Tag des Sieges: Wie Russland seinen Helden gedenkt

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Der 9. Mai, der dem Tag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg 1945 gedenkt, ist für die Russen einer der bedeutendsten Nationalfeiertage. Mindestens 27 Millionen Russen kostete der Sieg über Hitler-Deutschland das Leben – zu ihrem Gedenken finden im ganzen Land viele Projekte und Aktionen statt. Im Mittelpunkt stehen dabei die Veteranen.

Noch immer ist die Zahl der Überlebenden sehr hoch – 1,8 Millionen Menschen in Russland zählen nach Angaben russischer Behörden im April dieses Jahres als Veteran oder Kriegsversehrter. Doch die Anzahl an Veteranen schwindet zunehmend: In diesem Jahr sind es nicht einmal mehr 200 000.

Gerade den Veteranen kommt nicht nur am Feiertag selbst, sondern bereits im Vorfeld eine wichtige Rolle zu: In Kindergärten und Schulen erzählen sie der Jugend von ihren Erlebnissen vor mehr als 70 Jahren. Am 9. Mai kommen viele zusammen, um gemeinsam zu gedenken. Der bekannteste Treffpunkt der Veteranen ist der Brunnen vor dem Bolschoi-Theater in Moskau. An diesem Tag sind dort alte Kriegsveteranen zu sehen – gekleidet in ihren alten, von Ehrungen übersäten Uniformen.

Das „Unsterbliche Regiment“

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Der Tag der Erinnerung steht im Zeichen des Gedenkens – so ist das größte Ereignis am 9. Mai den Soldaten gewidmet, die nicht mehr am Leben sind. Unter dem Titel „Unsterbliches Regiment“ ziehen an diesem Tag Tausende Menschen durch die Straßen und halten Schilder und Plakate mit den Porträts ihrer im Krieg gefallenen Angehörigen hoch. Die Aktion findet auch außerhalb von Russland statt: Im letzten Jahr wurde sie in mehr als 40 Ländern weltweit durchgeführt.

Die Initiative für das „Unsterbliche Regiment“ kam ursprünglich von Journalisten aus dem sibirischen Tomsk. Nach Medienberichten diente die alte sowjetische Tradition, Porträts von Verwandten zu Denkmälern mitzubringen, als Vorbild für die ehrenamtliche Aktion. Dem Aufruf der Aktivisten folgten am 9. Mai 2012 mehrere Tausend Menschen, die mit Fotos von ihren verstorbenen Angehörigen durch die Straßen von Tomsk liefen.

Die Idee verbreitete sich schnell im ganzen Land. Schon im darauffolgenden Jahr fanden Umzüge des „Unsterblichen Regiments“ in mehr als 100 russischen Städten statt, im Jahr 2014 bereits in mehr als 500. Im folgenden Jahr wurde die Aktion offiziell genehmigt, wodurch der Umzug noch mehr Aufwind erhielt – Wladimir Putin persönlich führte das „Unsterbliche Regiment“ durch die Straßen von Moskau über den Roten Platz an. Der russische Präsident hielt das Porträt seines Vaters, der im Krieg an der Front kämpfte, in den Händen. Rund 500 000 Menschen nahmen an der Aktion in der Hauptstadt teil. Das Projekt „Unsterbliches Regiment“ wurde so allmählich zu einer nationalen Bewegung.

„Ich gedenke“

Ein anderes Projekt ist die Webseite moypolk.ru, die Geschichten der Menschen, die im Großen Vaterländischen Krieg kämpften, sammelt und veröffentlicht. Jeder kann die Kriegserlebnisse eines Angehörigen auf die Plattform stellen. Mehr als Hunderttausende solcher Geschichten stehen bereits online und bilden so eine Art „Kriegschronik des Volkes“.

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Diese Webseite ist nur eine von mehreren, die sich der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg verschrieben hat. Eines der zweifellos berühmtesten russischen Onlineprojekte ist die Plattform „Ich gedenke“, die vor mehr als 15 Jahren von dem Schriftsteller und Drehbuchautor Artjom Drabkin initiiert wurde.

Diese Seite sammelt Hunderte Interviews mit Veteranen. Die Geschichten, die dort erzählt werden, stammen nicht nur aus Russland, sondern auch aus Serbien, Bulgarien, Polen, Frankreich und Deutschland. Drabkin sagt, die Erinnerungen der Veteranen würden nicht nur unser Wissen über den Krieg erweitern, sondern darüber hinaus die Emotionen zeigen, die Geschichtsschreibungen nicht bieten könnten.

Auch die Bewegung „Freiwillige des Sieges“, die zum 70. Jahrestag des Sieges gegründet wurde, dokumentiert die Erinnerungen von Veteranen. Doch die fast 200 000 Mitglieder der Organisation wollen mehr: Ihr Ziel ist es, hilfsbedürftige ehemalige Soldaten zu unterstützen. Im Land gibt es inzwischen viele solcher Organisationen, die von lokalen und föderalen Behörden unterstützt werden. Sie sind häufig auf das Engagement von Veteranen selbst zurückzuführen, die in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend versucht haben, sich gegenseitig zu helfen.  

„Die Erinnerung des Volkes“

Neben Veranstaltungen der Zivilgesellschaft trägt auch der Staat Projekte, die den Sieg im Zweiten Weltkrieg zum Thema haben. Vor zwei Jahren launchte das russische Verteidigungsministerium die Webseite „Heldentat des Volkes“, die für jeden sichtbar dokumentiert, an wen und unter welchen Umständen eine Auszeichnung verliehen wurde.

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Eine andere Seite des Ministeriums – „Die Erinnerung des Volkes“ – stellt etwa eine halbe Million Dokumente zur Verfügung, die sowohl über Auszeichnungen als auch andere Informationen wie die letzte Ruhestätte oder den jeweiligen Einsatz im Krieg einer betroffenen Person informieren. Der Autor dieses Artikels fand dort beispielsweise die Auszeichnungen seines Großvaters, der damals an der Nordwestfront gekämpft hatte.

Seit nunmehr zwölf Jahren gehört auch das Sankt-Georgs-Band zum Tag des Sieges dazu. Es wird überall in Russland auf den Straßen verteilt. Die Farben des Bandes erinnern an die Farben der Garde im Zweiten Weltkrieg. Der Name bezieht sich zudem auf das Band des Sankt-Georg-Ordens, der unter Katharina der Großen als die höchste militärische Auszeichnung im Russischen Kaiserreich eingeführt wurde. Das Band ist nicht nur in Russland gefragt – auch in New York wurden in diesem Jahr mehr als eintausend Bänder verteilt.

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