Kreative Werbung für soziale Anliegen

Auf der Uferstraße Krasnopresnenkaja nabereschnaja in Moskau wurde eine 12 Meter hohe metallene Flasche aufgestellt, die mit zu Schrott gefahrenen Autos gefüllt ist. Foto: ITAR-TASS

Auf der Uferstraße Krasnopresnenkaja nabereschnaja in Moskau wurde eine 12 Meter hohe metallene Flasche aufgestellt, die mit zu Schrott gefahrenen Autos gefüllt ist. Foto: ITAR-TASS

Erfolgreiche Werbung für soziale Anliegen hat eher mit Kunst als mit Marketing zu tun. Die „Top 10“ der besten russischen Sozial Kampagnen der letzten Jahre.

1. Slogan: „Ich dummer Fußgänger verstehe nicht, wozu ein Zebrastreifen da ist".

Problem: Verkehrssicherheit und Fahrkultur

Laut offiziellen Statistiken der staatlichen Behörde für Verkehrssicherheit wurden im Jahr 2012 in Russland bei Verkehrsunfällen mehr als 23 000 Menschen getötet und über 216 000 verletzt. Der Großteil der Unfälle ist auf Fahrfehler zurückzuführen – was auch verständlich ist, wenn man auch nur für zehn Minuten den Verkehr auf einer stark befahrenen Straße beobachtet. Die häufigsten Ursachen für Verkehrsunfälle sind überhöhte Geschwindigkeit, Fahren im Gegenverkehr sowie Verstöße beim Befahren von Kreuzungen. Äußerst besorgniserregend ist, dass es sich laut derselben Statistik bei jedem vierten Verkehrsunfall um das Anfahren eines Fußgängers handelt.

Beispiel: Die Aktion „Schutzengel" der Verkehrspolizei im Gebiet von Kaliningrad. Sie schickte weiß gekleidete Leute mit Heiligenschein und Flügeln in Begleitung eines Polizisten auf die Straßen. Deren Auftrag war es, die Fahrer zu mehr Rücksichtnahme und Vorsicht zu überreden.

In Kasan verkleideten sich Polizisten gemeinsam mit Journalisten der Zeitung „Metro" als „Opfer" von Verkehrsunfällen mit Verband und Krücken und gingen so auf die Straßen. Ihr Slogan: „Ich dummer Fußgänger verstehe nicht, wozu ein Zebrastreifen da ist".

 

2. Slogan: „Nüchtern unterwegs!"

Problem: Alkoholismus

In den Medien werden derzeit immer weniger Werbespots gezeigt, die gegen Alkoholismus gerichtet sind. Dafür tauchen heute immer mehr Losungen wie „Genug gesoffen!" auf Zäunen und entlang von Eisenbahnstrecken auf. Überraschenderweise wird diese Art der Propaganda für einen gesünderen Lebensstil oft von Jugendgruppen, von Veganern bis hin zu Anarchisten, betrieben.

Beispiel: Auf der Uferstraße Krasnopresnenkaja nabereschnaja in Moskau wurde eine 12 Meter hohe metallene Flasche aufgestellt, die mit zu Schrott gefahrenen Autos gefüllt ist. Schöpfer dieses Werks ist die Werbeagentur „Zavod". Ihr Slogan: „Nüchtern unterwegs"

 

3. Slogan: „Zweiköpfige Dosenfamilie sucht Müllcontainer zur Miete. Sauberkeit wird garantiert."


Bild: vse-ravno.net

Problem: Müll und Umweltverschmutzung

Polyethylen, das für Plastikflaschen, Tragetaschen oder Verpackungsfolien

verwendet wird, zersetzt sich erst nach mehreren hundert Jahren. Der Stoff macht fast die Hälfte der Haushaltsabfälle aus.

Beispiel: In der Kampagne „Müll hat ein Zuhause" der Agentur AMK Znamenka demonstrieren Flaschen und Dosen auf Transparenten mit der Aufschrift „Zweiköpfige Dosenfamilie sucht Müllcontainer zur Miete. Sauberkeit wird garantiert."

 

4. Slogan: „Ändern wir unser Leben!"

Problem: Rauchen

Niemand bestreitet ernsthaft, dass man Kinder und schwangere Frauen vor

Tabakrauch schützen soll. Dennoch sind, wie die öffentliche Diskussion des Anti-Rauchgesetzes zeigte, bei weitem nicht alle Russen der Meinung, dass Rauchen etwas Unangenehmes oder Schädliches ist. Immerhin sind hierzulande fast 40% der Menschen selbst Raucher. In diesem Sinne scheint die soziale Werbung zu diesem Thema nicht gerade einfach zu sein.

Beispiel: In einem Werbespot auf der Internetseite „takzdorovo.ru" bittet ein Passant einen anderen um Feuer. Doch dieser klopft sich auf die Hosentaschen und anstatt dem anderen Feuer zu geben, beginnt er zu tanzen. Schließlich zwinkert er dem Feuersuchenden Passanten zu und sagt: „Ich rauche nicht mehr!"

5. Slogan: „One-Night-Stands sind eine Gefahr für deine Schwangerschaft. 'Safer Sex' gibt es nicht!"


Bild: spid.ru

Problem: HIV

Nach Angaben des Föderalen Anti-AIDS-Zentrums verzeichnete man in Russland Ende 2012 mehr als 700 000 HIV-Infizierte. Zum Vergleich: Im Jahr davor waren es 650 000, Ende 2010 etwa 590 000. Hier könnte die soziale Werbung vieles verändern, doch in den Medien und in der Straßenreklame wird dieses Problem kaum thematisiert. Noch Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre wurde viel Aufklärung zu diesem Thema betrieben. Man erinnere sich nur an den TV-Werbespot „Ich mache nur Safer Sex". Anstatt die Benutzung von Kondomen zu bewerben, versichert man den Russen nun, dass Liebe und die Treue des Partners vor Aids schützen.

Beispiel: Eine Plakatserie und die Webseite „spid.ru" des russischen Gesundheitsministeriums mit dem Slogan: „One-Night-Stands sind eine Gefahr für deine Schwangerschaft. 'Safer Sex' gibt es nicht!"

 

6. Slogan: „Lesen statt Fernsehen!"

Bild: slava.co.uk

Problem: Fehlendes Leseinteresse

Laut einer im März von der Stiftung „Öffentliche Meinung" durchgeführten Umfrage, ist Fernsehen mit Abstand die beliebteste Freizeitbeschäftigung der Russen und lässt somit das Lesen von Büchern als Zeitvertreib weit hinter sich. Aus diesem Grund startete die Werbeagentur „Slava" bereits letzten Herbst in sozialen Netzwerken eine witzige Werbekampagne mit Comic-Bannern, auf denen Autoren der russischen Klassik als Sportler gezeigt wurden.

Beispiel: Lew Tolstoi verkündet im Trainingsanzug und mit einem Ball in der Hand, in Anspielung auf die populäre russische TV-Serie „Zweiter Atem", dass sich einem nach 500 Seiten ein „zweiter Atem" eröffnet

 

7. Slogan: „Schenkt Freude – werdet Adoptiveltern!"

Problem: Waisenkinder

Nach den Skandalen um verstorbene Waisenkinder, die von ausländischen

Familien adoptierten worden waren, erreichte die Diskussion um die Verstärkung von Inlandsadoptionen ihren Höhepunkt. So versuchte die Stiftung „Volontäre helfen Waisen" im Jahre 2011 gemeinsam mit der Werbeagentur BBDO, jene Vorurteile aus der Welt zu schaffen, die einer Adoption häufig im Wege stehen. Man veröffentlichte daher in den Medien und auch an Bushaltestellen Bilder, auf denen Illustrationen von Mythen aus dem antiken Griechenland und die Nummer einer Hotline zu sehen waren.

Beispiel: Der russische Bildungsminister Dmitrij Liwanow wird gemeinsam mit seinen drei Kindern, wovon eines adoptiert wurde, in einem Werbespot des Bildungsministeriums gezeigt. Er ruft dazu auf , seinem Beispiel zu folgen und Kinder zu adoptieren.

 

8. „Kinder müssen gemeinsam zur Schule gehen!"

Problem: Verhalten gegenüber Menschen mit Behinderung

In Russland herrscht nach wie vor eine starke Diskriminierung von

behinderten Menschen am Arbeitsmarkt vor. Zudem wird auf sie auch im Hinblick auf die Infrastruktur nicht wirklich Rücksicht genommen. Das betrifft auch den Bildungsbereich. Auf staatlicher Ebene werden derzeit Inklusionsschulen stark gefördert, doch sehr viele Eltern und Pädagogen sprechen sich noch immer gegen diese aus.

Beispiel: Plakatserie zur Förderung von Inklusionsschulen der Organisation „Perspektive" mit dem Slogan: „Kinder müssen gemeinsam zur Schule gehen".

 

9. Slogan: „Soll das Kindermädchen alles tun? Verbringt mehr Zeit mit euren Kindern!"

Problem: Das Fehlen von familiären Werten sowie kinderlose Familien.

In Russland wird die niedrige Geburtenrate zunehmend zu einem Problem, da der Staat ohne traditionelle Familien auf lange Sicht das Bevölkerungswachstum nicht garantieren kann.

Beispiel: Plakate der Serie „Alles egal?!" der Agentur News Outdoor. Sie zeigen einen kleinen Jungen, der eine Brille mit dicken Gläsern trägt und einen Pullover strickt. Werbeslogan: „Soll das Kindermädchen alles tun? Verbringt mehr Zeit mit euren Kindern!"

 

10. Werbeslogan: „Wen rettest du?"

Problem: Fehlende Empathie für Mitmenschen

Viele Russen beklagen, dass es in ihrer Heimat an Empathie für Mitmenschen fehlt. Die finsteren Gesichter der Russen und ihr fehlendes Mitgefühl für Mitmenschen in Not werden immer stärker als Problem empfunden. Doch nur wenig wird getan, um diesem Phänomen entgegenzuwirken. Lediglich wohltätige Stiftungen und Freiwilligenvereine bemühen sich darum, etwas in diesem Bereich zu verändern.

Beispiel: Der interaktive Werbespot „Wen rettest du?" des Projekts „Große Menschen". Man sieht auf einem geteilten Bildschirm ein sterbendes kleines Mädchen und eine sterbende erwachsene Frau. Der Spot klärt darüber auf, dass der Großteil an Wohltätigkeitsstiftungen nur Kindern hilft und nicht Erwachsenen.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst bei der Zeitschrift Russkij Reporter.

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