Warum die Woche in Russland früher am Sonntag begann

Geschichte
GEORGI MANAJEW
Wer hat den Beginn der russischen Woche auf den Montag verlegt und warum?

Der erste Tag der Woche in den USA, Kanada, Brasilien, Japan, Israel und einigen anderen Ländern ist der Sonntag, nicht der Montag. In Russland und dem Russischen Reich war das früher auch so – und diese Idee beruht auf der Bibel.

Das Buch Genesis des Alten Testaments enthält eine Beschreibung der Erschaffung der Welt, in der die aufeinanderfolgenden Schöpfungstage vom ersten bis zum sechsten aufgelistet sind. Es sind diese Namen (erster Tag, zweiter Tag usw.), die die Wochentage im Hebräischen noch immer tragen. „Und Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn für heilig; denn an ihm ruhte Gott, nachdem er das ganze Werk der Schöpfung vollendet hatte.“ (Gen 2,3).

Die Sprache ist der Beweis

Der Samstag heißt im Hebräischen nicht siebter Tag, sondern Schabbat (abgeleitet von dem Wort ruhen) und beendet die Woche. Sowohl in der jüdischen als auch in der christlichen Tradition begann die Woche also traditionell mit dem Sonntag, und so war es auch in Russland bis zur Oktober-Revolution von 1917. Die Namen der Wochentage im Russischen sind ein Beweis dafür: Der Mittwoch heißt auf Russisch среда (sredá), was Mitte bedeutet. Aber offensichtlich liegt der Mittwoch nur dann in der Mitte, wenn die Woche am Sonntag beginnt!

In den slawischen Sprachen wird der Montag auch ponedelnik genannt, was der,der nach nedjelja kommt bedeutet, wobei nedjelja die Bezeichnung für den ersten Tag der Woche, als auch für die ganze Woche ist. Nedjelja ist abgeleitet von не делать (nje djelatj), was mit nichts tun oder nicht machen übersetzt wird, da am Sonntag der Sonntagsgottesdienst stattfand und die russischen Bauern normalerweise sonntags nicht arbeiteten.

Die Bolschewiki bekämpften die russisch-orthodoxe Religion und die Kirche, und eines ihrer ersten Dekrete, das im Februar 1918 unterzeichnet wurde, ersetzte den julianischen Kalender (den so genannten „Alten Stil“) durch den gregorianischen („Neuen Stil“), wodurch der kirchliche Kalender (die russisch-orthodoxe Kirche verwendet noch immer den julianischen Kalender) sich vom weltlichen, „offiziellen“ Kalender unterschieden wurde und Russland außerdem im Einklang mit „fast allen kultivierten Völkern“ leben konnte, wie es im Dekret hieß. In den Anfangsjahren der UdSSR war der Sonntag jedoch immer noch der erste Tag der Woche.

Als Stalin die Woche in Russland vernichtete

Am 1. Oktober 1929 wurde die Woche in Russland reformiert und die neue 5-Tage-Woche eingeführt. Man nannte sie „kontinuierliche Produktionswoche“ – die Menschen arbeiteten vier Tage lang und ruhten sich am fünften Tag aus. Und so ging es ein ganzes Jahr lang weiter, das nun aus 72 Fünftagewochen bestand. Um zu vermeiden, dass sich die freien Tage der Beschäftigten überschneiden, wurden die Arbeiter in fünf Gruppen eingeteilt, die im Kalender mit gelb, rosa, grün, rot und violett gekennzeichnet waren. Mit diesem System konnten die Mühlen, Fabriken und anderen Unternehmen das ganze Jahr über ohne Unterbrechung arbeiten, da es keinen gemeinsamen freien Tag für alle Arbeiter mehr gab.

Der Fünftagekalender war auch ein ideologisches Instrument. Er neutralisierte den christlichen Feiertagskalender, was für die antireligiöse Propaganda der Bolschewiki sehr nützlich war. Allerdings war der neue Kalender bei der Bevölkerung überhaupt nicht beliebt. Es kam häufig vor, dass Ehemann und Ehefrau verschiedenen Farbgruppen angehörten und daher keinen gemeinsamen freien Tage hatten, was ihr Leben noch komplizierter machte. Im Jahr 1931 wurde eine Sechs-Tage-Woche mit festem freien Tag für alle eingeführt.

Erst 1940 kehrte die UdSSR zur Sieben-Tage-Woche zurück. „Die Arbeit in allen staatlichen, genossenschaftlichen und öffentlichen Betrieben und Einrichtungen wird von einer Sechs-Tage-Woche auf eine Sieben-Tage-Woche umgestellt, wobei der siebte Tag der Woche – der Sonntag – als Ruhetag gilt“, hieß es in dem Erlass, so dass ab 1940 der Montag offiziell zum ersten Tag der Woche in der UdSSR wurde.

Mit der Zeit bestimmten auch einige sozialistisch orientierte Staaten den Montag zum ersten Tag, so zum Beispiel die DDR im Jahr 1970. Im Jahr 1978 empfahl die UNO, den Montag in den meisten Ländern zum ersten Tag der Woche zu machen. Er wurde 1988 gemäß ISO 8601, einer internationalen Norm für den Austausch und die Kommunikation von Datums- und Zeitangaben, festgelegt.

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