Was der Russe sagt, wenn er nichts sagt

Bild: Nijaz Karim

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W obschtschem, po chodu, kak-to tak – Worthülsen und Füllwörter sind im Russischen sehr verbreitet. Nicht immer handelt es sich dabei aber um leere Worte – jedenfalls im Allgemeinen, je nach den Umständen und irgendwie so... Alexej Michejew über die Kunst, viel zu reden, ohne etwas zu sagen.

In der sowjetischen Kult-Komödie „Jetzt schlägt’s 13!“ aus dem Jahre 1956 ist ein Lied mit folgendem Text zu hören: „Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll, nun ja, also, sozusagen, nein, es klappt schon wieder nicht!“ So versucht ein schüchterner junger Mann erfolglos, seiner Angebeteten seine Liebe zu gestehen. In seiner holprigen Liebeserklärung sind gleich drei verbreitete Worthülsen anzutreffen: „w obschtschem“ (zu Deutsch: „nun ja“, wörtlich: „im Allgemeinen“), „snatschit“ („also“, wörtlich: „das bedeutet“) und „tak skasatj“ („sozusagen“).

 

Mündliche Anführungszeichen

Die Wendung „w obschtschem“ mit ihren Varianten „woobschtsche“ („überhaupt“), „woobschtsche-to“ („eigentlich“) und „w obschtschem-to“ („an und für sich“) zeugen von der Unsicherheit des Sprechenden. Er will sich nicht festlegen und verweist auf irgendetwas Allgemeines, wodurch er die Verantwortung von sich schiebt. So bedeutet zum Beispiel „woobschtsche-to, da“ („eigentlich ja“) ein etwas vages „ja“. Eine ähnliche Rolle spielen die Wortverbindungen „tak skasatj“ („sozusagen“) und „kak goworitsa“ („wie es so schön heißt“): Sie sind eine Art mündliche Anführungszeichen und verweisen darauf, dass der Sprecher eine mehr oder weniger bekannte Bemerkung wiedergibt. Das Wort „snatschit“ („also“) wird dagegen meist gebraucht, wenn nicht gleich in den Sinn kommt, was man sagen möchte, und die Pause überbrückt werden soll.

Die Frage „Kak woobschtsche?“ („Und sonst so?“) ist die umgangssprachliche Variante von „Kak djela?“ („Wie geht es?“). „Eto woobschtsche ne wariant“ („Das kommt nicht in Frage!“) sagt man, wenn man einen Vorschlag kategorisch ablehnt. „Nu woobschtsche!“ („Na, überhaupt!“) ist Ausdruck größter Verwunderung und wird umgangssprachlich auf „Waschtsche!“ verkürzt.

In der Jugendsprache ist oft das Wort „korotsche“ (wörtlich: „kürzer“, von „korotsche goworja“: „kurz gesagt“) zu hören. Eigentlich sollte diese

Wendung nur eingesetzt werden, wenn der Sprecher einen langen und komplizierten Gedanken etwas prägnanter ausdrücken möchte. In der Praxis jedoch folgt auf die Ankündigung „korotsche“ häufig eine noch längere und verwirrendere Erläuterung, sodass von „kürzer“ nicht die Rede sein kann. Noch unsinniger ist der Gebrauch dieser Wendung, wenn sie am Anfang einer Ausführung steht und jeglicher Verweis auf etwas „Längeres“ fehlt – das ist dann das klassische Beispiel für eine Worthülse.

In einem intensiven Dialog kann einer der Gesprächspartner seine Bemerkung mit der Wendung „na samom dele“ („tatsächlich“ oder „in Wirklichkeit“) beginnen. Auf diese Weise unterstreicht der Sprecher vorab seine Kompetenz (er weiß, dass es tatsächlich so ist). In der Praxis hat diese Wendung ihre wörtliche Bedeutung nahezu eingebüßt und dient meist nur noch als Füllwort.

 

Warnung vor dem Unvollkommenen

Eine weit verbreitete Unart, vor der sogar gebildete Menschen, die Wert auf einen gepflegten Ausdruck legen, nicht Halt machen, ist seit einigen Jahren die Wendung „kak by“ („quasi“). Wer „kak by“ sagt, nimmt gleichsam Abstand von seiner Äußerung und lässt erkennen, dass er seinen Gedanken nicht konkret ausdrücken kann. Er warnt – quasi – vor der Unvollkommenheit seiner Worte. Einige Menschen sind der Meinung, dass die Wendung „kak by“ ein Zeichen für die Loslösung des modernen Menschen von der Realität und der Flucht vor Interpretation und Bewertung der Umwelt ist. Sagt man etwas „quasi“, ist es nicht ganz ernst gemeint.

Noch nebulöser ist die Bedeutung der Wendung „po chodu“ („je nach den Umständen“, wörtlich: „im Laufe“), die vor nicht allzu langer Zeit in den aktiven Sprachgebrauch eingegangen ist und vor allem bei Menschen mit einem recht niedrigen Bildungsniveau angetroffen werden kann. Eigentlich ist sie die verkürzte Form der Wortverbindung „po chodu djela“ („im Laufe des Vorgangs“), die ein Ereignis oder einen Prozess bezeichnet, der parallel zu diesem „Vorgang“ läuft. Im heutigen Sprachgebrauch ist diese Bedeutung noch sporadisch anzutreffen, aber immer häufiger wird diese Wendung lediglich als Worthülse gebraucht, so wie auch „woobschtsche-to“.

„Nu, ty ponimajesch“ („du verstehst doch“) ist Ausdruck der Hoffnung, dass der Gesprächspartner vollständig mit der Meinung des Sprechers einverstanden ist, auch oder gerade, wenn dieser seinen Gedanken nicht sehr überzeugend formuliert hat. „Prosto net slow!“ („Da fehlen einem die Worte!“) dagegen ist der Standardausdruck für eine Empörung. Ebenso universell ist der Empathie heuchelnde Kommentar „Nitschewo nje podjelajesch!“ („Da kann man nichts machen“). Etwas seltsam und wörtlich kaum zu übersetzen ist die Wendung „Da kakoje tam“, der im Deutschen am ehesten der Ausdruck „Na, was hast du denn erwartet?!“ oder aber auch „Pustekuchen!“ entspricht.

 

Ein klares „Jein“

Das Wort „da“ („ja“) hat im Russischen häufig nichts mit dem Ausdruck des Einverständnisses zu tun, sondern spielt noch eine ganz andere Rolle in der Sprache: So bedeutet zum Beispiel die paradoxale Äußerung „da njet“ („jein“) so viel wie „eher nicht“ oder „wahrscheinlich nicht“. Das am häufigsten anzutreffende Wort der modernen Umgangssprache ist wohl „nje“ („nein“ oder “nicht“), und nicht, weil die meisten Menschen so viel abzulehnen hätten. Dieses Wörtchen dient einfach dazu, den Redestrom des Gesprächspartners zu unterbrechen, so, als ob man sagen würde: „Warte mal, jetzt bin ich an der Reihe!“

Um das Fazit dieses Artikels zu ziehen, lässt sich auch eine typische Wendung anführen: Zum Beispiel „w takom duche“ („in diesem Sinne“) oder „takowo plana“ („in dieser Art“). Die populärste dieser Wendungen ist in letzter Zeit der Ausdruck „kak-to tak“ („irgendwie so“), die so viel bedeutet wie: „Das ist dabei herausgekommen, besser ging’s nicht“. W obschtschem, kak-to tak…

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