Gab es Spielkasinos in der Sowjetunion?

Wladimir Wjatkin/Sputnik
Um ihre Spielsucht zu befriedigen, waren die Sowjetbürger gezwungen, dem KGB, professionellen Kartenbetrügern oder Kriminellen nicht über den Weg zu laufen.

Obwohl das Glücksspiel in der UdSSR verboten war, war der Nervenkitzel den Sowjetbürgern nicht fremd. Sie versammelten sich heimlich in improvisierten Untergrundklubs und spielten um das große Geld, mit dem sie ihr Leben verändern wollten.

Katrans

Die meisten Menschen in der UdSSR konnten es sich nicht leisten, über Nacht große Geldbeträge zu verlieren, aber es gab auch Ausnahmen. Illegale Unternehmer, gut vernetzte Bürokraten und Mitglieder der kriminellen sowjetischen Unterwelt mischten sich in den so genannten Katrans (umgangssprachlich für Spielhölle), illegalen Untergrundkasinos, die als normale Wohnungen oder Datschen getarnt waren.

„Der Katran befand sich im Zentrum [von St. Petersburg], in der Nähe des Flusses Mojka, im zweiten Stock eines gewöhnlichen Wohnhauses, hinter einer normalen Tür ohne Schild. Man ließ mich ohne eine Parole zu nennen hinein. Ich glaube, mein Freund hatte mir eine Art Empfehlung gegeben, da man so ohne Weiteres nicht in einen solchen Ort gelangen konnte“, schrieb eine Bewohnerin des sowjetischen Leningrads namens Irina Tschudi über ihre Erfahrungen in einem solchen illegalen sowjetischen Spielkasino.

Die Katrans befanden sich in der Regel in großen Wohnungen, Hotelzimmern oder privaten Datschen sowjetischer Großstädte wie Moskau und Leningrad, aber auch in Urlaubsstädten wie Sotschi oder auf der Krim.

Normalerweise waren diese Einrichtungen nach den verschiedenen Spielarten ausgerichtet, die dort gespielt wurden. Ein Raum war für Roulette reserviert, ein anderer für Bridge, ein weiterer für Canasta und Backgammon und natürlich war auch ein Raum für Poker vorgesehen.

„In dem Raum, in den ich [zum Pokerspiel] geführt wurde, standen drei Tische mit Lampen darüber. Ich konnte mir aussuchen, wo ich sitzen wollte – niemand zwang mich, mit dem Rücken zu einem Gemälde oder einem Spiegel zu sitzen, durch den meine Karten für einen versteckten Beobachter sichtbar gewesen wären. Man konnte sein eigenes Kartenspiel mitbringen, das vor den Augen des Spielers überprüft wurde. Das vermittelte den Eindruck, dass fair gespielt wurde“, schrieb Tschudi.

Tatsächlich gibt es widersprüchliche Berichte darüber, wie fair die Spiele in den sowjetischen Katrans wirklich waren. Einige behaupten, dass die Besitzer der Etablissements ohne betrügerische Machenschaften eine Menge Geld mit der Rake, einer gestaffelten Provision, die von dem Etablissement einbehalten wurde, verdient haben. Anderen Berichten zufolge waren einige der Spiele alles andere als fair, da es Kidály (von kidátj, dt.: abzocken) gab, professionelle Kartenspieler, die Kartendecks meisterhaft manipulierten, um sich einen Vorteil gegenüber reichen, aber selten erscheinenden naiven Besuchern zu verschaffen.

Unabhängig von der Fairness eines bestimmten Spiels machte es einigen Spielern nichts aus, einen gewissen Geldbetrag zu verlieren, da sie wegen des Nervenkitzels, den es in der Regel in Hülle und Fülle gab, die Katrans besuchten. Die verschwenderische Umgebung, die Gesellschaft schöner Frauen und ein schier unendliches Angebot an Alkohol zogen reiche und wichtige Gäste an... manchmal zu wichtig für den KGB, um nicht ein Auge auf die Aktivitäten bestimmter Katrans zu werfen.

Unter dem Radar des KGB

Eine Geschichte besagt, dass 1973 ein stellvertretender Generalstaatsanwalt der UdSSR als Privatperson einen der Katrans besuchte. Die Besitzer des illegalen Kasinos erkannten den einflussreichen Mann und ließen ihn großzügig gewinnen, wodurch sie eine nützliche Verbindung mit diesem Mann der Macht herstellten.

Im Interesse eines stabilen Nachschubs an neuen reichen und mächtigen Spielern bezahlten die Katrans Kellner teurer Restaurants, Hotelangestellte und Taxifahrer, damit diese neuen Spieler für sie anwarben.

Da sie in einem Umfeld von nahezu unverhohlener Geheimhaltung operierten, trafen viele Katrans auf verdeckte Ermittler der Miliz und des KGB. Im Allgemeinen war der KGB nicht so sehr daran interessiert, die Katrans als Phänomen zu beseitigen, sondern vielmehr, unschätzbare Informationen über deren Kundschaft zu sammeln. Und diese Informationen konnten von Insidern und Besitzern der illegalen Spielkasinos erlangt werden.

Eine Geschichte besagt, dass der KGB in Moskau einem Katran-Besitzer mit dem Spitznamen GoschaIndia, ein Mann mit guten Verbindungen in die sowjetische kriminelle Unterwelt, auf den Fersen war. Er war gezwungen, die Gäste seines eigenen Etablissements zu verpfeifen, darunter auch den oben erwähnten stellvertretenden Generalstaatsanwalt, der in seinem illegalen Spielkasino große Gewinne einfuhr.

Schließlich wurde Goscha India erhängt in der Moskauer Nobel-Sauna Sanduný aufgefunden, während der stellvertretende Generalstaatsanwalt von seinem Vorgesetzten gemaßregelt und in die Region Nowosibirsk geschickt wurde, um dort den Rest seiner Amtszeit zu verbringen.

Als das Glücksspielverbot zusammen mit der Sowjetunion zusammenbrach, wichen die illegalen Katrans schicken Spielkasinos, die in den 1990er Jahren in Moskau und anderen russischen Städten eröffnet wurden. Das sowjetische Phänomen der Katrans tauchte jedoch wieder auf, als das Glücksspiel in ganz Russland erneut verboten wurde, mit Ausnahme einiger eigens dafür im Land eingerichteter Sonderzonen.

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