Es ist nicht bekannt, warum Mitglieder der organisierten chinesischen kriminellen Banden, die in der zweiten Hälfte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts in der Mandschurei und im russischen Primorje tätig waren, Honghuzi genannt wurden. Das Wort hónghúzi bedeutet im Chinesischen „rotbärtig“ oder „roter Bart“. Nach der gängigsten Theorie erhielten sie den Namen, weil sie sich regelmäßig mit falschen Bärten verkleideten.
Die Honghuzi rekrutierten ihre Mitglieder aus Menschen, die in Geldnot waren, aus Deserteuren der Qing-Armee sowie chinesischen Einwanderern in die Mandschurei. Sie alle zogen schnelles Geld durch Raub der harten Arbeit in einer Mine vor. Die Honghuzi bestanden aus verschiedenen Gruppen mit zwei, drei oder bis zu hundert Mitgliedern. Für größere Verbrechen taten sich diese Gruppen zusammen. Sie waren in den Städten eine gewaltige bedrohliche Kraft.
Die Honghuzi waren keineswegs ungepflegte Landstreicher, die durch die Wälder zogen. Sie traten meist gut gekleidet auf und hatten moderne Waffen. Manchmal war es schwierig, einen Honghuzi von einem Händler zu unterscheiden.
Mitglieder einer Gruppe, die sich gegenseitig einen Treueid geschworen hatten, wurden zu „Brüdern“, die ihrem Anführer bedingungslos gehorchten. Oft wählten diese Rädelsführer sehr rustikale und furchteinflößende Spitznamen für sich. Zum Beispiel wurde ein gewisser Yang Yulin der „Vierzehnte Herr der Hölle“ genannt.
Der Höhepunkt der kriminellen Aktivitäten der Honghuzi lag normalerweise im Frühjahr und Sommer. Zu diesen Zeiten konnten sie sich gut in den Wäldern verstecken. Während der „kriminellen Saison“ herrschte strengste Disziplin. Im Herbst und Winter konnten sie sich entspannen. Die „Brüder“ zogen dann in die Städte, wo sie ihre Zeit in Tavernen mit Frauen, Alkohol und Opium verbrachten.
Die Mandschurei war ein idealer Ort für umherziehende kriminelle Banden. Die im fernen Peking ansässige Qing-Regierung hatte wenig Kontrolle über das dünn besiedelte Land, während die lokalen Gouverneure nicht über ausreichende Ressourcen verfügten, um die Honghuzi zu bekämpfen.
Darüber hinaus beschränkten sich die „Rotbärte“ nicht darauf, nur mandschurische Dörfer zu plündern. In der Nähe lag die riesige russische Region Ussuri, ein kaum kolonialisiertes Gebiet mit ähnlichen Herausforderungen wie die Mandschurei.
Unter diesen Umständen konnte von einem wirksamen Schutz der Grenzen zwischen dem russischen und dem Qing-Reich keine Rede sein. Von ihren Stützpunkten auf chinesischem Territorium aus gelangten die Honghuzi ohne Schwierigkeiten nach Primorje. Auch der Rückweg stellte kein Problem dar.
Manzi
Archive photoManchmal kehrte die Banditen gar nicht erst zurück nach China. Die Honghuzi schüchterten die chinesische Bevölkerung von Ussuri (die sogenannten Manzi) ein und zwang sie, ihnen Essen und Unterkünfte bereitzustellen oder sie kooperierten mit den Bewohnern.
Auf russischem Territorium verübten die Honghuzi Raubüberfälle, Viehdiebstahl, Opiumschmuggel und illegalen Goldabbau. Die „Brüder“ haben das Gold nicht immer selbst abgebaut, aber sie schützten die chinesischen Bergleute gegen eine Geldzahlung. 1867 wurde Gold auf der kleinen Insel Askold entdeckt, 50 Kilometer vom Militärposten Wladiwostok entfernt (1880 wurde es eine Stadt). Hunderte von Manzi gingen dorthin und suchten zusammen mit den Honghuzi ihr Glück.
Versuche der russischen Regierung, dem illegalen Bergbau ein Ende zu setzen, führten zu einer Reihe von Kämpfen.
Die Tatsache, dass die Honghuzi, nachdem sie russisches Gebiet ausgeraubt und geplündert hatten, nach China zurückkehrten, war für die russischen Behörden ein großes Ärgernis. Mehr als einmal mussten Truppen, die die Banditen verfolgten, an der Grenze anhalten.
Doch manchmal drangen Kosakeneinheiten unwissentlich oder mit Absicht auf chinesisches Gebiet vor. Peking brachte gegenüber diesen Verstößen gegen die Staatsgrenze stets Missfallen zum Ausdruck, doch der Kampf gegen die Honghuzi war für die lokalen Behörden von größerer Bedeutung. Lokale Gouverneure wandten sich oft selbst hilfesuchend an die Russen, damit diese die Banditen verfolgten.
Im frühen 20. Jahrhundert wurden der russische Ferne Osten und China zum Schauplatz wichtiger historischer Ereignisse, die die „Rotbärte“ nicht ignorieren konnten. Während des Boxer-Aufstands von 1899-1901, der gegen die Herrschaft der Westmächte gerichtet war, schlossen sich die Honghuzi häufig mit den Überresten der besiegten Qing-Abteilungen zusammen und kämpften gegen russische Truppen. Trotz ihres bekannten Rufs als Banditen betrachteten viele Chinesen sie als die letzten Verteidiger ihres Heimatlandes gegen ausländische Aggressoren.
Während des russisch-japanischen Krieges von 1904-1905 gelang es den Honghuzi, gegen Geld sowohl den Russen als auch den Japanern zu dienen. Insbesondere wurden sie mit Sabotageakten gegen die Ostchinesische Eisenbahn in der Mandschurei beauftragt. Die von der chinesischen Regierung in Auftrag gegebene und von Russland gebaute Bahnstrecke war die wichtigste Versorgungsroute für russische Truppen in Fernost.
Der Zusammenbruch des chinesischen Reiches im Jahr 1911 und des Russischen Reiches im Jahr 1917 brachte Aufruhr und Chaos in den Fernen Osten. Die Honghuzi waren in ihrem Element. Während des russischen Bürgerkriegs beraubten sie weiterhin die lokale Bevölkerung und schlossen sich mal der Weißen, mal der Roten Armee als Söldner an oder auch den Japanern, als diese im April 1918 in Wladiwostok landeten.
In den 1930er Jahren ging die Ära der Honghuzi ihrem Ende entgegen. Die Sowjetregierung hatte den Schutz der Staatsgrenzen zu China verstärkt und kriminelle Aktivitäten in Primorje unterbunden. Einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die „Rotbärte“ leisteten die Japaner. In den frühen 1940er Jahren spielten die Honghuzi keine bedeutende Rolle mehr im Fernen Osten.
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