Urin, getrocknete Bienenköniginnen und Regenwasser: die seltsamste Medizin russischer Bauern

Tamash Konok; Pixabay
Was heilte man mit getrockneten Bienenköniginnen? Was ist „lebendiges Feuer“ und wie wurde es verwendet? Die russische Bauern wussten es!

Russische Bauern hatten bis zum 19. Jahrhundert, als die ersten öffentlichen Krankenhäuser in Russland entstanden, keinen Zugang zu professioneller medizinischer Hilfe. Aber auch danach nutzten die Bauern eher die Hilfe lokaler Quacksalber (auf Russisch знахарь, vom Wort знать – wissen). Die behandelten ihre Patienten mit Kräutern, Zaubersprüchen und wilden Prozeduren, über die wir weiter unten berichten werden. Die Bauern glaubten, dass Krankheiten von bösen Geistern kamen – daher wandten sie sich an einen Quacksalber und nicht an einen Arzt, der nichts über das „geistige Reich“ wusste, in dem die Krankheiten siedelten. 

Diese Haltung war der Grund, warum die russischen Bauern die folgenden seltsamen „Heilungs“-Methoden verwendeten. 

  1. Ziegelöl – gegen Brüche 

Es galt als das beste Heilmittel für Knochenbrüche. Ein gut getrockneter roter Ziegelstein von der Rückseite des Ofens wurde in einem Mörser zerkleinert und in einer Pfanne erhitzt. Nach dem Abkühlen wurde das Pulver mit Pflanzenöl vermischt, gekocht und dann durch ein Tuch gesiebt und dieses mit der so erstellten „Tinktur“ auf das gebrochene Körperteil aufgelegt. 

  1. Getrocknete Bienenköniginnen, lebende Frösche, Ohrenschmalz – gegen giftige Bisse 

Wurde jemand von einem tollwütigen Hund gebissen, beschaffte man eine Bienenkönigin, tötete und trocknete und zermahlte sie zu Pulver. Die Hälfte davon wurde verschluckt und die andere Hälfte auf den Biss aufgetragen. Bei einem giftigen Schlangenbiss musste der Bissbereich mit Ohrenschmalz (!) und der ganze Körper mit frischem Teer (!!!) eingeschmiert werden. Ein weiteres Mittel waren lebende Frösche (!!!!), die auf den Biss aufgelegt werden mussten. 

  1. Urin – gegen Verbrennungen und Wunden 

Urin wurde bei Verbrennungen und offenen Wunden verwendet, das Urin von Kleinkindern galt als der stärkste. Es wurde zur Augenspülung bei Nachtblindheit (Nyktalopie) und bei Wassersucht an den Beinen angewendet. Kleinkindurin wurde auch bei Schrammen oder schweren Prellungen getrunken.

  1. Fäkalien – gegen fast alles 

Nahezu alle traditionellen Kulturen der Welt verwendeten Kot als Heiltrank. Freudsche Psychologen argumentieren, dass Exkremente, die aus dem Genitalbereich stammen (unabhängig davon, ob von Mensch oder Tier), immer schon eine magische Bedeutung hatten.  

Getrockneter und pulverisierter menschlicher Kot wurde gegen Schielen verwendet. Getrockneter Sperlingskot galt als nützlich gegen Warzen und Ausschläge. Kot von Kühen oder Hunden fand in einem Breiumschlag bei Zahn- oder Zahnfleischschmerzen Anwendung (igitt!). 

  1. Etwas von einem Toten – um Krankheit zu vertreiben

Der Glaube, dass Krankheiten durch böse Geister verursacht werden würden, ließ die Bauern auch glauben, dass diese Geister abgeschreckt und durch etwas wirklich Ekelhaftes vertrieben werden könnten. Das war der Grund, die unsaubersten und ekelhaftesten Dinge als Heilmittel einzusetzen, vor allem aber Teile von toten Menschen oder Tieren. 

Die Bauern glaubten sogar, dass Erde aus einem Grab heilende Eigenschaften haben könne. Um Fieber zu lindern, musste heimlich Erde aus einem Grab besorgt werden, ohne dass jemand zusah. Diese wurde dann in ein Stoffkissen eingenäht und um den Hals des Patienten gelegt. 

  1. „Lebendiges Feuer“ – gegen Fieber und Infektionen 

Die slawischen Völker glaubten an die Heilkraft des Feuers – dieser Glaube überlebte aus der heidnischen Zeit. Die Slawen dachten, dass das beste Feuer nur durch Reiben von Holz auf Holz gewonnen werden könne und bezeichneten es als „lebendiges“ oder auch „heiliges“ Feuer.

Im Falle einer Seuche (z.B. Cholera, Typhus usw.) führten die Bauern in ihren Dörfern eine Art Massenritus durch: Sie versammelten sich auf dem Platz, brachten zwei große trockene Baumstämme mit und begannen, sie gegeneinander zu reiben (ein Baumstamm lagerte auf dem Boden, der andere auf der Oberseite, ausgestattet mit Griffen wie eine Holzsäge). Das Feuer entfachte erst nach 8 - 9 Stunden langem Reiben (wobei die Bauern sich abwechselten). Kerzen, Stöcke, Scheite wurden an diesem Feuer angezündet und dann in die einzelnen Häuser getragen. Es wurde zur Heilung von Fieber verwendet: Die ganze Familie sprang über ein Lagerfeuer aus dem „lebendigen Feuer“. Einige Infektionen (wie z.B. Rotlauf) oder Entzündungen wurden ebenfalls mit diesem Feuer geheilt. 

  1. Regenwasser – gegen Schwangerschaft und Blindheit (was?!)

Die „heilendste“ Form des Wassers war der Morgentau oder die ersten Tropfen eines Morgenregens, die von den Blättern der Gartenpflanzen gesammelt wurden. Das Waschen in diesem Wasser, so glaubten die Quacksalber, könne eine Schwangerschaft verhindern. 

>>> Wie russische Bauern vor zwei Jahrhunderten lebten

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