„Morel“: Das erste russische U-Boot

Serguei Fadeev (CC BY-SA 3.0)
Diese Erfindung aus dem 18. Jahrhundert sollte die Wunderwaffe des Russischen Reiches werden, um die Ostsee zu erobern.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden U-Boote ein wesentlicher Bestandteil der Streitkräfte aller Großmächte. Russland hätte jedoch bereits 200 Jahre zuvor eine U-Boot-Flotte schaffen können. Warum ist es nicht gelungen?

„Tarnkappenschiff“ 

Die Idee, ein Schiff zu bauen, dass unter Wasser navigieren und ein Kriegsschiff von unten angreifen könne, stammte vom Zimmermann Jefim Nikonow, der im 18. Jahrhundert auf einer Werft arbeitete. Er hatte keinen technischen Hintergrund und war Analphabet. Das hinderte ihn jedoch nicht daran, Schiffsbaumeister zu werden.

Nikonow sandte zahlreiche technische Spezifikationen (von anderen niedergeschrieben) an Peter den Großen für ein U-Boot, das „ruhig unter den Wellen liegen und dann Kriegsschiffe, mindestens zehn oder zwanzig, mit einem Projektil zerstören könne“. Wenn es fehlschlug, sagte er, sei er bereit, dafür den Kopf hinzuhalten. 

Peter der Große

1719 widmete der Zar dem Projekt schließlich seine Aufmerksamkeit und lud Nikonow ein, die Idee persönlich zu besprechen. Obwohl das Konzept keineswegs neu war (der niederländische Ingenieur Cornelius Drebbel hatte bereits 1620 das erste U-Boot der Welt in der Themse in London getestet), war Peter davon begeistert. Er ernannte Jefim zu seinem „Kapitän der Stahlschiffe“, richtete ihm in St. Petersburg eine Werkstatt ein und gestattete ihm, sich seine Arbeiter auszuwählen.  

Dreizehn Monate später wurde in der Newa ein kleiner Prototyp getestet. Auf halber Strecke über den Fluss tauchte das Schiff unter und tauchte dann auf der anderen Seite wieder auf. Der zweite Tauchgang verlief nicht so reibungslos und das Schiff konnte nicht aufsteigen. Der Zar half selbst tatkräftig dabei, das U-Boot mithilfe von Seilen wieder nach oben zu ziehen. Trotz dieses Misserfolgs befahl er den Bau eines vollwertigen Modells.

Morel 

Nikonows Schiff wurde 1724 fertiggestellt. Es kam zu einem Schreibfehler. Statt „Modell“ wurde „Morel“ niedergeschrieben. Der Name blieb. 

Das erste russische U-Boot hatte die Form eines sechs Meter langen und zwei Meter hohen Holzfasses. Es wurde mit Eisenreifen zusammengehalten und mit Leder umwickelt.

Zehn mit winzigen Löchern perforierte Weißbleche wurden eingebaut. Durch sie floss Wasser in die Ledertaschen, wodurch das Schiff unterging. Beim Auftauchen wurde das Wasser mit einer Kupferkolbenpumpe an Bord abgelassen. Das U-Boot mit fünf Besatzungsmitgliedern wurde von Rudern angetrieben.

Die stärkste Waffe des „Morels“ waren Flammenwerfer („feurige Kupferrohre). Außerdem konnte ein Taucher aussteigen und mit Spezialwerkzeugen den Rumpf des feindlichen Schiffes beschädigen. Nikonow hat dafür sogar einen speziellen Tauchanzug entworfen. 

Der Untergang des Projekts 

Im Frühjahr 1724 wurde das U-Boot in der Newa erneut in Anwesenheit von Peter dem Großen und Marineoffizieren getestet. Es sank erfolgreich bis zu einer Tiefe von drei bis vier Metern, schrammte dann aber mit dem Kiel über den Grund. 

Der hermetisch versiegelte „Morel“ wurde dabei aufgerissen und die Besatzung musste umgehend gerettet werden. Trotz dieses zweiten Fehlschlags weigerte sich Peter, das U-Boot oder dessen Erfinder zu verdammen. Nikonow sollte auf Peters Geheiß hin „nicht für diese Unannehmlichkeiten verantwortlich gemacht werden“.

Denkmal für die Tests des „Morels“ in Sestrorezk, St. Petersburg

Der bald darauf folgende Tod des Zaren wurde jedoch zum Problem für das Projekt. Nikonow fehlte ein Unterstützer und Geld. Er hatte nun weniger Arbeitskräfte und Materialien für seine Experimente zur Verfügung. 

Die letzten Tests fanden 1727 statt. Nach einem weiteren erfolglosen Versuch wurde Nikonow vom Rang eines Schiffsmeisters zum einfachen „Admiralitätsarbeiter“ herabgestuft und von der Hauptstadt ins abgelegene Astrachan geschickt. Infolgedessen musste Russland noch fast zwei Jahrhunderte warten, bevor es seine erste U-Boot-Flotte bekam. 

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