Wie wurde in Russland mit Vögeln wahrgesagt?

Geschichte
GEORGI MANAJEW
Die Vorhersage der Zukunft ist eine der ältesten Arten der Wahrsagerei, die in der Antike von allen Völkern genutzt wurde. Die Kirche in Russland hat sie immer verfolgt, aber trotz der Verbote hörte die Wahrsagerei nicht auf, und Omen, die mit Vögeln verbunden sind, sind bis heute bekannt.

Huhn

Wahrsagungen mithilfe des Verhaltens von Hühnern waren am beliebtesten – diese Vögel gab es in fast jedem Hof. Die einfachste Variante: Am Vorabend des neuen Jahres stellte man der Henne eine Schale mit Getreide hin und beobachtete sie. Wenn sie alles aufpickte, würde das Jahr fruchtbar werden, wenn sie es nicht anrührte, bedeutete dies Ärger.

Die Voraussage des Zukünftigen war etwas komplizierter. Zu diesem Zweck wurde in einem Raum mit verhängten Fenstern mit Kreide ein Kreis auf den Boden gezeichnet, in den eine Schüssel mit Wasser, eine Schüssel mit Nägeln, eine Schüssel mit Münzen oder Schmuck und ein Spiegel gestellt wurden. Die Mädchen gingen abwechselnd in den Hühnerstall, wählten im Dunkeln ein Huhn aus, trugen es in den Raum und ließen es wieder frei. Wenn die Henne zur Schale mit dem Wasser ging, war der Bräutigam ein Trunkenbold, bei der mit den Nägeln – ein harter Arbeiter, bei der mit dem Schmuck – ein reicher Mann. Und wenn die Henne sich für den Spiegel interessierte, war der der zukünftige Gatte selbstverliebt und hochnäsig. Eine Henne, die in Panik geriet und hin und her zu rennen begann, sagte ein hartes Leben dem Gatten voraus. Aber manche Mädchen vermochten die gefangene Henne überhaupt nicht aus dem Hühnerstall holen, da diese sich wieder befreite. Das bedeutete, dass sie nicht dazu bestimmt waren, im nächsten Jahr zu heiraten. Und schließlich, wenn ein Mädchen statt einer Henne einen Hahn fing, bedeutete das, dass ihr zukünftiger Ehemann sie in zweiter Ehe heiraten würde.

Der Hahn hatte einen besonderen Platz in der Wahrsagerei – er galt als wertvoller und glückbringender Vogel, denn der morgendliche Schrei eines Hahns „vertreibt den Teufel“. Deshalb erging es dem Hahn nicht ganz so gut – er wurde beim Bau von Scheunen und Wassermühlen geopfert.

Aber das schrecklichste Omen war der Kuroklik (dt.: Hahnenschrei), wenn eine Henne nicht mehr gackert, sondern kräht wie ein Hahn.

Elster

Elstern galten wegen ihres lauten Verhaltens als Vögel des Unglücks, die mit Hexerei in Verbindung gebracht wurden. Das Zusammentreffen mit einer einsamen Elster bedeutete Unglück, eine Elster, die über das Haus fliegt oder die auf dem Dachfirst sitzt, den Tod eines Familienmitglieds. Im Gegensatz dazu bedeutet die Begegnung mit zwei oder mehr Elstern (was sehr selten vorkommt) Glück, Reichtum und ein rauschendes Festmahl.

Sperling

Im einfachen Volk glaubte man, dass Spatzen die Nägel brachten, mit denen Jesus ans Kreuz genagelt wurde, wofür sie verflucht wurden und dazu verdammt waren, sich hüpfend fortzubewegen. Ein Spatz, der an das Fenster klopft und ins Haus fliegt war ein schlechtes Omen, das Armut, Not und Tod ankündigte.

Meise

Der einzige Vogel, dessen Besuch im Haus eine Feierlichkeit, gute Nachrichten oder ein Festmahl versprach. Meisen sind freundlich und scheuen sich nicht, menschliche Nahrung zu essen. Sie wurden gefüttert, denn man glaubte, dass eine an das Fenster klopfende Meise ein Zeichen für die baldige Ankunft von Verwandten oder Freunden war.

Rabe

Wie in vielen europäischen Kulturen galt auch in Russland der Rabe als Vogel des Bösen und der Zauberer. Das Wahrsagen mithilfe der Schreie von Raben erfolgte auf der Grundlage des Woronógrajs – es war ein böses Zeichen, wenn eine Rabe im Flug schrie. Dagegen gab es spezielle Beschwörungen, die im 19. Jahrhundert sogar im enzyklopädischen Wörterbuch von Brockhaus und Ephron erwähnt wurden.

Taube

Tauben galten wie Mauersegler als Boten, mit deren Hilfe die Seelen der Toten mit dem Diesseits kommunizieren. Aber während der Besuch eines Mauerseglers schlechte Veränderungen oder den Tod bedeutet, galt der Besuch einer Taube nur als „Gruß“ oder eine Erinnerung aus der anderen Welt. Eine Ausnahme war, wenn die Taube im Flug gegen den Torpfosten oder das Fenster stieß und dabei umkam. Auf frischen Grabsteinen wurden oft Körner oder Krümel für die Tauben hinterlassen – man glaubte, dass sie durch das Aufpicken der Leckerbissen der Seele des Verstorbenen halfen, leichter in den Himmel zu kommen.

Wir sollten auch nicht vergessen, dass die Taube der einzige Vogel ist, der von der orthodoxen Kirche „anerkannt“ wird. Sie symbolisiert den Heiligen Geist, der als weiße Taube dargestellt wird. Außerdem war es laut der Bibel eine Taube, die Noah an Bord der Arche einen Olivenzweig brachte, der die Nähe des lang ersehnten Landes bedeutete.

Kuckuck

Es ist unmöglich, den Vogel nicht zu erwähnen, dessen Schrei mit der ältesten Weissagung über die Anzahl der gelebten Jahre in Verbindung gebracht wird: Wenn der Kuckuck schreit, müssen Sie fragen, wie viele Jahre Sie noch zu leben haben, und die Schreie zählen. Glücklicherweise kann der Kuckuck, wenn er zu singen beginnt, dies sehr lange tun.

Ein heute vergessener, aber früher sehr populärer Glaube ist ebenfalls mit dem Kuckuck verbunden: Man musste den Kuckuck zuerst im Geäst finden (durch seinen Gesang) und dann feststellen, auf welchem Ast er saß. Dieser Zweig galt als magischer Talisman, den man als Amulett und als Glücksbringer bei der Jagd in der Tasche trug.

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