Wie zwei junge Frauen zu Ikonen der sowjetischen Luftwaffe wurden

Geschichte
BORIS JEGOROW
Nicht nur Männer sondern auch Frauen trugen einen wichtigen Teil zur Verteidigung der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg bei. Die zwei Frauen Lidija Litwjak und Jekaterina Budanowa spielten dabei in der Luftwaffe eine besonders herausragende Rolle.

Die frühen Monate des Zweiten Weltkriegs waren für die sowjetischen Luftstreitkräfte verheerend. Viele Kampfflugzeuge wurden auf den Flugplätzen stehend angegriffen und von den Nazis vernichtet.

Jene unerfahrenen sowjetischen Piloten, die das Glück hatten, fliegen zu dürfen, standen deutschen Profis gegenüber, die bereits große Kämpfe wie die Luftschlacht um England hinter sich hatten. Zudem fehlte die Zeit, sich mit den vom Militär neu erworbenen Maschinen wie der Yak-1, MiG-1 und MiG-3 vertraut zu machen, was zu auf sowjetischer Seite zu einer sehr hohen Verlustrate führte.

In dieser kritischen Situation beschloss die sowjetische Führung, Frauen für die Luftstreitkräfte zu rekrutieren und Frauenspezialeinheiten zu schaffen. So entstand das berühmte 588. Nachtbomberregiment, auch unter dem Namen Nachthexen bekannt.  

„Weiße Lilie“

Seit ihrer Kindheit schwärmte Lidija Litwjak für das Fliegen. Im Alter von 14 Jahren begann sie mit ihrem Training bei einem Fliegerclub und hatte mit 15 ihren ersten Flug. Vier Jahre später trat sie kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs den sowjetischen Luftstreitkräften bei.

1942 sah sie als Mitglied zum ersten Mal einen Kampf des 586. Kampfregiments, einem der drei weiblichen Luftfahrtregimente, die aufgrund der hohen Verluste männlicher Piloten gegründet worden waren. Schon bald hatte sie den Ruf, eine der besten Pilotinnen zu sein, und wurde in ein Regiment versetzt, das die wichtigsten und gefährlichsten Missionen erfüllte.

Unter Litwjaks „Opfern“ befanden sich Bomber der Typen „Ju-88“ und „ Do-217“, „Me-109“-Kampfflugzeuge und sogar ein Luftschiff. Ihr wird nachgesagt, bei ihren 168 Kampfeinsätzen zwölf feindliche Flugzeuge abgeschossen zu haben und für vier Tötungen mitverantwortlich zu sein, was sie zur erfolgreichsten Militärpilotin aller Zeiten macht.

Zuzüglich der Sterne, die sie sich durch die Liquidierungen verdient hatte, wurde der Flugzeugrumpf ihrer „Yak-1“ mit einer weißen Lilie dekoriert – einem Symbol eines „freien Jägers“, eines Kampfpiloten, der nach bestem Wissen und Gewissen selbständig feindliche Flugzeuge jagen und zerstören darf.

Laut Alexander Pokryschkin, einem anderen sowjetischen Kampfpiloten des Zweiten Weltkriegs, war der „freie Jäger die höchste Kampfform für einen Kampfpiloten“. Litwjak, die sich diese Auszeichnung wohl verdient hatte, besaß fortan das Funkrufzeichen „Lilie“ oder „die weiße Lilie 44“, der Nummer ihres Flugzeugs.

Letzter Flug

1943 begann das Unglück Litwjak zu verfolgen. Zuerst starb ihr Ehemann Alexej Solomatin, ein Kampfpilot und Held der Sowjetunion, am 21. Mai bei einem Flugzeugabsturz. Im Juli wurde auch ihre beste Freundin Jekaterina Budanowa im Kampf getötet.

Am 1. August stürzte schließlich auch das Flugzeug Litwjaks bei einem Militäreinsatz in der Schlacht um Donbass ab. Zu diesem Zeitpunkt war sie gerade 21 Jahre alt.

Da sie als vermisst galt, wurde Litwjak nicht mit der höchsten militärischen Auszeichnung, dem Titel der Heldin der Sowjetunion, ausgezeichnet, weil die sowjetische Führung befürchtete, dass sie gefangen genommen worden war.

Im Jahr 1979 entdeckten Forscher ihre Überreste jedoch in einem Massengrab und dank eines besonderen Erlasses des sowjetischen Staatschefs Michail Gorbatschow wurde Lidija Litwjak posthum als Heldin der Sowjetunion ausgezeichnet.

Fliegerass Nr. 2

Jekaterina Budanowa war nicht nur Lidija Litwjaks beste Freundin, sondern auch das zweite Fliegerass der Sowjetunion mit insgesamt 266 Kampfeinsätzen und elf abgeschossenen feindlichen Flugzeugen.

Ebenso wie Litwjak begann ihre Kariere als Pilotin der Roten Armee im 586. Kampfregiment, wo die jungen Frauen eine Freundschaft fürs Leben schlossen. Und auch sonst wiesen ihre Lebensgeschichten viele Parallelen auf.

Der sowjetische Kampfpilot Wladimir Lawrinenko erinnert sich: „Jekaterina war lustig und aufgeweckt, Litwjak hingegen war das komplette Gegenteil – nachdenklich und ruhig. Beide verband eine innige Freundschaft, bei der Jekaterina jedoch das Sagen hatte.“

Einmal schoss Budanowa bei einem der freien Jagdeinsätze ein deutsches Aufklärungsflugzeug ab, eine äußerst schwer erlegbare „Beute“, wie es unter den sowjetischen Piloten hieß.

Budanowas letzter Luftkampf fand am 19. Juli 1943 in der Nähe der Stadt Antratsit in der Region Donbass statt. Budanowa und Litwjak verteidigten dort „Il-2“-Flugzeuge, als sie von deutschen „Me-109“-Jagdflugzeugen angegriffen wurden.

Budanowa schaffte es, ihr Flugzeug zu landen, obwohl sie bereits getroffen worden war, erlag jedoch ihren Verletzungen und wurde in der Nähe des Dorfes Nowokrasnowsk beerdigt. Sie wurde 26 Jahre alt.

Ebenso wie Litwjak wurde sie nicht als Heldin der Sowjetunion ausgezeichnet, da auch sie offiziell als vermisst galt. 1993 wurde Budanowa jedoch posthum die Auszeichnung „Heldin der Russischen Föderation“ verliehen.