Wie sowjetische Doppelagenten an die Spitze von MI6 und CIA kamen

Geschichte
ALEXEJ TIMOFEJTSCHEW
Zahlreiche Geheimoperationen des Westens wurden von Doppelagenten aufgedeckt. Hier sind drei der effizientesten „Maulwürfe“.

Kim Philby

Philby war das bekannteste Mitglied der sogenannten Cambridge Five, eines sowjetischen Spionagerings im Vereinigten Königreich. Wegen Verdiensten im Zweiten Weltkrieg erhielt er 1945 den Order of the British Empire. 1947, in der Anfangsphase des Kalten Krieges zeichnete ihn Stalin zudem mit dem Rotbannerorden aus. Somit ist er einer der wenigen, die sowohl in Großbritannien als auch in der Sowjetunion die jeweils höchste staatliche Auszeichnung trugen.

Seine Zusammenarbeit mit dem sowjetischen Geheimdienst startete Mitte der 30er-Jahre, kurz nach seinem Abschluss in Cambridge. Zur selben Zeit begann er auch beim britischen Geheimdienst, wo er schnell aufstieg. Nach dem Krieg war er sogar als neuer Chefagent Großbritanniens im Gespräch. Diesen Posten bekam er zwar nicht, trotzdem war er in einer Position, die es ihm erlaubte, wichtige Informationen an die Sowjets weiterzugeben.

1947 wurde er zum Leiter des britischen Geheimdienstes in der Türkei ernannt. Von dort aus wurden zu dieser Zeit geheime Aktivitäten geplant, deren Ziel es war, die sowjetische Südgrenze zu infiltrieren. Philby informierte die sowjetischen Behörden über diese Pläne und die Agenten an der Grenze wurden von sowjetischen Truppen erschossen. Eine Studie russischer Historiker zum Thema Geheimdienst geht heute davon aus, dass dieses Ereignis, den Westen zur Aufgabe solcher Taktiken zwang (rus).  

Zwei Jahre später wurde er der leitende Vertreter des britischen Geheimdienstes in Washington D.C. und gelangte so an Informationen des US-Geheimdienstes CIA. Als diese einen Putsch gegen den sowjetfreundlichen albanischen Diktator Enver Hoxha plante, gab Philby die Informationen an Moskau weiter und die Truppen wurden erschossen, noch während sie mit Fallschirmen über Albanien abzuspringen versuchten. Hoxha blieb noch bis 1985 im Amt.

Als seine Enttarnung immer wahrscheinlicher wurde, floh Philby 1963 in die UdSSR, wo er den Rest seines Lebens verbrachte. Ende der 80er erschien in der Sunday Times ein Interview, in dem Philby sagte: „Obwohl das Leben hier [in Russland] schwierig ist, fühle ich mich mit diesem Land verbunden und möchte nirgendwo anders leben.“  

Kim Philby starb 1988 in Moskau.

George Blake

George Blake, ein weiterer britischer Doppelagent, lebte sogar noch länger, mehr als 50 Jahre, in Russland.

Im November 2017, an seinem 95. Geburtstag, erklärte er, warum er in den frühen 50ern die Seiten wechselte. Die wichtigste Rolle hierbei spielte der Koreakrieg, wo er beobachtete, wie auch Zivilisten durch die „amerikanische Militärmaschinerie“ zu Tode kamen.

„Damals realisierte ich, wie groß die Gefahr für die gesamte Menschheit ist, die von solchen Konflikten ausgeht. Ich traf die wichtigste Entscheidung meines Lebens und begann aktiv mit dem sowjetischen Geheimdienst zusammenzuarbeiten.“ Blake war davon überzeugt, dass er so den Weltfrieden verteidigen würde, wie er in einem Brief (rus) an den modernen russischen Geheimdienst schrieb.

Nach dem Koreakrieg kam Blake, der bereits im Zweiten Weltkrieg vom MI6 angeheuert wurde, zurück nach London. Dort erfuhr er von Plänen der CIA und des MI6, einen Tunnel zwischen Ost- und Westberlin zu graben, um die Kommunikation des russischen Hauptquartiers in Ostdeutschland abzuhören: Operation Gold oder – bei den Briten – Operation Stopwatch.

Trotz Schwierigkeiten wurde der Tunnel gegraben und mit den notwendigen Abhörgeräten ausgestattet. Um Blake zu schützen, unternahm Moskau zunächst nichts (eng). Erst elf Monate später, als der Doppelagent schon längst eine neue Aufgabe beim MI6 hatte, wurde die Entdeckung des Tunnels öffentlich bekanntgegeben. Die Angelegenheit wurde zu einem handfesten Skandal, der das Ansehen der CIA beschädigte.

1961 wurde Blake von einem polnischen Geheimdienstoffizier verraten und in Großbritannien zu 42 Jahren Gefängnis verurteilt. Vier Jahre später entkam (eng) er mithilfe einer Leiter aus Seilen und Stricknadeln. Es gelang ihm nach Moskau zu fliehen, wo er seitdem lebt. In seinem Brief schrieb er, dass „Russland inzwischen zu seinem zweiten Vaterland geworden [sei].“

Aldrich Ames

Obwohl die Amerikaner die Briten einst zunächst dafür kritisierten, sowjetische Topspione wie Philby und Blake nicht enttarnt zu haben, wurden auch die Vereinigten Staaten Mitte der 1980er-Jahre Opfer eines Doppelagenten.

Fast zehn Jahre lang arbeitete der damalige Chef für Gegenspionage der CIA Aldrich Ames mit dem KGB zusammen. Man geht davon aus, dass Ames Informationen über mehr als 100 Operationen des US-Geheimdienstes weitergab und zahlreiche Doppelagenten des amerikanischen Geheimdienstes in der Sowjetunion, bzw. später in Russland, enttarnte. Einige davon wurden wegen Spionage zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Vor Gericht gab Ames zu (eng), „fast alle ihm bekannten Agenten der CIA und anderer amerikanischer und ausländischer Geheimdienste in der Sowjetunion“ verraten zu haben. Zudem soll Ames im Auftrag Moskaus Fehlinformationen in Reporte der CIA eingebaut haben, die dann an den US-Präsidenten weitergegeben wurden.

Es wird angenommen, dass man Ames aufgrund seines hohen Lebensstandards auf die Schliche kam. Sein Haus im Wert von rund 500 000 Dollar bezahlte er bar, zudem erregte er Aufmerksamkeit durch ein Luxusauto der Marke Jaguar. Der ehemalige KGB-Chef Wladimir Krjutschkow schrieb in seinem Buch “The Personal File“, dass „die Art des Verhaltens eines solchen Agenten [wie Ames] sowie seine persönlichen und beruflichen Qualitäten einen Betrug sehr wahrscheinlich machen.“

Ames wurde zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt. Ebenfalls als Folge des Ames-Skandals musste CIA-Chef James Woolsey auf Druck des amerikanischen Kongresses zurücktreten.

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