Der Flug verlief nach Plan
Es war ein ganz normaler Flug. Flug SU593 der zur Aeroflot gehörenden Fluggesellschaft RAL startete vom Flughafen Scheremetjewo der Hauptstadt: An Bord der Maschine, die den Namen des Komponisten Michail Glinka trug, waren Bürger aus Russland, China, Hongkong, Taiwan, Indien, den Vereinigten Staaten sowie Großbritannien. Unter den Passagieren befanden sich auch die Kinder des Reservepiloten des Flugzeugs Jaroslaw Kudrinskij.
Der Flug verlief ohne Zwischenfälle. Nach ein paar Stunden, als das Flugzeug bereits in der Nähe von Nowokusnetsk war, durften die beiden Kinder des Reservepiloten ins Cockpit. Jana, 13, und Eldar, 15, wechselten sich auf dem Pilotensitz ab: Das Mädchen lehnte das Angebot ihres Vaters, ob es das Flugzeug steuern möchte, ab. Nachdem sie die Lichter der Stadt durch das Fenster gesehen hatte, verließ sie das Cockpit gleich wieder. Aber ihr älterer Bruder ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen. Er drückte etwas zu kräftig auf den Steuerknüppel und dadurch schaltete sich, unbemerkt von der Besatzung, der Autopilot ab. Es gab keinen hörbaren Alarm über die Fehlfunktion des A310. Kurz darauf bemerkte Eldar, dass sich das Flugzeug stark nach rechts neigte. Ohne zu wissen, dass die Technik versagt hatte, konnten die Piloten nicht verstehen, warum das Flugzeug anscheinend versuchte zu landen.
Der Co-Pilot versuchte, die Situation zu retten, aber Kudrinskij gab die Anweisungen und Eldar, der am Steuer blieb, versuchte, die Befehle auszuführen. Wegen der starken Überlastungen konnte der Junge nicht sofort den Pilotensitz verlassen und einem Erwachsenen Platz machen. Alles geschah fast in einem Augenblick: Das Flugzeug verlor schnell an Höhe und stürzte in die Tiefe. Doch als der Sturz gestoppt werden konnte, vermochten die Piloten nicht schnell genug zu erkennen, wo sie sich befanden.
„Steuer nach links! Nach links! Nach rechts! Nach links! Da ist der Boden! Eldar, mach Platz! Geh da weg, Eldar! Geh da weg! Geh da weg! Geh da weg, sage ich Dir!! Voller Schub!“ - das waren die letzten Worte der Besatzung, die vor dem Absturz in den Blackbox-Rekordern aufgezeichnet wurden.
Die Glinka krachte in die Wipfel der Bäume, die an einem Hang am Fuße des Nowokusnetsk-Alatau wuchsen und stürzte ab. Das Flugzeug wurde vollständig zerstört - das Feuer, das unmittelbar nach dem Absturz ausbrach, vollendete das Werk. Passagiere und Besatzung kamen ums Leben.
Blitz am Himmel
Man vermutete sofort, dass etwas nicht stimmte: Nach Nowokusnetsk hatte die Besatzung mit dem Boden keinen Kontakt mehr. Verkehrspolizisten, die in jener Nacht Dienst hatten, sahen ein brennendes Flugzeug über der Stadt fliegen.
Und wenig später bemerkten die Bewohner der Siedlung Malyj Majsas einen Blitz am Himmel und beschlossen, sich in dieser Richtung auf den Weg zu begeben. Die Gegend war nicht gerade leicht zugänglich: Wälder und sumpfiges Gelände, außerdem war es noch Winter in Westsibirien – die Durchschnittstemperatur lag zu dieser Zeit bei -20 Grad Celsius.
Die Rettungskräfte erreichten die Absturzstelle erst gegen sechs Uhr morgens. Was sie sahen, erschütterte sie zutiefst: Die zerfetzten, verkohlten Überreste des Flugzeugs waren mit einer Schneekruste bedeckt, die mit Kerosin getränkt war, und überall lagen abgerissene Äste, Leichenteile und Habseligkeiten verstreut. Die Trümmer des Flugzeugs brannten noch vier Tage lang weiter.
Die letzte Glinka
Die Aufzeichnungen der Blackbox wurden in Frankreich entschlüsselt, was es ermöglichte, die Chronologie der tragischen Ereignisse wiederherzustellen und zu verstehen, wie so etwas einem der sichersten Flugzeuge passieren konnte. Die Untersuchung der Ursachen der Katastrophe dauerte ein Jahr: Es gab ein fatales Zusammentreffen von Umständen. Kinder, die nicht nur ins Cockpit gelassen wurden, sondern auch am Steuer sitzen durften, falsche und unkoordinierte Handlungen der Piloten, Unaufmerksamkeit, aufgrund derer niemand das Lichtsignal des abgeschalteten Autopiloten bemerkte, das Unvorbereitetsein der Besatzung auf die Arbeit in Extremsituationen. Die Modellierung der Notsituation zeigte, dass der Autopilot das Flugzeug in den Normalflug hätte zurückbringen können, wenn die Piloten nicht die Kontrolle übernommen hätten.
Dreißig Jahre sind seit dem Absturz vergangen. In den Unterlagen des A310 wurde eine Warnung hinzugefügt, dass sich der Autopilot unter bestimmten Umständen abschalten kann.
Seitdem dieser Katastrophe hat Aeroflot keinem ihrer Flugzeuge mehr den Namen Michail Glinka zugewiesen.