Belka und Strelka: Die unglaubliche Geschichte von den ersten Hunden, die aus dem All zurückkehrten

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Vor der ersten Reise eines Menschen ins All schickte das sowjetische Raumfahrtprogramm Hunde dorthin. 1960 flogen zwei Straßenhündinnen einen Tag lang in den Orbit. Sie machten die bemannte Raumfahrt möglich.

Seit dem aufsehenerregenden Start des ersten künstlichen Erdsatelliten in der Sowjetunion im Jahr 1957 forderte die Führung des Landes ständig etwas ebenso Spektakuläres vom sowjetischen Raumfahrtprogramm. Generalsekretär Nikita Chruschtschow soll den Wissenschaftlern alle vier Monate die immer gleiche Frage gestellt haben: „Was wird die neue Sensation?“ Gute Nachrichten waren gefragt. 

Bis August 1960 hatte die Sowjetunion bereits acht Hunde ins All geschickt, keiner von ihnen kehrte lebend zurück. Die Mission war für sie immer ein One-Way-Ticket. Die herzzerreißende Geschichte der Mischlingshündin Laika, des ersten Hundes im Weltraum, löste heftige ethische Debatten aus. 

Die vierbeinigen Astronauten - die Hunde Belka und Strelka.

Aber der Wettlauf ins All war politisch zu stark aufgeladen. Die Sowjets waren von der Idee besessen, dass nicht nur Hunde, sondern auch der Mensch lebend aus dem All zurückkehren könnte. Der Start von Lissitschka und Tschaika im Juli 1960 endete erneut mit einem Fehlstart, bei dem die Tiere starben: In der 23. Sekunde des Fluges versagte die Brennkammer. Daraufhin wurde beschlossen, die Hunde mit einer Schleuderkapsel auszustatten, damit sie im Falle eines Unfalls eine Chance auf Rettung hätten. Dies war die einzige Änderung, die vor dem nächsten Start vorgenommen wurde. Nur 20 Tage später waren die Mischlinge Belka und Strelka an der Reihe.

Strenges Casting 

Während die USA Affen ins All schickten, wurden in der Sowjetunion streunende Hunde bevorzugt. „Zunächst einmal schienen uns Mischlinge besonders geeignet. Sie haben ein hartes Leben, und sind geübt, Kälte und Hunger zu widerstehen. Das heißt, sie sind an unterschiedliche Umgebungsbedingungen gewöhnt. Zweitens sind Hunde dem Menschen sehr zugetan, die sie als ihre Rudelführer ansehen. Und sie sind besonders lernfähig. Drittens ist die Physiologie des Hundes seit den Zeiten von Iwan Pawlow gut erforscht, erklärt die promovierte Medizinerin Adilija Kotowskaja, die die Hunde für ihre Mission trainierte.

Belka und Strelka wurden, wie viele andere auch, von der Straße aufgelesen. Damals zog ein spezieller Dienst buchstäblich durch die sowjetischen Straßen, beauftragt, streunende Hunde nach bestimmten Vorgaben zu sondieren: Gesucht wurden Hündinnen (für sie war es einfacher, eine Saugvorrichtung für die Ausscheidungen zu entwickeln), ein Alter von etwa zwei bis sechs Jahren haben, bis zu sechs Kilogramm auf die Waage bringen und 35 Zentimeter hoch sein. Bevorzugt wurden helle Hunde, da diese auf Fotos besser zu sehen waren. Im Vivarium des Instituts für biomedizinische Probleme lebten bis zu einem Dutzend Hunde dieser Farbe zusammen.

Hermetische Tierkabine in einer Schleuderkapsel an Bord eines Raumschiffes.

Belka war die Anführerin des Teams, die aktivste und geselligste. Beim Training zeigte sie die besten Ergebnisse, war eine der Ersten, die zum Futternapf kam, und die Erste, die lernte zu bellen, wenn etwas nichts ordnungsgemäß lief. Strelka, eine hellere Hündin mit braunen Flecken, war eher scheu und zurückhaltend, bestand aber alle Tests. Beide Hündinnen waren etwa zweieinhalb Jahre alt. 

Sie wurden umfangreichen medizinischen Tests unterzogen und allmählich an ihre künftigen Versuche gewöhnt: Zunächst mussten sie über mehrere Tage auf engem Raum ausharren, dann wurden ihnen Elektroden implantiert, um ihren Zustand über Sensoren zu überwachen, und sie wurden an Kleidung und Überlastung gewöhnt.

Ärzte und die Versuchshunde an der Landestelle.

Als es an der Zeit war, die erste Mission anzutreten, wurden die beiden Hündinnen umbenannt. Ihre Rufnamen, unter denen sie Geschichte schreiben sollten, waren seitdem Belka und Strelka. Solange die Mischlinge im Vivarium des Instituts lebten, hießen sie Kaplja und Wilna. Nach ihrer Berufung in die Flugstaffel erhielten sie „respektvollere“ Namen.

17 Erdumrundungen 

Der Flug war für den 19. August 1960 geplant. Außer den Hündinnen enthielt die abwerfbare Kapsel 12 Mäuse, Insekten, Pflanzen, Pilzkulturen, Samen von Mais, Weizen, Erbsen und Zwiebeln sowie einige Mikrobenarten. Außerhalb der Kapsel flogen 28 Labormäuse und 2 weiße Ratten mit. Sie alle dienten der Untersuchung, wie sich die Raumfahrt auf Organismen und verschiedene Nutzpflanzen auswirkt.

Moskau. 22. August 1960. Die Hunde-Kosmonauten Strelka und Belka während der Aufzeichnung einer Radiosendung über den Weltraumflug der Hunde an Bord des Sputnik-5 am 9. August 1960.

Der Start war auch deshalb besonders, weil zum ersten Mal Fernsehbilder aus dem Weltall übertragen wurden: Das Bild aus dem Raumfahrzeug wurde direkt oder mit einer leichten Verzögerung an eine Empfangsstation am Boden gesendet. Während des Starts kam es bei den Hunden zu einer beschleunigten Atmung und Herzfrequenz, aber sobald das Raumschiff in die Umlaufbahn eintrat, normalisierte sich ihr Zustand. Bald wurde ihnen Essen serviert, eine Art Sülze ersetzte Nahrung und Wasser. Direkt unter der Liegefläche der Hunde waren Schüsseln mit Astronautenfutter für die Hunde angebracht. Auf ein Signal hin fuhren die Behälter heraus, und sobald die Hunde alles gefressen hatten, fuhren sie wieder zurück. Belka und Strelka verzehrten ihre Malzeiten mit Appetit. 

Bereits während der vierten Umrundung der Erde jedoch wurde Belka extrem unruhig, sie versuchte, sich aus dem Gurtzeug zu befreien, und sie erbrach. Ihre messbaren Vitalzeichen waren jedoch normal. 

Nach der 17. Umrundung landeten die Hunde wohlbehalten auf der Erde. Sie hatten insgesamt 27 Stunden im Weltraum verbracht. Der Nachwuchsforscher W.S. Georgijewskij, der dem Such- und Rettungsteam angehörte, erinnert sich: „Als das Abstiegsfahrzeug geöffnet wurde, erkannten mich Belka und Strelka und begrüßten mich zärtlich. Ihre Kondition war gut, sogar besser als nach einem Training. Ihre Nasen waren feucht, die Zungen, mit denen sie meine Hand ableckten, rosa. Ich war erleichtert und ließ sie sogar in der Steppe freilaufen.  

Schleuderkapsel von Belka und Strelka im Kosmonautenmuseum.

Wie es weiterging

Nach Auswertung des Fluges kamen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass der Aufenthalt im Weltraum keine Gefahr für den Menschen darstellt. Der Start von Belka und Strelka war der letzte Start vor der bemannten Raumfahrt. 

Belkas Übelkeit erklärten die Wissenschaftler als Folge von Stress, der keinen lebensbedrohlichen Zustand darstellt. Der Zwischenfall bewog die Experten jedoch zu der Empfehlung, die erste bemannte Raumfahrt auf eine minimale Anzahl von Umrundungen zu beschränken. Tatsächlich war es daher Belka zu verdanken, dass Juri Gagarin damals nur einmal um die Erde kreiste.

Standbild aus einem Zeichentrickfilm „Space Dogs“.

Danach flogen Belka und Strelka nicht mehr in den Weltraum, sondern traten eine ehrenvolle Pension an. Sie lebten bis ins hohe Alter im Institut für biomedizinische Probleme. In den 60er Jahren waren sie die beliebtesten Hunde der Sowjetunion: Ihre Porträts schmückten Poster, Postkarten und Kalender.

Ein paar Monate nach dem Flug brachte Strelka sechs gesunde Welpen zur Welt, die im Fernsehen gezeigt wurden. „Und da war ein vollkommen weißer Welpe namens Puschok. Die Frau des US-Präsidenten Jacqueline Kennedy war sofort entzückt. Und so willigte man ein, ihr den „Sohn“ des Astronauten zu überlassen. Eine große Delegation der amerikanischen Botschaft kam unter Wahrung strengster Diskretion zu uns, sammelte Dokumente über Puschok, ließ ihn impfen und fuhr ihn dann annähernd eskortiert durch Fahrzeuge der Verkehrspolizei zur amerikanischen Botschaft. Das war wirklich etwas! Als ob ein Prinz auf die Reise geschickt würde“, erinnert sich Adilija Kotowskaja.

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