasagne und Ravioli haben nur einen verschwindend geringen Marktanteil. Letztere werden von den Russen als eine Variation der einheimischen Pelmeni betrachtet, allerdings als misslungene.
Die spanische Paella landet ebenfalls eher selten auf russischen Tellern. Wie auch in Deutschland wurden in den letzten Jahren in Russland überdurchschnittlich viele japanische Restaurants eröffnet. Man sagt sogar, in Russland werde mehr Sushi gegessen als in Japan selbst. Sehr gefragt sind Restaurants, die Speisen aus der Küche verschiedener Völker kombinieren. Viele experimentieren mit den Speisen im sogenannten Fusion-Stil. Die Kombinationen erscheinen oft gewagt. Auf manchen Speisekarten findet man dann Pizza mit Sushi und Borschtsch.
Das französische Bistro ist eine russische Erfindung
Intensive kulinarische Beziehungen gibt es zwischen Russland und Frankreich. Es sollen die Russen gewesen sein, die das französische Bistro erfunden haben. Glaubt man einer Legende, verlangten die russischen Soldaten, die die Napoleonische Armee bis nach Frankreich verfolgten, in den Pariser gastronomischen Einrichtungen eine schnelle Bedienung und
forderten von den Besitzern: „Bystro!" (zu Deutsch: „Schnell!"). Daraufhin wurden, so erzählt man sich, die damaligen Imbissstuben schon bald auch von den Franzosen als Bistro bezeichnet. Anfang der Neunzigerjahre kehrte das Wort dann nach Russland zurück, als eine einheimische Fastfood-Kette, die vor allem nationale Speise wie Piroggen und Pelmeni anbietet, unter der Bezeichnung Russkoje bistro als Alternative zu McDonalds eröffnet wurde.
Die Russen lieben heute auch Croissants, Müsli und Joghurt, ein Wort das ursprünglich aus der französischen Sprache entlehnt und entsprechend auf der zweiten Silbe als Joghúrt ausgesprochen wurde. Joghurt gibt es in Russland erst seit dem Ende der Sowjetunion wieder. Er war zwar schon seit 100 Jahren bekannt, aber völlig in Vergessenheit geraten. Heute wird er übrigens wie in der englischen Sprache mit Betonung auf der ersten Silbe ausgesprochen. Während früher das „kulinarische Wörterbuch" vor allem durch französische Begriffe geprägt war, werden heutzutage die meisten Begriffe dem Englischen entlehnt, was mit der generellen Umorientierung der gegenwärtigen russischen Kultur auf die englischsprachige zu tun hat.
Ein Meilenstein in dieser Beziehung war die Produktion der ersten Cola in der Sowjetunion. Für die Fertigung von Pepsi-Cola wurde zu den Olympischen Spielen im Jahre 1980 in Noworossijsk eigens ein eigenes Werk gebaut. Zu Sowjetzeiten war der US-amerikanische Konzern der Monopolist für die Produktion des Getränks, das kurz zuvor noch von der Sowjet-Propaganda als „verhängnisvolles Element der verhassten
bürgerlichen Kultur" bezeichnet wurde. In den Neunzigerjahren, nach dem Zerfall der UdSSR, gelang es dem Konkurrenten Coca-Cola Pepsi in Russland Paroli zu bieten. Schon bald gesellten sich zu den beiden Marktführern diverse weitere Colas, von denen die populärste die inzwischen aus dem Angebot verschwundene Hershe-Cola war.
In den letzten Jahren wurde ein aktiver Werbefeldzug zur Verdrängung von ausländischen Erfrischungsgetränken durch das vergleichbare traditionelle einheimische Produkt Kwas geführt. Dieses Getränk wird auf natürliche Weise durch Gehrung aus Brot hergestellt. Ein bekannter Werbeslogan für die Kwas-Marke Nikola ist das Wortspiel ‚Kwas – nje Kola; pej Nikolu! ' zu Deutsch heißt das ‚Kwas ist keine Cola – trink Nikola!'.
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