Der trendige Schnitt: Frisurenmode in Russland

Frisuren unterliegen eben dem ständigen Wandel, sie folgen meist der aktuellen Mode und spiegeln den Zeitgeist wider. Foto: Alexey Kudenko / RIA Novosti

Frisuren unterliegen eben dem ständigen Wandel, sie folgen meist der aktuellen Mode und spiegeln den Zeitgeist wider. Foto: Alexey Kudenko / RIA Novosti

Auch Frisuren unterliegen einem ständigen Wandel. Was auf dem Kopf getragen wird, bestimmt das Modediktat oder manchmal auch, wie in der Sowjetunion, der Parteiapparat. RBTH erzählt die kleine Geschichte der russischen Frisuren, die garantiert nicht an den Haaren herbei gezogen ist.

Zurzeit sind in Russland unkomplizierte und natürliche Frisuren im Trend. Kristine Pogosjan arbeitet im Moskauer Schönheitssalon „Aleksandr-Todtschuk“ und weiß warum: „Der Alltag lässt modernen Frauen nur wenig Zeit für die Schönheitspflege“. Es gab auch Zeiten, in denen das ganz anders aussah. Im 18. und 19. Jahrhundert zierten die Köpfe der modebewussten Damen wahre Kunstwerke und manchmal reichte eine Frisur nicht aus. Dann trug man einfach mehrere Perücken übereinander.

Auch Frisuren unterliegen eben dem ständigen Wandel, sie folgen meist der aktuellen Mode und spiegeln ebenso den Zeitgeist wider. Manche Frisuren setzen sich weltweit durch, andere bleiben regional begrenzt.

Unästhetisch und geschmacklos in den Fünfzigern

Irina Saweljewa ist Kunstexpertin und Dozentin am Mode-, Design- und Technologieinstitut: „Die Frisuren der UdSSR waren nicht so extravagant und aufwändig wie im 18. und 19. Jahrhundert.“ Die sowjetische Bevölkerung hatte anfangs keine Beziehung zu Mode. Mode war „ein Zeichen der Bourgeoisie“ und wenn eine Frau stilvoll aussah, bedeutete das, dass sie nicht arbeitete und zu viel Zeit auf ihre äußere Erscheinung verwendete. Das war verpönt. Haarknoten, die schnell gemacht waren und mit Klemmen und Haarnadeln fixiert wurden, und praktische Kurzhaarschnitte wurden zu den Lieblingsfrisuren sowjetischer Frauen.

„Schönheitspflege war jedoch keineswegs verboten“, erklärt Saweljewa. Im Gegenteil, in den 1930er Jahren eröffneten die ersten Schönheitssalons. Die Frisuren wurden wieder femininer, die Menschen spürten wieder mehr Lebensfreude, beschreibt sie diese Zeit. In Erinnerung geblieben sind Irina Saweljewa übrigens die Frisuren der 1950er Jahre, vor allem die Bienenkorb-Frisuren und die üppigen Haarteile und Toupets. Allerdings sind ihre Erinnerungen keine guten: „Die Frisuren der fünfziger Jahre sahen lächerlich und unästhetisch aus“, fällt sie ihr hartes Urteil.

Frisurentrends wurden vor allem durch Filme gesetzt. Sowjetische Filme wirkten naiv und waren gelegentlich weit entfernt von der Realität. Dennoch zeigten sie sowjetischen Frauen und Männern, wie man sich kleiden sollte und wie man schicke Frisuren selbst machen konnte“, erklärt Saweljewa.

Die Frauengeneration der 1930er und 1940er Jahre verehrte Ljubow Orlowa, eine bekannte Schauspielerin in Theater- und Filmproduktionen, Sängerin und zweifache Stalin-Preisträgerin. Ihr Portrait sah man auf den sowjetischen Briefmarken und Postkarten. Sie war eine sowjetische Stilikone und wurde von vielen sowjetischen Frauen nachgeahmt. Orlowa setzte Trends mit dem Bleichen der Haare und hohen, voluminösen Frisuren.  

Ljubow Orlowa. Foto: ITAR-TASS

In den 1950er Jahren wurde sie von der Schauspielerin Ljudmila Gurtschenko abgelöst. Sie wurde durch den Film „Karnavalnaja notsch“ („Die Karnevalsnacht“) berühmt. Sie kreierte einen eigenen „New Look“ für die UdSSR, der sich deutlich vom damals in den USA angesagten „Pin-Up-Stil“ unterschied. Von da an war Haargel für glatte und geschmeidige Haare ein gefragtes Produkt.

Frisuren als Staatsfeinde in den Sechzigern

In den 1960er Jahren konnte die Frisur über Schicksale entscheiden. Zu dieser Zeit kam in der UdSSR die Jugendbewegung „Stiljagi“ auf. Ihre Anhänger orientierten sich an Musik und Style des Westens, an Jazz, Pop und Rock ‘n Roll. Die Oberen der Sowjetunion fürchteten ihren „destruktiven westliche Einfluss“ und erklärten die „Stiljagi“ zu Staatsfeinden.

„Es gab tatsächlich Razzien“, sagt Irina Saweljewa. Wehe dem, der dann mit der ideologisch falschen Frisur erwischt wurde. Dem drohten ein Aufenthalt auf der Polizeistation und ein unfreiwilliger Haarschnitt. Sowjetische Zeitschriften berichteten abfällig über die bei den weiblichen „Stiljagi“ so beliebten Haarteile und zerzausten Kurzhaarfrisuren. Letztere hießen eigentlich „Schucher“, doch sowjetische Satirezeitschriften benannten die Frisur in „Ich bin Muttis Dummkopf“ um.  

In den 1960er Jahren predigte die sowjetische Moral Bescheidenheit und Minimalismus. Als angemessen galten Kurzhaarschnitte wie der der polnisch stämmigen sowjetischen Sängerin Edita Pjecha, die noch heute sehr populär ist.  

Das Färben der Haare kam in Mode. Chemische Haarfarben gab es kaum und wenn doch, so waren sie fast unerschwinglich. Pflanzenfarben wie Henna und Indigo wurden bevorzugt und waren leicht zu bekommen und zudem preiswert. 

Kopfsalat in den Siebzigern und Achtzigern

Die Hippie-Bewegung der 1970er Jahre erreichte auch die UdSSR. Lange Haare wurden modern. Auf und in den Köpfen wurde künstlerisches Chaos bevorzugt. Mitte der 1970er Jahre sorgte der Film „Brilliantowaja ruka“ („Der Brilliantenarm“) des bekannten sowjetischen Regisseurs Leonid Gajdaj für ein Revival von platinblond gebleichten Haaren, ganz so wie es die Hauptdarstellerin Swetlana Swetlitschnaja in ihrer Rolle als hinterlistige Verführerin trug.

Swetlana Swetlitschnaja. Foto: kinopoisk.ru

In den 1980 Jahren gab es nichts, was es nicht gab. Dauerwellen, gefärbte Strähnen, maximales Volumen durch Haarteile oder gleich ein Toupet oder auch alles auf einmal - alles war erlaubt, bei Frauen und auch bei den Männern. Leidtragende waren dabei die arg strapazierten Haare und manchmal auch der gute Geschmack.

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts ist wieder einmal blond die beliebteste Haarfarbe, hat Kristine Pogosjan festgestellt. Viele junge Frauen kämen mit dem Wunsch nach einem kühlen Blondton in den Salon „Aleksandr-Todtschuk“. 

Aber das kann sich schon bald wieder ändern, weiß Irina Saweljewa. „Mode ist zyklisch. Vergangene Trends kehren regelmäßig wieder“, hat sie festgestellt.  Und das Trendkarussell dreht sich immer schneller.

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