11. Februar 1985, 9:23 Uhr. Das Missionskontrollzentrum (MKZ) sendete zum wiederholten Male ein Signal an die Station Saljut-7, um den Betrieb aller Systeme zu überprüfen. Die Station war aufgrund einer langen Expeditionspause seit sechs Monaten unbewohnt und arbeitetr autonom, aber diesmal erfolgten keine Antwortsignale. Irgendetwas war passiert, aber niemand auf der Erde konnte den Grund für die unerwartete Abschaltung der Station erkennen.
Die Orbitalstation Salut 7 und das Raumschiff Sojus T-14
SputnikOhne elektronische Korrektur der Flugbahn wurde Saljut-7 zu einem unkontrollierbaren Meteoriten mit einem Gewicht von 19 Tonnen, der sich langsam der Erde näherte. Selbst nach den optimistischsten Berechnungen war es fast unmöglich, Opfer zu vermeiden – die Trümmer, die nicht in der Atmosphäre verglüht wären, hätte Städte treffen können. Dieses Szenario gefiel jedoch weder dem MKZ noch der Führung des Landes. Der Hauptgrund (so zynisch er auch klingen mag): Eine Katastrophe dieses Ausmaßes hätte dem Ruf der sowjetischen Kosmonautik einen irreparablen Schaden zufügen.
Die Vorbereitungen für die Rettungsaktion begannen unmittelbar nach der Abschaltung der Station. Mitte März wurden die Kosmonauten – die erfahrensten von allen – für die Mission auswählt. Der Kommandant der Besatzung war Wladimir Dschanibékow, zusammen mit ihm schickte man den Flugingenieur Wiktor Sawiných.
Das Training dauerte vier Monate: Dschanibékow bereitete sich die ganze Zeit darauf vor, die Station während des Flugs zu „einzufangen“, indem er im Simulator alle möglichen Szenarien durchspielte. Ein Fehler hätte sowohl den Kosmonauten selbst als auch Menschen auf der Erde das Leben gekostet.
Wladimir Dschanibekow (links) und Wiktor Sawinych
Alexander Mokletsov/SputnikSawiných studierte alle verfügbaren Unterlagen über die Saljut, denn der Grund für die Abschaltung der Station war immer noch ein Rätsel. Außerdem mussten die Teilnehmer der Mission lernen, in völliger Dunkelheit im der Attrappe der Station herumzukriechen, denn es gab keinen Strom auf der Saljut-7.
Das Rettungsschiff Sojus T-13 wurde eigens für diese Mission angepasst. Außerdem wurde ein Teil des Schiffes für die Lagerung von Vorräten für den Langzeitbetrieb verwendet – es war ja nicht bekannt, wie viel Zeit die Kosmonauten auf der „toten“ Saljut-7 verbringen werden würden, und die Lebensmittel in den Frachträumen hätten aufgrund der Kälte im Weltraum unbrauchbar werden können.
In den frühen Morgenstunden des 6. Juni 1985 begannen Dschanibékow und Sawiných die Rettungsaktion auf dem Kosmodrom Baikonur. In 300 Kilometer Höhe über der Erdoberfläche hatten die Retter nur einen einzigen Versuch.
Wiktor Sawinych (links) und Wladimir Dschanibekow während einer Training im Kosmonauten-Trainingszentrum
Alexander Mokletsov/SputnikAm zweiten Tag des Fluges näherten sich Dschanibékow und Sawiných der Station – nach ihren Berechnungen waren es nur noch zehn Kilometer bis zum Ziel. Im Bullauge leuchtete bereits ein kleiner „Stern“, der allmählich heller und heller wurde. Die Retter begannen mit den Vorbereitungen für das komplexeste Manöver in der Geschichte der Raumfahrt. Im automatischen Anflugmodus verringerte Dschanibékow den Abstand auf 2,5 Kilometer. Dann schaltete er auf manuelle Steuerung um und begann eine allmähliche Annäherung zum Andocken. Nachdem sie nahe genug herangeflogen waren, stellten die Kosmonauten jedoch fest, dass sie sich verrechnet hatten...
Die Saljut-7 war mit ihrer Rückseite zu den Rettern gedreht, wobei zudem die Andockeinheit nicht funktionierte. In dieser Position hatten sie nur zwei Möglichkeiten: zur Erde zurückzukehren oder zu versuchen, die Station zu umrunden. Das Manöver hätten den beiden Kosmonauten das Leben kosten können. Dschanibékow bat das MKZ um Erlaubnis. Das lange Schweigen war zermürbend, aber nach ein paar Minuten bekamen die Kosmonauten eine Antwort: Ihr müsst es versuchen!
Wladimir Dschanibekow und Wiktor Sawinych vor dem Flug
Alexander Mokletsov/SputnikDer Flug auf die andere Seite der Station war dank des langen Trainings und der Erfahrung Dschanibékows erfolgreich, und nun beobachtete er im Bullauge die Arbeitssektion. Nun musste er nur noch das Andockmanöver durchführen – im manuellen Steuermodus mit einer Genauigkeit von Zentimetern, um die richtige Position zu treffen. Wenn Dschanibékow das Steuer auch nur um einen Millimeter verrissen hätte, hätte er möglicherweise die Luftschleuse der Sojus beschädigen oder einen Riss in der Hülle der Saljut verursachen können. Und das hätte das Scheitern der Mission bedeutet.
Das Schiff erstarrte für einen Moment. Die Kosmonauten spürten einen kleinen Ruck, dann hörten sie das Einrasten der automatischen Schleusen – die Sojus hatte sicher an die „tote“ Saljut angedockt.
Und selbst da war die Rettungsaktion noch lange nicht abgeschlossen – es war notwendig, die Station „zum Leben“ zu erwecken. Dschanibékow und Sawiných bereiteten sich darauf vor, in das Innere der driftenden Station einzudringen. Alle Arbeiten mussten manuell durchgeführt werden, denn die automatischen Systeme waren außer Betrieb. Die beiden öffneten ein kleines Ventil in der Tür, um Luft aus der Sojus in die Sektionen der Saljut-7 zu lassen. Als der Druckausgleich erreicht war, begaben sie sich an Bord.
Wladimir Dschanibekow während eines Weltraumspaziergangs am 25. Juli 1984
SputnikSie stellten fest, dass die Station keinen Strom hatte – alle Systeme waren ausgefallen und die Instrumente Temperaturen nahe dem Nullpunkt ausgesetzt worden. Auch die Akkumulatoren funktionierten nicht. Und eine Stromversorgung von der Sojus auswar zu gefährlich. Wenn es einen Kurzschluss im Stromnetz gegeben hätte, wäre auch die gesamte Elektronik des Schiffes lahm gelegt worden, was den sicheren Tod der Kosmonauten bedeutet hätte.
Die einzige Möglichkeit war, die Saljut direkt über die Sonnenkollektoren zu versorgen. Mit den Triebwerken der Sojus richteten die Kosmonauten die Station so aus, dass Licht auf die Paneele traf. Die Instrumente begannen, Lebenszeichen von sich zu geben. Am nächsten Tag beschloss Sawiných, die Akkumulatoren an das Stromnetz der Station anzuschließen, und die Saljut-7 erwachte zum Leben.
Sowjetische Kosmonauten an Bord des Orbitalkomplexes Sojus T-14/Salut 7/Kosmos 1686 (von links nach rechts): Wladimir Wasjutin, Georgij Gretschko, Wiktor Sawinych, Alexander Wolkow und Wladimir Dschanibekow.
TASSInsgesamt verbrachten die Kosmonauten mehr als 100 Tage auf der Weltraumstation. In dieser Zeit konnten sie nicht nur die Station reparieren, sondern auch den größten Teil der Elektronik aufrüsten. Während der Reparatur wurde die Ursache für die Ausfälle entdeckt – einer der Sensoren an den Akkumulatoren war defekt und gab das falsche Signal, dass alle Akkumulatoren voll geladen seien. Der Bordcomputer schaltete die Solarpaneele ab, so dass eines Tages der Strom ausfiel und die Station stillstand.
Nach sieben Tagen Flugzeit konnte das MKZ die Fernsteuerung der Station wieder übernehmen und die Kosmonauten gingen ihren Routineaufgaben nach.
Wladimir Dschanibekow und Wiktor Sawinych
Alexander Mokletsov/SputnikAm 21. November 1985 kehrte die Sojus T-14 zur Erde zurück und die Saljut-7 wurde wieder im autonomen Modus in der Umlaufbahn des Planeten betrieben.
Im Jahr 1990 hatte die Station ihre Sicherheitsreserven ausgeschöpft und begann, 6-8 Kilometer pro Tag abzusinken. In der Nacht vom 6. auf den 7. Februar 1991 trat die Saljut-7 mit einer Geschwindigkeit von 30.000 km/h in die obere Atmosphäre ein, wo sie fast vollständig verglühte.
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