Einmal Fernost und zurück im Eiltempo

Blick vom Amur auf die Stadt. Foto: Adele Sauer

Blick vom Amur auf die Stadt. Foto: Adele Sauer

Adele zu Besuch bei der Amur-Stadt Chabarowsk.

Nach Fernost mit Josif Brodski, zurück mit Lew Jaschin. Die Aeroflot gibt ihren Linern neuerdings Namen berühmter Landsleute. Brodski und Jaschin beruhigen mich, aber ich habe auch Maschinen mit Namen gesehen, die mir nicht behagten. Da wäre ich nicht so gerne eingestiegen. Das "neue" Geschichtsbewusstsein treibt da komische Blüten.

Lange Flugreisen bereiten mir immer viel Qual, denn ich kann im Flugzeug nicht schlafen. Ob mit oder ohne Kindergeschrei, es geht einfach nicht. In diesem Jahr gab es zum Glück ein gutes Filmprogramm, so dass die Zeit wenigstens angenehm verbracht werden konnte. Die Kopfhörer dämpften das Gebrüll der geplagten Babys etwas ab.

Der Flug startete am frühen Abend, wie fast alle Flüge gen Osten. In Moskau war es noch hell und so blieb es die ganze Reise. Chabarowsk hat sieben Stunden Vorsprung.

Landung in Chabarowsk nach einer endlos erscheinenden schlaflosen Flugnacht. Ich hatte mich schon am Samstagabend auf den Weg gemacht, um wenigstens ein bisschen mit dem Zeitunterschied klarzukommen.

Nach kurzer Ruhepause machte ich mich auf, die Stadt zu erkunden. Im vorigen Jahr habe ich es nicht geschafft, denn ich hatte den Flieger wegen eines Megastaus verpasst und musste deshalb auf die Eingewöhnungsphase verzichten.

Das Wetter spielte mit, bei sonnigem, aber kühlen Wetter strebte ich in Richtung Amur. Für den Anfang erwischte ich die etwas schmuddelige Seite der Uferstraße. Um Ausreden nicht verlegen, wurde mir der frische Müll unmittelbar am Ufer mit dem vergangenen Hochwasser erklärt. Das Volk sieht es gelassen und amüsiert sich auf Fahrgeschäften, Innlinern, Fahrrädern und vielem anderen mehr.

Ein kleiner Ausflugsdampfer, genau so einer, wie sie auf der Moskwa herumschippern und hier „Flußstraßenbahnen" genannt werden, versuchte mit lauter Schlagermusik und reißerischer Werbung Passagiere zu einer einstündigen Exkursion auf dem Amur zu überreden. Als ich erfahren hatte, dass die nervende Musik bei der Abfahrt ausgeschaltet wird, entschloss ich mich kurzerhand zu einem Ausflug. Ich hatte im Inneren eine Kaffeemaschine erspäht und freute mich auf einen Capuccino. Fehlanzeige, das gute Stück war kaputt.

Ein Teebeutel, der in einem kleinen Einwegbecher schwamm, musste als Ersatz herhalten. Die Musik wurde auch nicht ausgeschaltet, also konnte ich die erhofften Informationen während der Fahrt auch streichen. Mehr noch,

die Lautsprecher auf Deck wetteiferten mit anderem Hupfdohlengesang, der aus einem überdimensionalen Flachbildfernseher den Raum, der sich Bar nannte, überflutete.

Ich flüchtete an das hintere Ende des kleinen Dampfers und genoss die Aussicht. Der Amur ist ein majestätischer Fluss mit großen bewachsenen Sandbänken. Die Stadt schaut von den Hügeln auf den Amur. Ganz oben steht der Stadtgründer Graf Murawjow-Amurski hoch erhobenen Hauptes auf einer Säule und ist weithin zu sehen. Der Kahn schipperte bis zur neuen- über drei Kilometer langen Brücke über den Fluss und drehte dann gemächlich um.


Stadtgründer Graf Murawjow-Amurski. Foto: Adele Sauer

Neugierig geworden, erklomm ich die Anhöhen und sah das andere Gesicht der Stadt – schmucke Parkanlagen, Rockkonzert unter freiem Himmel, gut gelaunte Chabarowsker. Hungrig geworden, suchte ich ein Restaurant. Das war nicht so einfach, obwohl es einige gibt, wollte ich nirgendwo bleiben. Und Preise rufen die da auf! Ich wollte Fisch aus dem Amur zu Abend verspeisen, wurde aber aufgeklärt, dass diesen Fisch nicht einmal die Katzen fressen. Da muss man schon einen Fischer kennen, der in einem Seitenarm den Fischen nachstellt.

Also landete ich in einem Beerhouse, das deutsche Küche versprach, aber den Mund zu voll genommen hatte. Dort schlugen auch die Bierpreise alle

Rekorde. Die Bedienungsfeen riefen mir sogar ein Taxi, ohne mit der Wimper zu zucken. Der Taxifahrer guckte zwar komisch, fuhr aber los. Ganze 300 Meter. Die Kneipe lag in der gleichen Straße wie das Hotel, was man mir delikat verschwiegen hatte. So richtige Gastfreundschaft ist das allerdings nicht.

Nach zwei anstrengenden Arbeitstagen machte ich mich auf nach Wladiwostok, für russische Begriffe nur einen Katzensprung entfernt, eine gute Stunde Flug nur. Mitleidig blickten mich meine Chabarowsker Kunden an, denn sie finden ihre Stadt weitaus attraktiver als die andere fernöstliche Metropole. Ebenso reagieren die Wladiwostoker auf die bloße Erwähnung der anderen Stadt. Konkurrenz und Eifersucht herrschen zwischen beiden Städten, die wohl gleichermaßen die Palme der wichtigsten Metropole in der Region Fernost beanspruchen.

 

Die Fortsetzung folgt...

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