Wie die UdSSR den USA mit Waffen-Attrappen das Fürchten lehrte (FOTOS)

Juri Abramotschkin/Sputnik
Beim Wettrüsten zwischen den beiden Supermächten in den 1960er Jahren wurden alle Register gezogen. Die Sowjets waren wahre Meister darin, mit Pseudo-Waffen ein wirkungsvolles Drohszenario aufzubauen.

Der Rote Platz, 1965: Gigantische Raketen mit Atomsprengköpfen fuhren langsam an Bühnen voller Zuschauer, darunter auch ausländische Botschafter, vorüber. Allein ihre Größe löste Angst und Schrecken aus. Die Ausländer müssen gedacht haben, dass ihnen durch den Einsatz dieser Waffen das Jüngste Gericht drohe. 

Eine russische Interkontinentalrakete auf dem Roten Platz während der Militärparade in Moskau zum 20. Jahrestag des Kriegsendes in Europa.

Dies war zweifellos ein weiterer Triumph für die sowjetische Militärtechnologie. Zumindest wurde es so präsentiert. Massive Waffen mit riesigen Läufen, ballistische Raketen, die überall hin gelangen könnten, eine „nukleare Abschreckung aus dem Weltraum“… Die Technologie, die auf dem Roten Platz gezeigt wurde, machte international Schlagzeilen. Nur wenige Menschen wussten, dass an diesem Tag gar keine echten Waffen gezeigt wurden, sondern nur Attrappen.  

Nikita Chruschtschow und Fidel Castro bei der Parade zum 1. Mai auf dem Roten Platz.

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Warum brauchte die UdSSR falsche Waffen? 

Diese Frage wurde nach dem Zerfall der Sowjetunion von Wladimir Semitschastny, einem KGB-Oberen und einem der Drahtzieher bei der Entmachtung von Nikita Chruschtschow beantwortet. „Raketen haben in den 1960er Jahren großes Interesse geweckt. Bei jeder Erwähnung und bei ihrem bloßen Anblick stockte den Menschen der Atem“, schrieb Semitschastny in seinen Memoiren „UdSSR-Sonderdienste in einem geheimen Krieg“.

„Regelmäßig, ungefähr ein-, zwei- oder dreimal im Jahr, haben wir offiziell behauptet, eine neue Raketentechnologie entwickelt zu haben. Anschließend gaben wir vor, sie bei der Parade auf dem Roten Platz zu präsentieren. Nur einem sehr kleinen Personenkreis war bewusst, dass einige dieser neuen Raketen nur Attrappen waren. Die Modelle, die von den Traktoren gezogen wurden, waren keine Raketen - es waren nur Nachbauten“, verriet er. 

Dieses Schauspiel führte das sowjetische Militär auf, um die westlichen Geheimdienste über das sowjetische Waffenarsenal in die Irre zu führen. Alle dieser Waffen wurden in unterirdischen Hangars gelagert, unsichtbar für Spionagesatelliten. Nur anlässlich der Militärparaden, am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, und am 7. November, dem Jahrestag der Oktoberrevolution, waren auf dem Roten Platz die Errungenschaften des sowjetischen militärisch-industriellen Komplexes zu sehen. Die Militärparade am 9. Mai fand nur zu Jubiläumsdaten statt. 

Massive Desinformationskampagne  

Alles wurde bis ins kleinste Detail geplant. Die Kampagne selbst wurde vom Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion Nikita Chruschtschow persönlich geleitet. Teil des Schauspiels war eine feurige Rede von ihm im Jahr 1962 im Kremlpalast, wo er die GR-1, die sogenannten „globalen Raketen“, ankündigte.

Das Konzept einer globalen Rakete stammte ursprünglich von den USA, wurde jedoch nie umgesetzt, weil es nicht erforderlich war. Aufgrund der Nähe der NATO-Staaten zur UdSSR hatten sich ballistische Interkontinentalraketen mit geringerer Reichweite bewährt. Die Sowjets hatten diesen Vorteil nicht. Sie planten daher, einen Atomsprengkopf in die Umlaufbahn zu bringen, der jedes beliebige Ziel treffen könnte, egal in welcher Entfernung. 

„Eine Rakete mit globaler Reichweite macht jede andere Abschreckung überflüssig. Solche Raketen können nicht rechtzeitig entdeckt werden, um noch Abwehrmaßnahmen zu ergreifen“, erklärte Chruschtschow über die GR-1, als wäre sie tatsächlich existent.

Ausländische Geheimdienste begannen ernsthaft, nach Informationen über die GR-1 zu suchen, und gaben ihr den Codenamen „SS-X-10 Scrag“. Als der angeblich funktionierende Prototyp 1965 auf dem Roten Platz gezeigt wurde, hatten die Amerikaner keinen Zweifel mehr: Die Sowjets hatten es geschafft, eine Rakete mit globaler Reichweite zu entwickeln. 

Nie realisierte Projekte 

Diese globale Rakete war nur ein Beispiel für Fehlinformationskampagnen der Sowjets. Auch die Raketen RT-15 und RT-20 gehörten dazu. Die selbstfahrende Waffe trug eine 18-Meter-Rakete, die allein durch ihr Aussehen Angst einflößend wirkte. Die Tests schlugen jedoch fehl und sie schaffte es nie ins Arsenal.  

Gleiches gilt für die selbstfahrende schwere Artillerie 2B1 - die „Oka“. Der gigantische Kettenmörser war in der Lage, ein Projektil fast 50 Kilometer weit zu feuern. Der Rückstoß war jedoch so stark, dass Motor und Getriebe außer Betrieb gesetzt wurden. Die Träger selbst konnten dem Gewicht nicht standhalten und mussten alle 20 Kilometer gegen neue ausgetauscht werden. Im Mai 1961 wurden sechs auf dem Roten Platz gezeigt. Doch im Juli desselben Jahres wurden sie stillschweigend demontiert. 

Während der Parade von 1954 wurde der M-4-Bomber der Welt vorgestellt, der angeblich eine nukleare Nutzlast tragen konnte und in der Lage wäre, auf Eis zu starten, im Bezirk Tschukotka, gleich neben den USA. Die Nachteile der Konstruktion überwogen und es wurde nach einem Umbau als Betankungsflugzeug eingesetzt.  

Was die GR-1 betrifft, gab es eine Verzögerung bei der Produktion der Motoren und Transportprobleme. Doch auch ohne, dass diese Waffen jemals tatsächlich gebaut wurden: Das sowjetische Täuschungsmanöver hatte funktioniert. Washington war so beeindruckt, dass es der Unterzeichnung des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen zustimmte. Das Projekt GR-1 hatte seinen Zweck erfüllt und wurde verworfen.

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