Sie wurde die „eiserne Lady“ und die „rote Mata Hari“ genannt und stand im Verdacht, gleich für zwei Geheimdienste zu arbeiten: den sowjetischen und den britischen. Um das Leben der Moura (Maria) Sakrewskaja, der Tochter eines Gutsbesitzers aus der Provinz, die nach ihrer Heirat zur Baronin Budberg wurde, ranken sich so viele Mythen und Spekulationen, dass es schwer ist, sich ein realistisches Bild zu machen.
Eine ungewöhnliche Schönheit
Maria Budberg war eine echte Femme fatale: Sie war zweimal verheiratet und hatte unzählige lange und flüchtige Affären, darunter eine mit dem berühmten Schriftsteller Herbert Wells.
Dennoch konnte man Moura nicht gerade eine Schönheit nennen. „Sie ist auffallend unordentlich, ihre Stirn von irritierenden Falten zerfurcht, ihre Nase schräg. Sie isst sehr schnell, verschlingt große Brocken, trinkt viel Wodka und hat eine raue, dumpfe Stimme, wahrscheinlich weil sie stark raucht“, so beschrieb sie der Autor von „Der Krieg der Welten“ (The War of the Worlds) und „Der unsichtbare Mann“ (The Invisible Man). „Aber immer, wenn ich sie neben anderen Frauen sah, erschien sie mir eindeutig attraktiver und interessanter als die anderen“, erinnerte sich der Schriftsteller weiter. Budberg besaß äußerste Anziehungskraft und einen starken Sexappeal, der ihr eine große Schar von Bewunderern bescherte. Einer von ihnen zog die Baronin in die Welt der Spionagegeheimnisse.
Im Geheimdienst?
Im August 1918 wurde Budberg in Moskau zusammen mit Sir Bruce Lockhart, dem Leiter der britischen Sondermission in Sowjetrussland und damaligen Liebhaber verhaftet. Der Diplomat wurde verdächtigt, an einer Verschwörung westlicher Botschafter zum Sturz der Bolschewiki beteiligt gewesen zu sein. Er wurde schließlich freigelassen und ausgewiesen.
Maria Budberg war angeklagt, für Großbritannien spioniert zu haben. Aber auch sie kam bald wieder auf freien Fuß, vermutlich nachdem sie sich bereit erklärt hatte, für den sowjetischen Geheimdienst zu arbeiten.
Der nächste Lebensabschnitt der Baronin stand unter dem Vorzeichen ihrer Beziehung zu dem berühmten sowjetischen Schriftsteller Maxim Gorki. Für ihn war sie zunächst als Assistentin tätig, war dann seine Lebensgefährtin und wurde ihm schließlich, einer Auslegung zufolge, als Spionin zur Seite gestellt.
Das Zusammenleben mit dem Meister der sowjetischen Literatur hinderte Budberg nicht daran, mit Herbert Wells, der einmal Gast in ihrem Haus war, eine intime Beziehung einzugehen. Dem eifersüchtigen Gorki erklärte sie: „Selbst für die leidenschaftlichste Frau sind zwei berühmte Schriftsteller auf einmal zu viel!“
Gorki lebte mit seiner Lebensgefährtin in der UdSSR und dann in Italien, bis er 1933 endgültig in sein Heimatland zurückkehrte. Moura, die im Westen bleiben wollte, wurde ein Teil seines umfangreichen Archivs überlassen, das Korrespondenzen mit Menschen enthielt, die das sowjetische System ablehnten.
Das Schicksal des für die sowjetischen Geheimdienste so wertvollen Archivs bleibt unklar. Nach Angaben des Diplomaten Wladimir Karjagin nahm sie es mit nach Tallinn, wo es während des Zweiten Weltkriegs verschwand. Baronin Nina Berberowa, eine Freundin, war überzeugt: „Moura hat das Archiv in die UdSSR gebracht.“
Eine Doppelagentin?
Auf sich allein gestellt traf Budberg in Wien auf Lockhart, mit dem sie wieder eine engere Beziehung einging. 1934 besuchten die beiden die Premiere des Films „Der britische Agent“ (British Agent), der auf einem seiner Romane beruhte und auf die bedeutenden Moskauer Ereignisse von 1918 anspielte. Lockhart selbst erklärte, er habe von seiner alten Geliebten viele wertvolle Geheiminformationen über die Sowjetunion erhalten.
Budberg traf Gorki nur noch einmal, am 18. Juni 1936. Der schwer erkrankte Schriftsteller hatte seine langjährige Geliebte zu sich eingeladen. Es wird vermutet, dass die Baronin den Auftrag erhalten hatte, den Schriftsteller zu vergiften, dessen Verhältnis zu Stalin zu diesem Zeitpunkt sehr angespannt war.
Nach einem kurzen Besuch von Moura verstarb Gorki, der sich bereits auf dem Weg der Besserung befand, plötzlich. Das Glas, das ihm die Baronin gereicht hatte, als er seine Tabletten einnehmen wollte, war spurlos verschwunden. Beweise für Budbergs Schuld gibt es jedoch nicht.
Ihre letzten Lebensjahre verbrachte die Baronin in London, wo sie in der Nähe von Herbert Wells lebte, der sie verehrte. Der Schriftsteller vermachte ihr Hunderttausend Dollar, die ihr einen sorglosen Lebensabend ermöglichten.
In den frühen 1950er Jahren geriet die Baronin in das Visier des britischen Nachrichtendienstes MI5. Aufgrund der Flucht zweier Briten nach Moskau, die als sowjetische Agenten tätig gewesen waren, stand sie im Verdacht, mit den sowjetischen Sicherheitsdiensten zu kollaborieren, wurde aber nur verhört.
Die Frage, ob Moura Budberg für den sowjetischen Geheimdienst, den britischen Geheimdienst oder für beide gleichzeitig arbeitete, ist bis heute offen. Kurz vor ihrem Tod im Jahr 1974 wurde das gesamte persönliche Archiv der Baronin auf unerklärliche Weise verbrannt.
Es ist durchaus möglich, dass die berühmte Spionin gar nichts mit den Geheimdiensten zu tun hatte. Denn, wie Nina Berberowa feststellte: „Wenn sie etwas brauchte, dann war es ihre Legende, die sie selbst geschaffen und an der sie ihr Leben lang gesponnen hatte“.