Petersburger Dialog: Annäherung in kleinen Schritten

Ronald Pofalla und Viktor Subkow.

Ronald Pofalla und Viktor Subkow.

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Der Petersburger Dialog nimmt wieder an Fahrt auf – noch ohne die höchste politische Ebene, aber doch wieder in allen Bereichen. Besonders heiß ging es auf der Abschlusssitzung am Freitag her.

Zum zweiten Mal seit Beginn der Ukraine-Krise fand der Petersburger Dialog statt – 2014 hatte der „Dialog“ zwischen der deutschen und russischen Seite ausgesetzt, weil die Deutschen gegen die russische Krim- und Ostukraine-Politik protestierten. Aus demselben Grund kam im April jenes Jahres die deutsche Delegation auch nicht nach Sotschi. 2015 fand das Forum dann nahezu unbemerkt in Potsdam statt – unbemerkt in erster Linie deshalb, weil die sonst üblichen deutsch-russischen Regierungskonsultationen ausfielen.

In diesem Jahr ließen die Befindlichkeiten der deutschen Seite eine Durchführung des Forums zu, wenngleich auch ohne dessen wichtigsten „Teilnehmerin“, Kanzlerin Angela Merkel. Dementsprechend fehlte auch der bedeutendste Vertreter auf der russischen Seite, Präsident Wladimir Putin. Ein Forum ohne Putin und Merkel ist jedoch immer noch besser als überhaupt kein Forum – zwischen der Tagung am 14. Juli in Sankt Petersburg und der letzten Veranstaltung 2015 in Potsdam lag ein ganzes Jahr, die Beziehungen zwischen den Ländern sind dadurch aber nicht besser geworden.

Die einjährige Pause führte zu einer Art Neubeginn für die Plattform – 2014 wurde die Krim an Russland angegliedert, die Kampfhandlungen im Donbass halten mit unterschiedlicher Intensität an, gegenüber Russland wurden Sanktionen verhängt, die russische Seite reagierte darauf mit Gegenmaßnahmen. Die Entwicklung der bilateralen Beziehungen seit 2014 war somit durch eine praktisch vollständige Einstellung der Zusammenarbeit auf politischer und wirtschaftlicher Ebene gekennzeichnet. Von den vielen Richtungen der gemeinsamen Arbeit zwischen Russland und Deutschland blieb in diesen zwei Jahren lediglich der Kulturbereich übrig, der unter dieser Missstimmung am wenigsten zu leiden hatte.

Der Weg zum Vertrauen ist lang

Das diesjährige Forum war ein weiterer Schritt zur Wiederaufnahme der Zusammenarbeit auf höherer Ebene. Viktor Subkow, Vorsitzender des russischen Lenkungsausschusses, erklärte auf dem Abschlussbankett des Forums, das Motto der Veranstaltung hätte auch „Das Vertrauen ist wiederhergestellt – auf zu neuen Taten“ lauten können. Diese These ist natürlich – gelinde gesagt – umstritten, was bei der Abschlussdiskussion der Plenartagung des Forums deutlich wurde. An der Wiederherstellung des auf beiden Seiten verloren gegangenen Vertrauens muss hart gearbeitet werden, und zwar noch viele Jahre lang.

Zunächst wurden auf der letzten Plenarsitzung am Freitag die Ergebnisse des Forums zusammengefasst. Auf dem Podium sprachen Viktor Subkow, sein Kollege Ronald Pofalla, der Vorsitzende des deutschen Lenkungsausschusses, sowie Michail Gusman, Vizegeneraldirektor der russischen Nachrichtenagentur Tass. Getrübt wurde die Veranstaltung durch die Tragödie in Nizza – die Abschlusstagung begann mit einer Schweigeminute, die Gusman im Gedenken an die Opfer des Terroranschlages an der Côte d’Azur verkündete.

Pofalla zeigte sich mit den Ergebnissen des Forums zufrieden. Er betonte, dass die Diskussion aktiv und offen gewesen sei. Subkow hingegen nutzte die Gelegenheit, um noch einmal Stellung zu beziehen – zur Krim, zu den Sanktionen und zum Gesetz über die sogenannten „Auslandsagenten“ in Russland. Letzteres wurde von den Teilnehmern, vor allem den deutschen, heftig diskutiert. Gleich mehrere Delegierte äußerten ihr Unverständnis, warum das Hansebüro in Kaliningrad als Vertretung des Fördervereins für Jugendbildung und Wirtschaftsbeziehungen Norddeutschland-Kaliningrad in die Liste der Auslandsagenten aufgenommen wurde.

„Uns wird ständig erzählt: Übernehmt doch die westlichen Demokratieerfahrungen“, entgegnete Subkow den Kritikern und empörte sich: „Wir haben sie übernommen, wir haben die Bezeichnung aufgegriffen, die in den führenden demokratischen Ländern für Organisationen verwendet wird, die ihre Finanzierung aus dem Ausland beziehen: Auslandsagent. Jetzt bekommen wir gesagt, dass wir ‚nicht richtig verstanden‘ hätten. Was sollen wir ändern? Sollen wir das Gesetz ändern? Heißt das, die einen dürfen solche Organisationen als Auslandsagenten bezeichnen und die anderen nicht? Wie ist das zu verstehen?“

Außerdem warf Subkow Kiew vor, die Minsker Abkommen nicht einzuhalten. Und Russland werde gezwungen, auf die Aufständischen im Donbass bei Punkten einzuwirken, in denen Russland nicht einwirken könne. Nichtsdestoweniger entwickelt sich Pofalla zufolge der Dialog positiv. „Gibt es doch viel intensivere Kontakte zwischen unseren beiden Regierungschefs, als nach außen immer deutlich wird“, sagte der Vorsitzende der deutschen Delegation unter Verweis auf das Gespräch zwischen Merkel und Putin, das unmittelbar vor dem Nato-Gipfel in Warschau stattgefunden hatte. „Bei allen Differenzen haben beide sich immer die Fähigkeit erhalten, immer wieder miteinander zu reden, selbst wenn man unterschiedlicher Meinung war“, fügte Pofalla hinzu.

„Warum habt ihr die Krim aufgenommen?“

Die Rede seines russischen Kollegen zum Minsker Abkommen wollte er jedoch nicht einfach stehen lassen: „Natürlich erfüllt die Ukraine bestimmte Voraussetzungen des Minsk-2-Abkommens nicht. Aber die Wahrheit ist auch: Dass in der Ostukraine geschossen wird, ist ausschließlich darauf zurückzuführen, dass es russische Separatisten in der Ostukraine gibt, die da nichts zu suchen haben. Es gibt die territoriale Integrität eines Landes und die ist missachtet worden“, sagte Pofalla scharf.

Subkow erklärte dazu, dass die Krim sich in einem „schrecklichen Zustand“ befände und äußerte einige Bemerkungen, die bei mehreren Anwesenden im Saal Missfallen hervorriefen. „Alles ist kaputt, was nur kaputt sein kann, die gesamte Infrastruktur. Alles ist so heruntergekommen, weil in diesen 25 Jahren dort keiner eine einzige Hriwna in irgendetwas investiert hat. Und wir bekommen jetzt gesagt: Nein, das habt ihr falsch verstanden“, redete sich der Gazprom-Aufratschef in Rage, „ich war dort und habe mit eigenen Augen gesehen, in welchem Zustand sich die Krim befindet. Wir bekommen gesagt: Warum habt ihr eigentlich die Krim nach Russland aufgenommen, die Menschen dort hätten doch für sich bleiben können? Entschuldigen Sie bitte – aber sie wollten dort nicht unter solchen Bedingungen leben! Schauen Sie sich Jalta an, was dort passiert! Schauen Sie sich die Strände dort an, an denen man wegen der schlechten sanitären Bedingungen nicht baden kann. Nichts funktioniert dort“, erklärte Subkow.

Nichtsdestoweniger verlieren die Seiten nicht die Hoffnung auf eine vollständige Wiederherstellung des partnerschaftlichen Dialogs und erachten eine solche Diskussion als positives Zeichen. „Es ist schon ein großer Wert an sich, dass wir trotz der schwierigen politischen Lage zwischen unseren beiden Ländern miteinander in den Dialog treten konnten. Ich ziehe klar ein positives Resümee und bin hoffnungsvoll für die Zukunft gestimmt“, sagte Pofalla abschließend. Die Tagungsteilnehmer gingen auseinander – mit einigen Denkanstößen und der Aussicht auf zukünftige Begegnungen.

Tatjana Firsowa ist Chefkorrespondentin von RIA Nowosti in Berlin. Sie wurde in diesem Jahr mit dem Peter-Boenisch-Gedächtnispreis des Petersburger Dialogs ausgezeichnet.

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