Wer war Jakow Jurowski, der Mann, der die Zarenfamilie hinrichtete?

Geschichte
OLEG JEGOROW
Jurowski war ein leidenschaftlicher Bolschewist. Er leitete die brutale Hinrichtung der Zarenfamilie. Auch Jahre später bereute er seine Tat nicht.

Es ist allgemein bekannt, dass Russlands letzter Zar, Nikolaus II., am 17. Juni 1918 hingerichtet wurde. Bolschewistische Wachmänner eröffneten das Feuer auf ihn, seine Frau, die vier Töchter, den Sohn und fünf Bedienstete. Die grausige Tat fand im Keller eines Gebäudes in Jekaterinburg, einer Großstadt im Ural, statt. Dort war die Zarenfamilie seit April 1918 untergebracht. Die Bolschewiki, angeführt von Jakow Jurowski, einem unbeugsamen Mann mit schwarzem Bart, der bei der örtlichen Tscheka, der Geheimpolizei, tätig war, gingen sehr kaltblütig vor. Diejenigen, die nicht im Kugelhagel starben, wurden durch Stiche mit Messern und Bajonetten getötet. Das schrieb Jurowski in einem Vermerk, in dem er von sich selbst in der dritten Person als „der Kommandant” berichtete. Dies war seine Position im „Haus zur besonderen Verwendung”.

„Der Kommandant teilte den Romanows mit, dass die bolschewistische Regierung im Ural sie zum Tode verurteilt habe, da ihre Verwandten in Europa sich weiterhin gegen ein sowjetisches Russland stellten. Nikolaus sah seine Familie an und wandte sich dann an den Kommandanten und fragte: ‚Was?’ ‚Was?’ wiederholte der Kommandant. Das Feuer wurde eröffnet und dauerte etwa zwei bis drei Minuten an. Der Kommandant selbst hat Nikolaus getötet.” Ob der letzte Satz den Tatsachen entspricht, ist bis heute umstritten. Jurowskis Bericht offenbart jedoch seine Rücksichtslosigkeit und Brutalität. Wie wurde er zum Henker? 

Vom Uhrmacher zum Bolschewiken 

In der aktuellen Netflix-Serie „Die letzten Zaren spielt Jurowski, dargestellt von Duncan Pow, eine entscheidende Rolle als Antagonist zu Zar Nikolaus. In der Serie wird der Zar als freundlicher, doch schwacher Mensch dargestellt, der wenig Interesse am Regieren hatte. Jurowski hingegen wird als leidenschaftlicher Kämpfer für seine Überzeugungen gezeigt. Er würde alles tun, um sein Ziel, das Leben des einfachen Volkes zu verbessern, zu erreichen. In einer der Szenen unterhalten sich Jurowski und der Zar nur wenige Tage vor der Hinrichtung. Sie teilen sich eine Zigarette und Jurowski erinnert sich an ihre erste Begegnung: „1891 war ich zehn Jahre alt. Sie waren auf Reisen im Fernen Osten und haben in Tomsk Halt gemacht. Ich stand in der Menge und winkte Ihnen mit einem Fähnchen zu. Ich war eine der winzigen Ameisen, denen Sie gewunken und zugenickt haben. 

Es ist unwahrscheinlich, dass sich Jurowski damals mit dem Zaren unterhalten hat, schon gar nicht über seine Kindheitserinnerungen. Jurowski wurde 1878 bei Tomsk als achtes von zehn Kindern in eine arme jüdische Familie hineingeboren. 1891 war er also keinesfalls zehn Jahre alt. Anfangs ist er häufig umgezogen und hatte verschiedene Berufe. Als Uhrmachergeselle reiste er später durch Russland. 

1905 machte er die Bekanntschaft von Revolutionären. Er kannte die alltäglichen Nöte der Russen und entwickelte sich zu einem leidenschaftlichen Gegner der Monarchie. Einige Zeit verbachte er im Exil. Zwölf Jahre später feierte er die Oktoberrevolution von 1917, die seine Gesinnungsgenossen, die Bolschewiken, an die Macht brachte.  

Neue Aufgaben 

Während Wladimir Lenin, Leo Trotzki und andere prominente kommunistische Führer von Moskau aus über Sowjetrussland herrschten, war Jurowski im russischen Hinterland tätig, und zwar in Jekaterinburg, einer wichtigen Zitadelle und Industriestadt im Ural mit einer mächtigen Arbeiterbewegung. Jurowski war der Kommunistischen Partei treu ergeben und folgte stets pflichtbewusst den Anordnungen der Parteioberen.

Als er zum Kommandanten des „Hauses zur besonderen Verwendung“ berufen wurde, war das gleichbedeutend mit einer Verschärfung des Arrests der Zarenfamilie. „Sie haben das einzige Fenster mit einer Stahlkonstruktion gesichert. Offenbar haben Sie Angst, wir könnten entkommen, schrieb Zarin Alexandra nach einem Treffen mit Jurowski in ihr Tagebuch. Andererseits war Jurowski auch ein Mann mit Prinzipien, der darauf achtete, dass die Wachmänner den Gefangenen nicht das Essen stahlen, was unter seinem Vorgänger sehr häufig geschah. 

Eine nachlässige Hinrichtung 

Jurowski hatte kein Mitleid mit seinen Gefangenen. Später schrieb er in seinen Memoiren: „Mein allgemeiner Eindruck war der einer gewöhnlichen, eher bürgerlichen Familie… Nikolaus wirkte wie ein einfacher Offizier… Niemand würde vermuten, dass dieser Mann als Zar viele Jahre ein so großes Land regiert hat. Jurowski hatte wegen der Hinrichtung der Zarenfamilie einschließlich der Kinder auch keinerlei Schuldgefühle. Sein Bericht ist lakonisch: „Am 16. Juli, 18.00 Uhr, befahl Filipp Goloschtschjokin, Jurowskis Vorgesetzter, die Gefangenen hinzurichten.“  Schon am nächsten Morgen, um ein Uhr, waren die Romanows und ihre Bediensteten tot. 

Mit der Beseitigung der Leichen taten sich Jurowski und seine Männer dagegen schwerer. Zunächst sollten sie außerhalb der Stadt in einer Grube versenkt werden, doch diese stellte sich als nicht tief genug heraus. Die Toten mussten an einen anderen Ort gebracht werden. Doch das Wetter war schlecht, die Wagen konnten diesen Ort nicht erreichen. „Nichts war vorbereitet. Keine Schaufeln, nichts… schrieb Jurowski später. Schließlich verbrannten sie die Leichen zum Teil und verscharrten die Überreste in einem flachen Grab. 

Das spätere Leben 

Es gab einen Grund, warum die Bolschewiki die Romanows im Juli 1918 hinrichteten - zu dieser Zeit stand die antibolschewistische Weiße Armee in der Nähe von Jekaterinburg und es gab die Sorge, die Zarenfamilie könne befreit und außer Landes gebracht werden. Kurz nachdem er die berüchtigte Hinrichtung ausgeführt hatte, musste Jakow Jurowski gemeinsam mit vielen anderen Bolschewiki aus der Stadt fliehen. Später, nachdem die Bolschewiki 1922 über die Weiße Armee gesiegt hatten, kehrte er zurück. Jurowski bekleidete in Moskau und Jekaterinburg noch viele Posten. Keiner davon stand im Zusammenhang mit Hinrichtungen.

Jurowski starb 1938 an einem Magengeschwür. 

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