Das Projekt „iGarten" ermöglicht es jedem, ein Stück Erde zu mieten und dann via Webcam zu beobachten, wie erfahrene Agronome das selbst ausgesuchte Saatgut pflegen und gedeihen lassen. Foto: Pressebild
All jene, die gern selbst Gemüse und Obst anbauen möchten, sind beim Projekt „iGarten" genau richtig. Dieses bietet jedem die Möglichkeit, ein Beet zu mieten und dann via Internet zu beobachten, wie seine Zutaten für ein ökologisch reines Mittagessen heranwachsen. Und obwohl die „iGurken" und „iTomaten" fünf Mal teurer sind als ihre Geschwister im Supermarkt, erfreuen sie sich großer Beliebtheit.
In Moskau wandelt sich der eigene Garten von einem überlebensnotwendigen Nahrungslieferanten zu einem Eliteservice für wohlhabende Anhänger der gesunden Lebensweise. Der Gewächshauskomplex des Projekts „iGarten" befindet sich nämlich in dem Dorf Ostrowzy nahe Moskau und ermöglicht es jedem, ein Stück Erde zu
Die monatliche Miete eines Quadratmeters Erde beläuft sich auf 25 Euro, wobei ein Beet sechs Quadratmeter groß ist. Pro Quadratmeter kann man in einer Saison (pro Halbjahr) etwa 20 bis 25 Kilogramm Tomaten, 15 bis 20 Kilogramm Gurken oder ein Kilogramm Petersilie ernten.
Macht man eine kleine Rechnung, so ergibt sich, dass ein Kilogramm Tomaten dem Gartenbesitzer 6 bis 8 Euro kosten, ein Kilogramm Gurken 8 bis 10 Euro und ein Kilogramm Petersilie 25 Euro.
Zum Vergleich: In den Moskauer Supermärkten schwanken die Preise für Tomaten zwischen 0,75 bis 2,50 Euro, für Gurken zwischen 1 bis 2,50 Euro und für Petersilie zwischen 2 bis 2,50 Euro.
mieten und dann via Webcam zu beobachten, wie erfahrene Agronome das selbst ausgesuchte Saatgut pflegen und gedeihen lassen. Von Tomaten und Erdbeeren bis hin zu Rucola und Petersilie wächst dort alles und wird bei Bedarf per Kurierdienst direkt nach Hause geliefert.
Die Idee für dieses halbinteraktive Gartenprojekt hatte der Vorsitzende des Venture Fonds „Synergy Innovations" Wadim Lobow. Der Fonds investierte im Frühling 2011 eine Dreiviertelmillion Euro in das Projekt und mietete damit ein Gewächshaus an, bestellte den Boden und installierte Videokameras. Der „iGarten" war geboren.
Der iGarten bedient das Bedürfnis nach Frische
Die Ladentische biegen sich unter in Glaswatte gewachsenem oder in einer Hydrokultur gezüchtetem Gemüse und unter Früchten, deren Reifeprozess durch den Einsatz von Methangas beschleunigt wurde. Angesichts dessen muss jeder Mensch das Recht haben, frisches und ökologisch reines Gemüse und Obst auf dem Tisch zu haben, meinen die Gründer des Projekts.
Daher haben die Landwirte bereits zu Beginn des iGarten-Projekts eine wichtige Entscheidung getroffen. Sie wollten ausschließlich organische Bodenbewirtschaftung betreiben und statt chemischer Herbizide und Pestizide nur Brunnenwasser zum Gießen und natürliche Düngemittel verwenden. Dieses Gaumenvergnügen hat jedoch seinen Preis und braucht Zeit. Die monatliche Miete für ein sechs Ar großes Beet beläuft sich auf stolze 150 Euro. In den Genuss der selbst angebauten Tomaten oder Gurken kommt man auch erst nach etwa sechs Monaten.
Etwa 30 000 wohlhabende Moskauer wollen zurück zur Natur
„Unsere Kunden sind wohlhabende Menschen, denen es nicht egal ist, was sie essen", so Gennadij Medezkij, Geschäftsführer des Fonds Synergy Innovations. „Das Gemüse in den Supermärkten sind keine ‚authentischen' Lebensmittel. Ich würde das Gemüse dort eher als ‚Frankenstein-Nahrung' bezeichnen. Wer keine künstlichen Nahrungsmittel möchte und genügend Geld hat, um sich das leisten zu können, kommt zu uns."
Im Sommer 2012 wurden in dem Gewächshaus iGarten mehr als 5 000 Beete bewirtschaftet, doch mit dem Herbstbeginn und dem ersten Frost ging die Nachfrage stark zurück. Derzeit wird nur etwas mehr als ein Dutzend der Beete genutzt. „Die Saison ist vorüber. Viele Saatkulturen wie beispielsweise Erdbeeren, Paprika, Gurken oder Tomaten kann man im Winter nicht ansetzen. Doch die russische Mentalität erachtet Gurken und Tomaten als die wichtigsten Gemüsesorten, ohne die man nicht auskommen kann", erklärt Medezkij und fügt noch hinzu, dass laut Berechnungen des Fonds in Moskau etwa 30 000 potenzielle iGärtner leben.
Im Sommer 2012 wurden in dem Gewächshaus iGarten mehr als 5 000 Beete bewirtschaftet Foto: Pressebild
In seinem Büro stehen zwei Bildschirme an einem gut sichtbaren Platz. Sie zeigen eine Live-Übertragung aus dem Gewächshaus. Gegen Mittag kommen Kunden zum iGarten. Eine Frau und ihr Sohn hatten sich bereits zuvor angekündigt, denn sie wollen ihre Beete gerne selbst bepflanzen. Schon bald darauf sieht man, wie Mutter und Sohn gemeinsam zwar etwas unbeholfen, doch aber recht eifrig die Erde durchwühlen und Saatgut einsetzen. So sieht es also heute aus, wenn wohlhabende Familien „zur Natur zurückkehren".
Chips- und Schokolade-Esser werden zu Gemüseliebhabern
Familien mit Kindern bilden generell den Großteil der iGarten-Kunden. „Einmal hat uns ein gut betuchter Vater angerufen und sich darüber beklagt, dass sein Sohn nur Chips und Schokoriegel isst", erzählt Medezkij. „Ich habe den Sohn daraufhin gefragt, ob er Obst und Gemüse essen würde, wenn er es selbst ansäen und pflegen würde. Da der Junge gerne auf der russischen Social-Media-Plattform „VKontakte" die Anwendung ‚Farm' spielt, antwortete er sofort mit ‚ja'. Wir haben ihm dann einen Garten gegeben, auf dem er Karotten anpflanzte. In lockerer Erde wachsen diese übrigens nicht in die Tiefe, sondern in die Breite. Das Kind hat diese Karotten dann mit Genuss verspeist."
Medezkij eröffnet uns auch, dass der iGarten für den Fonds Synergy Innovations kein Geschäft darstellt, sondern eher ein Hobby. „Echte organische Bodenbewirtschaftung wird in Russland nicht betrieben. Selbst weltweit gibt es nur wenige Vorbilder. Diese Art der Bewirtschaftung ist nämlich nicht gerade lukrativ. Wir sind keine Konkurrenz für diejenigen, die Gemüse in Massenproduktion herstellen", so Medezkij. Das Geld der ersten Investition sei bald aufgebraucht und amortisiere sich frühestens in fünf bis sechs Jahren.
Die Leitung des Fonds zieht es jedoch bereits in Betracht, neue Investoren für den iGarten zu suchen. „Wir bräuchten noch knapp vier Millionen Euro, damit wir zusätzliche Gewächshäuser mieten und so die Produktion ankurbeln könnten. Vielleicht eröffnen wir dann sogar neue Gewächshäuser im Gebiet Wladimir, denn dort ist alles viel günstiger. Einzig die Kosten für die Logistik würden stark steigen", erklärt Medezkij. In einem Punkt ist er sich sicher: Ökolebensmittel haben in Moskau großes Potenzial.
Larisa Jugaj, Chefagronom bei iGarten: „Auf unseren Beeten herrscht ein reger Wechsel – sobald etwas reif ist, ernten wir und säen neu aus. Wir machen das, damit die Menschen stets frisches Obst und Gemüse auf dem Tisch haben.
Es wachsen bei uns Gurken, Tomaten, verschiedene Sorten Salat und eine Vielzahl an Kräutern und Gewürzen. Zudem experimentiere ich derzeit noch: Ich versuche, Pilzkulturen zu züchten, um dann in einem Gewächshaus Seitlinge und Champignons anpflanzen zu können.
Bei uns kommt es generell nicht auf die Quantität an, sondern auf die Qualität. Es ist wirklich ein tolles Gefühl, wenn man sieht, wie ökologisch reines Gemüse und Obst gedeiht."
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Moskowskije Nowosti.
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