Die 5 prunkvollsten Bälle der russischen Zaren

Geschichte
ANNA POPOWA
Am russischen Hof liebte man es, sich zu amüsieren – fast jeder Monarch veranstaltete rauschende Bälle und Feste zu seinen Ehren. Bei solchen Festen sah man die unwahrscheinlichsten Kostüme, und man konnte sogar Zeuge einer aufwendigen Rache werden.

Der Verwandlungs-Ball

Die Tochter von Peter I. übernahm seine Vorliebe für Unterhaltung – der Ruhm der Bälle und Maskeraden am Hof von Elisabeth Petrowna drang durch ganz Europa. Die Teilnahme an ihnen war recht kostspielig. Erstens brauchte man neue Kleider: Sie wurden speziell gekennzeichnet, damit man nicht in Versuchung kam, beim nächsten Mal dasselbe Kleid zu tragen. Zweitens musste sie auf ihr Äußeres achten. Wenn Elisabeth etwas nicht gefiel, löste sie das Problem sofort – sie schnitt das ihrer Meinung nach unpassende Accessoire von dem Kleid ab oder benutzte eine Schere, um zu ausgefallene Frisuren zu ändern. Die Zarin selbst hatte natürlich keine Probleme mit ihrer Garderobe: Sie verfügte über 15.000 Kleider und konnte ihre Kleidung sogar mehrmals während eines Balls wechseln. Im Jahr 1744 veranstaltete Elisabeth einen Verwandlungsball. Sie ordnete an, dass die Männer in Frauenkleidern à la française mit Fondant und gepuderten Perücken und die Frauen in engen Männerkaftanen und weißen Strümpfen erscheinen sollten. Es durften keine Masken getragen werden, damit die Anwesenden wussten, wer so komisch aussah. Nur Elisabeth profitierte von der Verkleidung – ihr stand die Männerkleidung hervorragend. Die anderen Gäste waren jedoch weniger amüsiert als verärgert.

Der Asor-Ball

Auch Katharina II. liebte Maskenbälle. So veranstaltete die Zarin anlässlich der Geburt ihres Enkels Alexander im Jahr 1777 einen Ball mit dem Titel Asor, der afrikanische Edelmann. Die Säle waren mit dem Monogram A geschmückt, das mit Diamanten und Perlen besetzt war. Die Gäste waren zum Kartenspiel eingeladen worden, und für den Sieg bekamen sie einen Diamanten aus den in der Nähe stehenden Schatullen. Asor selbst tauchte von Zeit zu Zeit in den Sälen auf, kam aber nicht näher – erst später erkannten die Gäste, dass es sich um den verkleideten Fürsten Grigorij Potjomkin handelte.

Ball im Taurischen Palais

Im Frühjahr 1791 veranstaltete Fürst Potjomkin im Taurischen Palais einen Ball zu Ehren Katharinas II. anlässlich der Einnahme der Festung Ismael im Russisch-Türkischen Krieg (1787-1791). Dreitausend Personen waren eingeladen. Für helles Licht sorgten 20.000 Wachskerzen und mehr als hunderttausend Öl-Lampen. Im Wintergarten zwitscherten Vögel, in den riesigen Aquarien plätscherten Fische und es schimmerten riesige Spiegel, hinter denen die Öfen versteckt waren. Mitten in all dieser Pracht stand eine Marmorskulptur der Zarin. Ein Orchester spielte, und Künstler führten französische Komödien und Ballette auf. Potjomkin empfing die Zarin in einem scharlachroten, mit Diamanten besetzten Kaftan und bediente sie den ganzen Abend über selbst. In den Sälen wurde eine Quadrille aufgeführt und die Großfürsten Alexander und Konstantin saßen in der ersten Reihe. Katharina II. vergnügte sich an diesem Abend lieber beim Kartenspiel als zu tanzen – sie spielte um Juwelen. Der Ball dauerte bis zum frühen Morgen und wurde zu einem der aufsehenerregendsten Ereignisse nicht nur in Russland, sondern auch in Europa.

Schwarzer Ball

Alexander III. war nicht begeistert von Bällen. Die Zarin Maria Fjodorowna hingegen gab sich dem Vergnügen für sie beide hin. Der Hof organisierte oft farbige Bälle: weiße für Debütantinnen (die auf diese Weise in die Gesellschaft eingeführt wurden) und rosafarbene für Frischvermählte. Im Jahr 1888 tanzten die Damen im Nikolaussaal des Winterpalastes in roten, weißen, gelben und rosafarbenen Kleidern, wobei große Smaragde in ihren Ohrringen und Halsketten funkelten.

Im Januar 1889 wurde im Anitschkow-Palast in St. Petersburg ein schwarzer Ball veranstaltet. Kurz zuvor hatten der österreichische Kronprinz Rudolf und seine Mätresse Baroness Mary Vetsera Selbstmord begangen. Gemäß den Regeln wurden alle Veranstaltungen an europäischen Höfen für die Dauer der Trauerzeit abgesagt. In St. Petersburg fand der Ball dennoch statt: Die Gäste kamen in schwarzen Kleidern zum Empfang, die durch Diamantschmuck ergänzt wurden. Der Effekt war überwältigend – zu den Klängen von Wiener Walzer wirbelten die „schwarzen“ Paare durch den schneeweißen Saal. Die Zarin rächte sich damit auf anmutige Weise für eine alte Kränkung: Der russische Thronfolger, Großfürst Nikolaus Alexandrowitsch, mit dem sie verlobt war, war 1865 gestorben. Österreich hielt sich damals nicht an die Trauerzeremonien. Anderthalb Jahre später heiratete Maria Fjodorowna Alexander Alexandrowitsch, den jüngeren Bruder ihres toten Bräutigams. Viele Jahre später, als sie bereits Zarin war, erinnerte sie Österreich an dessen Verfehlung.

Russischer Ball

Der letzte russische Imperator, Zar Nikolaus II., war zwar dem Tanzen nicht abgeneigt, machte sich aber mehr Sorgen um seine Gemahlin Zarin Alexandra Fjodorowna, die wegen ihrer schwachen Gesundheit keine Bälle mochte. Aber sie war es, die die Idee hatte, einen Kostümball im neorussischen Stil zu veranstalten. Die Kleider im Stil des 17. Jahrhunderts wurden nach Entwürfen des Künstlers Sergej Solomko genäht. Ergänzt wurden sie durch Pelze und antike Familienornamente. Nikolaus II. trug das Kostüm des Zaren Alexej Michailowitsch und seine Frau das der Zarin Maria Ilinitschna. Fast vierhundert Gäste versammelten sich an diesem Abend im Winterpalast.

Bis heute gilt der Ball von 1903, der zeitlich mit dem 290-jährigen Bestehen der Romanow-Dynastie zusammenfiel, als das prunkvollste Ereignis am russischen Hof.

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