Nach Sanktionen: Einkaufen in Russland

Foto: Getty Images/Fotobank

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Wie die große Politik sich in die Mägen und Geldbeutel der einfachen Bürger schleicht.

Man sollte meinen, es sei ein recht einfacher und alltäglicher Vorgang. Aber nicht hierzulande! Und schon gar nicht im Moment, wo als Antwort auf internationale Sanktionen die Einfuhr von Lebensmitteln aus den „Sanktioniererländern" unterbunden wurde. Die große Politik schleicht sich in die Mägen und Geldbeutel der einfachen Bürger. Auf die Schnelle kann kein Ersatz geschaffen werden, also werden die verbleibenden Lebensmittel teurer, und zwar ganz fix. Sie waren ja ohnehin nicht billig.

Um die Lücken in den Regalen der Supermärkte nicht ansehen zu müssen, gehe ich wieder verstärkt auf die Märkte, die ja zum Glück noch nicht alle platt gemacht wurden. Da sind allerdings die Preise auch ganz schön gepfeffert. Aber richtig schmackhafte Tomaten sind eben nur da zu kriegen. Das ist Genuss pur! Pfirsiche, Aprikosen, Wasser- und Zuckermelonen, frische Feigen und viele andere Köstlichkeiten lassen das Wasser im Munde zusammen laufen. Und die vielen Kräuter, die ihren verführerischen Duft verströmen! Das hat aber leider seinen Preis, obwohl die Lieferanten aus den ehemaligen Sowjetrepubliken kommen. Na, auch sie wollen ihren Schnitt machen.

Da kann es schon passieren, dass die verlockenden Früchte der kunstvoll aufgestapelten Pyramiden in der Einkaufstüte jedoch ganz anders aussehen. Die flinken Verkäufer packen bei der Laufkundschaft gerne auch angeknackste Früchte mit in die Tüte. Die Verkäufer werden offensichtlich von den Standbesitzern sehr kurz gehalten und versuchen so drohendes Manko mit kleinen Gaunereien auszugleichen. Menschlich zu verstehen, aber trotzdem ärgerlich für den behumsten Kunden. Da hilft nur eins, man muss zum Stammkunden avancieren, um erstklassige Ware in der Tüte zu haben.

In Erwartung neuer Krisenzeiten decken sich die Städter mit Kartoffeln, Kraut, Gurken und Tomaten ein. Das wird dann alles, außer den Kartoffeln natürlich, eingelegt, was unnachahmlich schmeckt. Die russischen Salzgurken sind unübertroffen, schmecken aber bei jeder Hausfrau anders. Obwohl die Zutaten nahezu gleich sind. Nicht jeder gelingt es, dass die Gurken im Winter noch dazu schön knackig sind. Diese Geheimnisse werden mehr oder weniger streng gehütet. So hat jeder sein Tun und kommt gar nicht dazu, an die große Politik zu denken.

Denken und Politik gehen ja auch nicht so recht zusammen. Da wird die große Propagandamaschine angeworfen und alle werden eingelullt oder aufgewühlt, ganz wie es von oben gewünscht wird. Aber diese ganzen Sanktionen gehen natürlich nicht ohne merkwürdige Blüten über die Bühne. Wir können jetzt Meeresfrüchte aus dem nahen Weißrussland erwerben, welches natürlich keinen Zugang zu irgendeinem Meer hat.

Clever, nicht wahr. Mit Russland eng verbandelt geht es doch so eigene Schleichwege. Als mit Georgien die Eiszeit ausgebrochen war und sowohl georgisches Mineralwasser als auch der beliebte und sehr süffige Wein in unseren Breiten verpönt war, stand er im Nachbarland in den Regalen.

Wer in die preiswerten weißrussischen Sanatorien zur Kur fuhr, labte sich an den beliebten Köstlichkeiten und schleppte sie auch noch mit nach Hause. Ebenso verhielt es sich mit den moldawischen Weinen, die nach ersten Abtrünnigkeitsversuchen der Moldawier als minderwertig und gefährlich für Leib und Leben eingestuft wurden. Das Volk schmunzelt und sucht nach Wegen, sich die mit dem Bann versehenen Güter zu beschaffen.

Außerdem sind die nach dem Auseinanderfallen der Sowjetunion bestehenden Familienbande unter anderem auch dazu da, den Versorgungsfluss aufrecht zu erhalten. Man besucht sich gegenseitig und bewirtet sich mit den hie und da nicht zu findenden Leckereien. Manches kann sich auch mit List und Tücke halten, so zum Beispiel der beliebte

ukrainische Borschtsch, der in Anbetracht der angespannten Lage hier einfach Rote-Beete-Suppe genannt werden soll. Egal wie das Gericht heißen muss, es gehört in jede Küche hierzulande. Und schmeckt vorzüglich!

Aber es gibt natürlich noch andere Lücken im Leckereienmanko. Man kann einfach ins Ausland fahren und sich den Bauch vollschlagen, Butterfahrten auf Russisch eben. Nur mitbringen kann man nicht allzuviel, das wird natürlich begrenzt. Ein Eldorado für die Jungs vom Zoll. Aber die wollen ja bekanntlich auch leben, und zwar so richtig gut! So befindet sich alles in einem ewigen Kreislauf und es wird vor allem nicht langweilig.

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

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