Wie „Magier“ russische Zaren täuschten

Russia Beyond (Imagno, Fine Art Images/Getty Images; Legion Media; Wellcome collection (CC BY 4.0))
Rasputin war wohl der einzige Hofarzt, der den Zaren und seine Familie tatsächlich heilen konnte. Die anderen haben die russischen Herrscher nur hinters Licht geführt. Davon zeugen vier bekannte Beispiele.

Eliseus Bomelius

Der Abenteurer reiste 1570 aus London nach Moskau, wo er als Arzt und Astrologe tätig war, im Dienst Iwan des Schrecklichen allerdings erwarb er den zweifelhaften Ruf eines Giftmörders.

Der aus Holland stammende Bomelius hatte in Cambridge Medizin studiert, konnte aber sein letztes, sechstes Studienjahr nicht beenden. Das hinderte ihn nicht daran, eine Praxis zu eröffnen und ziemlich berühmt zu werden. Selbst der erste Minister von Königin Elisabeth I., William Cecil, nahm seine Dienste wegen der Gesundheit der Königin in Anspruch. Bomelius wurde jedoch der Prozess gemacht, als aufflog, dass er ohne Ausbildung praktizierte. Da der „Arzt“ kein Geld hatte, um die Geldstrafe zu bezahlen, verbrachte er drei Jahre im Gefängnis. Nach seiner Entlassung im Jahr 1570 entdeckte ihn der russische Botschafter Andrej Sowins auf der Suche nach einem Arzt für Zar Iwan den Schrecklichen. So nahm Bomelius erneut seine Arbeit auf, dieses Mal für das russische Herrscherhaus. Der „bösartige Verräter Bomelius braute mit so teuflischem Geschick einen tödlichen Trank, dass der Vergiftete in der vom Tyrannen angewiesenen Minute starb“, schrieb Nikolai Karamsin, und das ist fast alles, was wir über Bomelius' Tätigkeit in Moskau wissen. Als Leibarzt des Zaren wurde er sehr gut bezahlt.

Bomelius' Ruhm sollte nicht lange währen: 1574 wurde er dabei erwischt, wie er zugunsten Dänemarks und Schwedens gegen den Zaren spionierte, und grausam hingerichtet. Er wurde bei lebendigem Leib auf einem Spieß gebraten und zum Sterben in einen Kerker geworfen. Nach seinem Tod fand der König für lange Zeit keinen neuen Arzt.

Alessandro Cagliostro

Cagliostro, ein in Europa berühmter Scharlatan, der sich „Graf“ nannte (richtiger Name Giuseppe Balsamo), kam 1779 nach Russland. Er hatte bereits mehrere Enttarnungen und Niederlagen überstanden, in St. Petersburg lief es jedoch anfangs nicht gut. Wissenschaftlicher Forscherdrang erlebte damals eine Blütezeit und wurde auch von Zarin Katharina der Großen gefördert. Der Mystik und den Geheimgesellschaften jedoch misstraute der russische Hochadel. Cagliostro musste also in der Gestalt eines Heilers auftreten, und dies empfahl ihm die Zarin zu tun. „Solange Sie, Herr Graf, heilen, konzentrieren Sie sich auf diese würdige Tätigkeit, denn die Linderung menschlichen Leids ist die wahre Berufung des weisen Mannes“, soll Katharina ihm bei einer einzigen Audienz geraten haben.

Cagliostro eröffnete eine Praxis, Geld aber nahm er nur von den Reichen. Der Graf heilte seinen neuen Freund, den Freimaurer Iwan Jelagin, von Migräne und Senator Stroganoff von einem Nervenleiden. Bei den ernsthafteren Krankheiten hatte er jedoch blieb der Erfolg aus. Der Kollegienassessor Islenjew wurde nach den Séancen bei Cagliostro ein schrecklicher Trinker. Und als der Graf den zweijährigen Pawel, den Sohn von Fürst Gawriil Gagarin, zur Behandlung mitnahm und gesund zu seinen Eltern zurückbrachte, machten Gerüchte die Runde, Cagliostro habe das Kind einfach ausgetauscht.

Der Graf verbrachte neun Monate in St. Petersburg und verließ das Land, ohne jemals zu großem Ruhm zu gelangen. Katharina schrieb sogar eine Komödie mit dem Titel „Der Betrüger“, die auf seinem Aufenthalt beruht und in der der Graf den Namen Kalifalcherston trägt. Möglicherweise wollte die Zarin Cagliostro so schnell wie möglich vertreiben, weil seine Frau Lorenza ihrem Lieblingsgrafen Potemkin zu nahe gekommen war.

Daniel Dunglas Home

Im Jahr 1858 reist Daniel Home, ein 25-jähriges schottisches „Medium“, der sich als Organisator sogenannter Telekinese-Séancen einen Namen gemacht hatte, nach Russland. Anna Tjutschewa, eine Hofdame der Großfürstin Maria Alexandrowna, beschrieb die Séancen in Anwesenheit des Zarenpaares: „Der Tisch erhob sich bis zu einer Höhe von einem halben Zoll über dem Boden. Die Zarenmutter spürte, wie eine Hand die Volants ihres Kleides berührte, ihre Hand ergriff und ihren Ehering abnahm. Diese Hand packte, schüttelte und zwickte dann alle Anwesenden, außer der Zarin, an der sie systematisch vorbeiging. Aus den Händen des Regenten nahm sie ein Glöckchen, trug es durch die Luft und reichte es dem Prinzen von Württemberg. Das Ganze löste Schreie der Bestürzung, Angst und Verwunderung aus.“ 

Es war immer dunkel bei Humes Séancen, die „Gesichter“ der verstorbenen Verwandten, die vor den Anwesenden erschienen, waren die nackten, mit Phosphoröl beschmierten Fersen des Zauberkünstlers; die Hände, die die Teilnehmer der spiritistischen Sitzungen unter dem Tisch festhielten, gehörten Home oder seinen Assistenten. An der Séance im Juli 1858 nahmen 11 Personen teil. Am nächsten Tag wurde die Séance in Strelna wiederholt, und eine weitere fand im November statt. 

Neben seinem Erfolg bei Hofe hatte Home in Russland eine Verlobte, die 17-jährige Alexandra Krol, die 1862 an Schwindsucht starb. 1871 heiratete Home erneut eine Russin, Julia Glumelina, die Schwester der Frau des Chemikers Alexander Butlerow, die Home tatkräftig unterstützte und half, seine Treffen mit dem Zaren zu organisieren. Um der Ehe willen konvertierte Home sogar zur Orthodoxie. Als Butlerow jedoch versuchte, einer in St. Petersburg versammelten wissenschaftlichen Kommission zu beweisen, dass Home tatsächlich über paranormale Kräfte verfügte, schlug die Séance fehl. Das Medium inszenierte daraufhin einen Skandal und reiste nach Europa ab, ohne jemals zurückzukehren.    

Nizier Anthelme Philippe

Von allen russischen Zarenfamilien waren Nikolaus II. und seine Familie die größten Anhänger des Okkultismus. Bis zur Geburt des Thronfolgers Zarewitsch Alexej (1904-1918) bereitete Nikolaus und Alexandra dieses Thema große Sorgen – das Paar hatte vier Töchter in Folge bekommen. Zar und Zarin reisten zu Gebeten und suchten Hilfe von Hellsehern und Medien.

Im Jahr 1900 erfuhr Nikolaus II. von Nizier Anthelme Philippe, dem in Frankreich bekannten Okkultisten und Heiler. Der Zar lernte den Magier bei seinem Besuch in Frankreich kennen und lud ihn nach St. Petersburg ein. Auch die von Peter Ratschkowski, dem Leiter der russischen Vertretung in Paris, zusammengetragenen Beweise, dass es sich bei dem Hellseher um einen gewöhnlichen Scharlatan handelt, halfen nicht. Ratschkowski wurde aus dem Dienst entlassen, nachdem er seinen Enthüllungsbericht vorgelegt hatte, der „Meister“ Philippe hingegen am Hof empfangen. Er begann sodann, Séancen mit der Zarin abzuhalten. Die medizinische Ausbildung des „Meisters“ beschränkte sich auf drei Semester an der medizinischen Fakultät der Universität Lyon, danach begann Philippe als Hellseher zu arbeiten und behandelte vor allem wohlhabende Frauen. 

„Er behauptete, über die Macht der Eingebung zu verfügen, die das Geschlecht eines sich im Mutterleib entwickelnden Kindes beeinflussen könne. Er verschrieb keine Medikamente, die von Hofärzten geprüft werden konnten. Das Geheimnis seiner Kunst lag in einer Reihe von Hypnosesitzungen. Nach zweimonatiger Behandlung verkündete er, dass die Zarin ein Kind erwarte“, notierte der Großfürst Alexander Michailowitsch.

Die fünfte Schwangerschaft der Zarin begann im November 1901. Im Frühjahr bemerkten alle, dass Alexandra Fiodorowna fülliger wurde und aufhörte, Korsetts zu tragen, Ärzte aber empfing sie nicht - sie wollte den Rat von Meister Philippe befolgen, den die Zarin fast jeden Tag aufsuchte. Als die Zarin schließlich im August 1902 vom Hofgynäkologen Ott untersucht wurde, stellte sich heraus, dass gar keine Schwangerschaft vorlag. Die gesamte Zarenfamilie war entsetzt. Die Geschehnisse änderten jedoch nichts an der Haltung der Zarin gegenüber Philippe. Seine letzte Empfehlung vor der Abreise nach Frankreich war, bei Seraphim von Sarow, einem russisch-orthodoxen Eremiten, Hilfe zu suchen.

Bereits im folgenden Jahr wurde Seraphim von Sarow auf persönlichen Befehl des Zaren von der russischen Kirche heiliggesprochen, und das Zarenpaar unternahm eine Pilgerreise zu seiner Einsiedelei. Im Jahr 1904 wurde ein Erbe geboren, und das Zarenpaar war überzeugt, dass dies aufgrund einer Prophezeiung von Meister Philippe geschehen war. „Ihre Majestäten hatten in ihrem Schlafzimmer immer einen Papprahmen mit getrockneten Blumen stehen, den Philippe ihnen geschenkt hatte und der, wie er sagte, von der Hand des Erlösers selbst berührt worden war", erinnerte sich Anna Wyrubowa, die Hofdame.

Meister Philippe war sicherlich nicht der einzige Scharlatan, der sich in der Nähe des Throns des letzten Zaren niederließ. Von allen Mystikern am königlichen Hof gibt es nur über Grigorij Rasputin dokumentierte Belege dafür, dass der „Alte“ tatsächlich Zarewitsch Alexej behandelt hatte und seine Blutungen durch Hypnose stoppte. Der Hass auf Rasputin in der Gesellschaft war jedoch groß, nicht zuletzt wegen des zweifelhaften Rufs des Zarenpaares, das dem Mystizismus zugeneigt war. Es war Rasputin, der in den Augen der Öffentlichkeit für all das Unglück verantwortlich war, das Russland heimsuchte. An seiner Ermordung war schließlich der Cousin des Zaren, Dmitri Pawlowitsch, persönlich beteiligt. Zu diesem Zeitpunkt war das Russische Reich jedoch nicht mehr zu retten.

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