Matthias Platzeck: „Russland geht heute seinen eigenen Weg“

Sergei Petrov/TASS
Einst Brandenburgs Ministerpräsident, setzt sich Matthias Platzeck heute mit dem Deutsch-Russischen Forum für bessere Beziehungen zwischen beiden Ländern ein. Im Vorfeld der Deutsch-Russischen Städtepartnerschaftskonferenz in Krasnodar sprach er mit RBTH – im ersten Teil des Interviews über die anstehende Konferenz und die Krise der deutsch-russischen Beziehungen.

Um die deutsch-russischen Beziehungen ist es aktuell nicht gut bestellt. Wie wichtig ist es daher, dass sich die Politiker Ende Juni auf kommunaler Ebene zur XIV. Städte Partner Konferenz in Krasnodar im Süden Russlands treffen?

Vom 28. bis 30. Juni 2017 findet in Krasnodar im Süden Russlands die „XIV. Deutsch-Russische Städtepartnerkonferenz“ statt. Unter dem Motto „Kontakte knüpfen – Projekte anstoßen – Vertrauen stärken: Impulse für die deutsch-russischen Beziehungen" bietet das Treffen Gelegenheit für Erfahrungsaustausch und neue Kontakte. Die Konferenz wird das größte bilaterale Ereignis der deutsch-russischen Beziehungen im Jahr 2017 sein. Teilnehmen werden unter anderem die Außenminister Deutschlands und Russlands Sigmar Gabriel und Sergej Lawrow.
Die zwischenkommunale Zusammenarbeit ist seit vielen Jahren eine tragende Säule der deutsch-russischen Beziehungen und ist heute mehr denn je notwendiger Garant für ihre Fortsetzung. Dieser Tatsache wird auch mit der Teilnahme der beiden Außenminister Rechnung getragen. Erwartet werden 500 Vertreter aus der föderalen und kommunalen Politik, der Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Die Konferenz wird die zentrale Veranstaltung für die deutsch-russische Bürgerbegegnung in diesem Jahr sein und bietet eine Plattform für den Austausch aller Akteure, die sich in den partnerschaftlichen Verbindungen engagieren.

Was sind die Themen, die auf der Städtepartnerkonferenz besprochen werden?

So vielgestaltig die deutsch-russischen kommunalen Beziehungen sind, so vielfältig sind auch die Themen auf der Konferenz: Jugend, Sprache, Wirtschaft, Wohnungs- und Kommunalwirtschaft, Energieeffizienz, Erinnerungskultur, soziale Arbeit und nicht zuletzt mit Blick auf die Fußballweltmeisterschaft in Russland 2018 der Sport. Am Rande der Konferenz finden Kinder- und Jugendbegegnungen sowie ein Straßenfußballturnier für Toleranz statt.

Spielt bei einer solchen kommunalen Konferenz die „Große Politik“ überhaupt eine Rolle? Immerhin sind die beiden Außenminister Gabriel und Lawrow auch in Krasnodar.

Seit einigen Jahren sind viele politische Gesprächskanäle zwischen Deutschland und Russland eingeschränkt, umso wichtiger ist die Förderung des deutsch-russischen Bürgerdialogs. Die zahlreichen Initiativen und städtischen Administrationen, die ja in erster Linie die Träger der zwischenkommunalen Kooperationen sind, leisten gerade jetzt einen sehr wichtigen Beitrag für die Fortsetzung eines guten deutsch-russischen Verhältnisses. Dies wird auch von der „Großen Politik“ so wahrgenommen. Die finanzielle Unterstützung der Konferenz sowie eines zusätzlichen Jugendprogramms durch das deutsche Außenministerium zeugen ebenso davon wie das Vorhaben, in Krasnodar das Deutsch-Russische Jahr der kommunalen und regionalen Kooperationen 2017 / 2018 auszurufen.

Der deutsch-russische Jugendaustausch hat schon mal besser funktioniert. Nach 1990 war sogar davon die Rede, es dem Deutsch-Französischen Jugendwerk mit seinen großen Austauschzahlen unter Schülern und Studenten gleich zu tun. Warum kommt das nicht so richtig in Gang?

Zunächst müssen junge Menschen ihre natürliche Skepsis ablegen und vom Guten des Partners und Freundes überzeugt werden. Aus der Historie heraus entstand über Jahrzehnte hinweg ein erfolgsverwöhnter deutsch-französischer Jugendaustausch. Diese Entwicklung haben wir mit Blick auf Russland nicht. Es gilt zunächst vor allem aber auch, Vorbehalte und Bedenken gegenüber unseren russischen Freunden in deutschen Familien und Elternhäusern abzubauen. Wenn die Erwachsenen der Überzeugung sind, ein deutsch-russischer Austausch ist sinnvoll und gut, dann werden sich auch die Jugendlichen leichter überzeugen lassen und gehen eher auf Reisen. Bis heute wagen nur Wenige den Schritt, ein Land mit Potenzial und dessen Leute für sich zu entdecken.

Dennoch sind im deutsch-russischen Jugendaustausch große Erfolge zu verzeichnen. Dies ist vor allem den Aktivitäten der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch zu verdanken. Dank der Unterstützung durch die Stiftung wird es tausenden von Jugendlichen seit Mitte der 00er Jahre jährlich ermöglicht, an Austausch- und Besuchsprogrammen teilzunehmen. Aller Anfang ist schwer. Es braucht einfach Zeit.

Alles hängt natürlich an der Großen Politik. Warum ist das Verhältnis noch immer eher getrübt zwischen Moskau und Berlin?

Die militärischen Auseinandersetzungen im Osten der Ukraine seit 2014 und die Krim-Krise haben uns dramatisch vor Augen geführt, wie schnell die Situation in Europa eskalieren kann. Seitdem haben sich die Spannungen zwischen Russland auf der einen und Europa und den Vereinigten Staaten auf der anderen Seite immer weiter verschärft. Die Folge waren gegenseitige Sanktionen und auch militärisches Säbelrasseln. Doch der Konflikt geht noch viel tiefer.

Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion fiel Russland in ein politisches, wirtschaftliches und sicherheitsstrategisches Vakuum. Der Westen konnte Halt und Schutz in seinen Instruktionen – der EU, der Nato – finden. Abe Russland ist in diese Systeme nicht mit eingebunden. Der Wunsch Russlands mit in die gemeinsame europäische Sicherheitsarchitektur eingebunden zu sein, wurde im Westen nicht ernst genommen. Das hat Präsident Putin bereits 2001 bei seiner Rede im Bundestag bemängelt. Russland geht daher heute seinen eigenen Weg, der vielen Vorstellungen im Westen nicht entspricht.

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