Wie ein Leibeigener zum Goldschmied der Familie Romanow aufstieg

Kira Lisitskaja (Foto: Getty Images; Historisches Museum; Faberge Museum; Russisches Museum)
Pawel Owtschinnikow machte im 19. Jahrhundert eine ungewöhnliche Karriere. Der Leibeigene wurde zu einem berühmten Handwerksmeister und eröffnete sogar eine eigene Schmuckwerkstatt, die Aufträge vom Kaiserhof erhielt.

Der Name Carl Fabergé ist weltberühmt, doch er war bei weitem nicht der einzige Juwelier am kaiserlichen Hof. Zigarettenetuis, Pokale, Tafelgeschirr, Schmuckkästchen, kostbare Verzierungen für Bücher und Alben - in der russischen Kaiserfamilie war fast jeder Haushaltsgegenstand ein Schmuckstück, das von den besten Kunsthandwerkern gefertigt wurde. Einer von ihnen war Pawel Owtschinnikow. Er machte eine wahrhaft kometenhafte Karriere. Er war nicht der Erbe eines illustren Familienunternehmens, sondern ein Selfmademan. 

Schatulle, 1881.

Selfmademan 

Owtschinnikow wurde nicht mit einem silbernen Löffel im Mund geboren, sondern als Leibeigener im Jahr 1830 - ganze 31 Jahre vor der Abschaffung der Leibeigenschaft. In einer Hinsicht hatte er jedoch Glück: Alle Mitglieder seiner Familie waren Leibeigene der adligen Linie der Wolkonski-Fürsten: erst Pjotr Michailowitsch und dann Dmitri Petrowitsch, die beide hohe Positionen am Hof innehatten und die Künste schätzten.

Porträt von Pawel Owtschinnikow (links) und das Markenzeichen der Firma Owtschinnikow (rechts).

Das Talent des jungen Owtschinnikow zeigte sich schon früh. Wie die Zeitung Moskowski Wedomosti 1888 in Owtschinnikows Nachruf schrieb, erregte die „Lebhaftigkeit und Schlagfertigkeit“ des Jungen die Aufmerksamkeit des Fürsten Wolkonski, der sein Zeichentalent entdeckte. Zur „systematischen Entwicklung der künstlerischen Fähigkeiten“ wurde der Junge nach Moskau geschickt, um bei einem Juweliermeister zu lernen.

Schüssel, 1889.

Owtschinnikow arbeitete so fleißig, dass er schnell vom Schüler zum Gesellen und schließlich selbst zum Meister aufstieg und sich so seine Freiheit kaufen konnte. Anderen Quellen zufolge gewährten ihm seine Grundherren die Freiheit für sein Talent und seinen Erfolg.

Erfolgreicher Unternehmer

1850 heiratete Pawel und gab die Mitgift seiner Frau für die Ausstattung seiner eigenen Schmuckwerkstatt aus. Drei Jahre später eröffnete er eine Gold- und Silberschmuckfabrik, deren Einnahmen von Jahr zu Jahr fast exponentiell stiegen. Im Alter von 24 Jahren erwirtschaftete der ehemalige Leibeigene einen Jahresumsatz von 1,5 Millionen Rubel, eine für die damalige Zeit enorme Summe.

Geldbörse, 1876.

In der Fabrik wurden alle Arten von Schmuckarbeiten ausgeführt: Prägen, Gravieren, Emaillieren, Schmieden, Vergolden. Sie beschäftigte insgesamt 300 Meister, deren Zeitplan und Gehalt von Owtschinnikow selbst verwaltet wurden.

Kelch auf einem Ständer, 1887.

1867 begann Owtschinnikow, seinen Handwerkern Lehrgänge für „technisches Zeichnen, Bildhauerei und Prägen“ anzubieten, um ihre künstlerischen Fähigkeiten zu entwickeln.

Der heilige Georg und das Wunder der Schlange, 1879.

Bald darauf eröffnete Owtschinnikow als erster Fabrikbesitzer eine eigene Schule für Kinder, in der sie sowohl in der Schmuckherstellung als auch in der Grundschulbildung unterrichtet wurden.

Emaille und der russische Stil 

Teeservice, 1879-1883.

In den 1860er Jahren erlangte Owtschinnikows Juweliergeschäft weltweiten Ruhm. Er nahm an internationalen Ausstellungen in Moskau teil und erhielt eine Silbermedaille auf der Internationalen Ausstellung von 1867 in Paris. Owtschinnikows Stücke wurden in der High Society wahrgenommen. Er wurde offizieller Lieferant des Zarenhofes und eröffnete eine Filiale in St. Petersburg. Mehr als 40 Jahre lang stand er im Dienst des kaiserlichen Hofes.

Salzfass, 1894.

Im späten 19. Jahrhundert war der russische Stil in aller Munde - und Alexander III. war einer der führenden Anhänger dieses Stils. Owtschinnikow erkannte dies und wurde selbst zu einem Trendsetter. Mit seinem magischen Gespür für Schmuckkunst belebte er die Produktion von Emaille mit russischen Motiven: Vögel, Kokoschniks, Kuppeln und andere volkskundliche Elemente. Viele von Owtschinnikows Meisterwerken basieren auf Skizzen der besten Künstler seiner Zeit, darunter Wiktor Wasnezow.

Vase, Ende 19./ Anfang 20. Jahrhundert.

Owtschinnikows Werkstatt stellte unter anderem längst vergessene Gegenstände her, die einst die königliche Tafel schmückten: Tassen, Schatullen und Kelche im alten Stil. Bei ihrer Herstellung wurde häufig die Filigrantechnik angewandt, ein weiteres traditionelles Handwerk, bei dem feine Edelmetallfäden gedreht und geflochten wurden. 

Tasse „Hahn“, 1896.

Owtschinnikow und seine Juweliermeister fertigten auch Rahmen und Fassungen für Ikonen und Bücher an - besonders berühmt wurden die für die Evangelien der Christ-Erlöser-Kathedrale und der Kirche des Erlösers auf vergossenem Blut.

Evangeliar für die Kirche des Erlösers auf vergossenem Blut, 1882.

Nach dem Tod von Pawel im Jahr 1888 wurde das Unternehmen von seinen Söhnen erfolgreich weitergeführt. Die Revolution von 1917 und der Sturz der Monarchie beendeten jedoch die ruhmreiche Geschichte des Unternehmens. Glücklicherweise blieb eine große Anzahl von Owtschinnikows Werken erhalten und fand ihren Weg in Museen und Privatsammlungen in aller Welt. 

Zigarettenetui, 1889.

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung ausschließlich unter Angabe der Quelle und aktiven Hyperlinks auf das Ausgangsmaterial gestattet.

Diese Webseite benutzt Cookies. Mehr Informationen finden Sie hier! Weiterlesen!

OK!