Frauen in der Chefetage: „Russland braucht eine Präsidentin!“

V.l.n.r.: Regina von Flemming, Vorstand des Telekommunikationsriesen MTS in Russland, Moderatorin Katrin Eigendorf sowie Evgeniya Sayko, Vorstandsmitglied des Deutsch-Russischen Forums, und Vera Sirotina, CEO von Cedima Russia.

V.l.n.r.: Regina von Flemming, Vorstand des Telekommunikationsriesen MTS in Russland, Moderatorin Katrin Eigendorf sowie Evgeniya Sayko, Vorstandsmitglied des Deutsch-Russischen Forums, und Vera Sirotina, CEO von Cedima Russia.

Anastassia Buschuewa
Beim Moskauer Gespräch am 8. September waren Frauen in den deutsch-russischen Beziehungen das Thema. Die vier Frauen auf dem Podium sprachen dabei über Karrierechancen in den beiden Ländern und darüber, was Frauen zur Verbesserung der bilateralen Beziehungen beitragen könnten.

Frauen in den deutsch-russischen Beziehungen waren das Thema des Moskauer Gesprächs vergangene Woche. „Es ist selten, dass ein Podium rein weiblich besetzt ist“, merkte Moderatorin und ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf gleich am Anfang der Veranstaltung an, die vom Deutsch-Russischen Forum und der „Moskauer Deutschen Zeitung“ organisiert wurde.

Auf besagtem Podium saß „die Deutsche mit der russischen Seele“, wie russische Medien die ehemalige Axel-Springer-Chefin in Russland, Regina von Flemming, nennen. Momentan sitzt sie im Vorstand des Telekommunikationsriesen MTS in Russland. Dann Vera Sirotina, CEO von Cedima Russia und Pionierin der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen, sowie Evgeniya Sayko, die das Deutsch-Osteuropäische Journalistenprogramm leitet und Vorstandsmitglied des Deutsch-Russischen Forums ist. 

Chancen für Führungspositionen

Die drei, die es geschafft haben, in Führungspositionen zu gelangen, diskutierten zunächst über die Chancen, die beide Länder dafür bieten. „Eine solche Karriere – 20 Jahre als Geschäftsführerin und jetzt das erste große Aufsichtsrats-Mandat – hätte ich in Deutschland so nicht machen können“, betonte von Flemming. Die „Extra-Meile zu gehen“ sei zwar als Frau auch in Russland nötig, aber dafür werde man belohnt.

Die Möglichkeiten für Frauen in den Chefetagen sind in Russland besser, war man sich einig. Moderatorin Eigendorf ließ dazu die Statistik sprechen: Nur 15 Prozent der mittelständischen Unternehmen in Deutschland werden von Frauen geführt. In Russland sind es 45 Prozent.

Das habe historische Gründe, erklärte von Flemming. In der Sowjetunion waren viele Frauen berufstätig, auch in Männerdomänen. In den Neunzigern hätten die Frauen in Russland unter widrigsten Umständen – der Systemwechsel – Enormes geleistet. Diese starken Frauen seien auch heute in vielen neuen Branchen vertreten. In Deutschland sei sie für die erzwungene Frauenquote, sagte die Medienexpertin. „In Russland hingegen kam das natürlich.“ 

Auch im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sahen die Diskutantinnen Russland vorne: Russinnen seien nach der Schwangerschaft bereits recht schnell wieder werktätig – im Gegensatz zu Deutschland. In Russland sprängen auch noch immer häufiger die Großeltern ein. Doch hier müsse sich in beiden Ländern noch viel tun. Homeoffice für Mütter etwa sei eine Lösung, schlug Sirotina vor.  

Weibliche Führungskultur

Die Moskauser Gespräche werden vom Deutsch-Russischen Forum und der „Moskauer Deutschen Zeitung“ organisiert. Foto: Anastassia BuschuewaDie Moskauser Gespräche werden vom Deutsch-Russischen Forum und der „Moskauer Deutschen Zeitung“ organisiert. Foto: Anastassia Buschuewa

Eine Lanze brachen alle drei für eine weibliche Führungskultur. Dazu gehöre, weniger Risiken einzugehen. „Wenn Lehman Brothers eine weibliche Führung gehabt hätte, wäre die Bank nicht pleitegegangen“, meinte von Flemming. 

Das könnte auch eine Chance für die verschlechterten deutsch-russischen Beziehungen sein, wie die Medienfrau anmerkte. Wichtig sei: weniger Eitelkeit, mehr Gelassenheit, mehr Dialog – möglichst von Angesicht zu Angesicht. „Lasst uns reden!“, sei das Einzige, was derzeit funktioniere. Frauen seien gelassener und würden sich eher selbst hintenanstellen. So könne eine Frau Menschen mit unterschiedlichen Meinungen zusammenbringen. Es werde Zeit, dass Russland eine weibliche Präsidentin bekomme, unterstrich von Flemming. 

Sprachliche und kulturelle Unterschiede

Einen weiteren Unterschied sahen die Frauen in der Sprache. Man müsse die Sprache der Männer sprechen, um erfolgreich zu sein, sagte Vera Sirotina. Evgeniya Sayko führte vor, dass Frauen meist leise und vorsichtig kritisierten, Männer eher kurz und lauter. Auch kulturelle Unterschiede zwischen deutschen und russischen Männern spielten eine Rolle. Russische Männer würden etwa schneller helfen, mit deutschen Männern könne man hingegen offener reden.

Macht es einen Unterschied, ob man eine Chefin oder einen Chef hat? Ein deutscher Student im Podium sagte, ihn käme es auf den Menschen an. So sah das auch Sayko. Sie sagte: „Ich arbeite am liebsten mit einem guten und professionellen Menschen.“

Die Vielfalt, sowohl zwischen Männern und Frauen als auch zwischen Deutschland und Russland, machten aber auch einen Reiz aus, zog Moderatorin Eigendorf das Fazit.

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