Vier Gründe, die zur Ermordung von Paul I. führten

Geschichte
GEORGI MANAJEW
Paul I., der Sohn von Katharina der Großen, wollte Russland radikal umbauen. Er hatte die besten Absichten, ging jedoch brachial vor und machte sich dadurch viele Feinde im Adel.

Paul I. hatte in seiner Kindheit viele Probleme und Schwierigkeiten- angefangen damit, dass sein Vater Peter III. von Russland (1728-1762) infolge einer von seiner Mutter Katharina II. angezettelten Verschwörung abgesetzt und ermordet wurde. 

Großfürst Paul war der rechtmäßige Thronfolger, aber Katharina II. plante ohne Pauls Wissen, ihren Sohn Alexander zum nächsten Kaiser zu machen. Als junger Mann wurde er von den Günstlingen und Staatsmännern seiner Mutter verhöhnt und verspottet. Das verunsicherte Paul und ließ ihn zu einem misstrauischen Menschen heranwachsen.  

Als er nach dem Tod seiner Mutter 1796 mit 42 Jahren den Thron bestieg, wollte er den Hof und das ganze Land radikal verändern. Sein überstürztes Handeln führte zu einer Katastrophe: Er wurde 1801 von einer Bande hochrangiger Verschwörer ermordet. Doch was waren die Gründe dafür?

Er verbreitete Unruhe am Hof 

Unmittelbar nach seiner Thronbesteigung begann Paul I. mit dem Erlass neuer Gesetze und Verordnungen. Damit setzte er den Plan um, den er während seiner Jahre als Großherzog sorgfältig ausgeheckt hatte. Er führte Hunderte von Änderungen in allen Bereichen ein - von den täglichen Abläufen am kaiserlichen Hof bis hin zu den Uniformen der Armee. Paul, der von klein auf unsicher war, witterte stets Verschwörungen und Verrat.

Der kleinste Verstoß gegen die militärischen Vorschriften bei einer Musterung oder einer Parade konnte zur Verbannung führen. In St. Petersburg fanden fast täglich Schulungen und Musterungen statt, bei denen der Kaiser oftmals anwesend war. Immer wieder versuchte er, unvorsichtige oder nachlässige Offiziere mit seinem Stock zu schlagen, schrie sie an und verwies sie aus der Armee. Doch oft änderte er seine Meinung wieder, nahm seine eigenen Befehle zurück oder belohnte sogar dieselben Offiziere, die er zuvor verstoßen hatte, aus Scham über seine Wutausbrüche.

Er wurde deshalb bei Hofe argwöhnisch beobachtet und war gefürchtet. 

Er verlor das Vertrauen der Kaiserlichen Garde

Die aus mehreren Regimentern bestehende kaiserliche Garde war die Elite der kaiserlich-russischen Armee und die Leibgarde des Zaren, die für seine Sicherheit in seinen Residenzen sorgte. 

Bevor er Kaiser wurde, lebte Paul I. mehr als 20 Jahre lang in seiner Residenz in Gatschina (einem Vorort von St. Petersburg). Dort übte er sich in der militärischen Ausbildung mit den in Gatschina untergebrachten Regimentern. Für sie wählte er die Soldaten selbst aus. Sie stammten meist aus den ärmsten Adelsfamilien, denn die reichsten Adligen dienten in der kaiserlichen Garde. Am Ende der Regierungszeit Katharinas II. wurde die Disziplin in der kaiserlichen Garde jedoch entsetzlich schlecht – miserable militärische Ausbildung, Alkoholkonsum und ein ausschweifendes Leben waren die Laster der Soldaten. Die Soldaten in Gatschina hingegen waren hervorragend ausgebildet und verfügten über eiserne Disziplin.

Als Paul Kaiser wurde, machte er seine Soldaten und Offiziere aus Gatschina zu Mitgliedern der kaiserlichen Garde, was den Rest der Garde sehr kränkte. Nun mussten sie zusammen mit armen Männern dienen, die zu allem Übel oft auch noch besser ausgebildet waren!

Während der fünfjährigen Regierungszeit von Paul herrschte in der kaiserlichen Garde große Unruhe. Als Paul schließlich am 1. März 1801 ermordet wurde, konnten seine Soldaten die Verschwörer nicht daran hindern, in seine Residenz einzudringen.

Er geriet in Konflikt mit dem russischen Adel

In den letzten Jahren von Katharinas Herrschaft erschienen hochrangige Staatsmänner oft erst nachmittags an ihren Arbeitsplätzen. Die in St. Petersburg stationierten Militäroffiziere erschienen nur selten zu Versammlungen, sondern zogen es vor, die Nächte und Tage in den Salons der Aristokraten zu verbringen. Als Paul Kaiser wurde, änderte sich das Leben in St. Petersburg drastisch. Alle Staatsmänner mussten ab sieben Uhr morgens zum Dienst erscheinen. Paul stand bereits um fünf Uhr auf. Für Offiziere bestand Uniformzwang rund um die Uhr. 

Alle Offiziere, die einem Militärregiment zugeteilt waren, mussten zu den Musterungen und zum Training erscheinen. Wenn sie das nicht taten, wurden sie aus der Armee ausgeschlossen. Dies war eine große Veränderung, denn unter Katharina wurden die meisten Söhne aristokratischer Familien einem Regiment zugeteilt, ohne dafür aber Leistung erbringen zu müssen. Unter Paul wurden Verhaftungen, Entlassungen, Verbannungen und Strafen verhängt, um die Armee in Form zu halten. Der russische Adel betrachtete dies jedoch als einen Angriff auf seine Rechte.

Genau wie sein Urgroßvater Peter der Große wollte Paul den russischen Adel in den Dienst des Staates stellen. Aber er tat es zu schnell und zu drastisch: Genau wie Peter versuchte Paul, jeden Teil des Lebens der Adligen und ihrer Familien zu reglementieren. Aber Paul I. war nicht Peter der Große. Am Ende des 18. Jahrhunderts war der Adel viel mächtiger als zu Peters Zeiten. Paul verärgerte also die gesamte adlige Klasse, die sich an einen ausschweifenden Lebensstil und viel Müßiggang gewöhnt hatte. 

Er verbündete sich mit Napoleon gegen die Briten 

Paul sah die Hauptrichtung seiner Außenpolitik im Kampf gegen das revolutionäre Frankreich. Das Russische Reich trat der Ersten und der Zweiten Koalition bei, zusammen mit Preußen, Österreich und anderen europäischen Mächten, darunter Großbritannien.

Während dieser Kriege erhielt Russland das Protektorat über die Insel Malta. 1798 wurde Paul I. Großmeister des Malteserordens und betrachtete die Insel als künftigen Stützpunkt für die russische Flotte im Mittelmeer. Im Jahr 1800 übernahm Großbritannien die Kontrolle über die Insel, was Paul I. als persönliche Beleidigung auffasste. Er ordnete an, dass alle englischen Schiffe in russischen Häfen gekapert werden sollten. Die Zahlungen an alle englischen Kaufleute wurden eingestellt und ein Boykott gegen englische Waren wurde verhängt. Die diplomatischen Beziehungen wurden eingestellt.

Paul I. begann, mit Napoleon zu korrespondieren und einen gemeinsamen Feldzug gegen die britischen Gebiete in Indien zu planen. „Zusammen mit Ihrem Souverän werden wir das Gesicht der Welt verändern!" teilte Napoleon dem russischen Gesandten in Paris mit. Der Plan sah vor, dass über 70.000 französische und russische Soldaten in Indien einmarschieren sollten. Die erste Abteilung von über 22.000 Kosaken war bereits auf dem Weg nach Indien, als Paul I. ermordet wurde.

Zu den Verschwörern des Mordes an Paul I. gehörte Lord Charles Whitworth, der britische Gesandte in Russland. Unterstützt wurde er von seiner Geliebten Olga Scherebzowa, der Schwester von Platon Subow, dem letzten Günstling Katharinas II. und persönlichen Feind Pauls. Viele Historiker glauben immer noch, dass der Mord an Paul vom britischen Geheimdienst initiiert wurde.

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