Deutschland startet Sprachkurse für Kinder in Jekaterinburg

Das Projekt ‚Deutsch für Kinder‘ in Jekaterinburg. Foto: ekburg.tv

Das Projekt ‚Deutsch für Kinder‘ in Jekaterinburg. Foto: ekburg.tv

In Jekaterinburg können im Rahmen des Projekts ‚Deutsch für Kinder‘ schon Fünfjährige spielerisch die deutsche Sprache entdecken. Die Autorin Natalja Schwabauer schickte ihre Tochter zum Sprachunterricht – mit Erfolg.

Mit dem Kursangebot „Deutsch mit Hans Hase“ sprach das Generalkonsulat Deutschlands in Jekaterinburg speziell Kinder im Alter von fünf bis sechs Jahren an. Die vom Goethe-Institut entwickelte Methode zielt auf die Förderung der gesprochenen Sprache. Den Sprachunterricht und die Ausflüge in die deutsche Kultur gestalteten der Plüschhase Hans und Swetlana Truchina, „Lehrerin des Jahres 2009 von Jekaterinburg“ und Gewinnerin des gesamtrussischen Wettbewerbs „Bester Lehrer der deutschen Sprache 2012“. 

Das Interesse an den Kursen war so groß, dass im September vergangenen Jahres direkt drei Gruppen für insgesamt 40 Kinder zustande kamen. Nicht alle blieben zwar die neun Monate bis zum Schluss dabei, dennoch konnte sich die Zahl der kleinen Teilnehmer zu Kursende sehen lassen. Unter ihnen war meine Tochter Mascha. Sie ist sehr stolz, ihr erstes Zeugnis in ihrem Leben – und dazu mit einem echten Botschaftsstempel – in den Händen zu halten.

Um ehrlich zu sein, zweifelte ich anfangs, ob ich meine Tochter so früh in einen Sprachkurs schicken sollte. Ich hatte genügend Beispiele in meinem nächsten Umfeld, die zu zeigen schienen, dass solche Versuche zu nichts führen. Die Tochter meiner Kollegin beispielsweise ging in einen privaten Kindergarten mit Englischunterricht. Ihr Wortschatz beschränkte sich am Ende auf „jump“ und bag“.

Deutsch hat eine leichtere Aussprache als Englisch

„In diesem Alter hat es keinen Sinn, Kinder das Alphabet oder grammatische Strukturen lernen zu lassen und ihnen möglichst viele Wörter beizubringen. Viel wichtiger ist es, ein Interesse an der Fremdsprache zu wecken, um psychologische Barrieren bei der Kommunikation zu verhindern – wenn zum Beispiel das Kind mit den Eltern Urlaub im Ausland macht. Im Unterricht gewöhnen sie sich an den Klang der deutschen Sprache, sie lernen, emotional auf bestimmte Situationen zu reagieren, prägen sich ein, welche Ausdrücke in welchen Fällen passen. Schon nach wenigen Stunden können sie sich einem Ausländer richtig vorstellen und ihm erzählen, wie es ihnen geht“, sagt Swetlana Truchina.

Swetlana Truchina, Gewinnerin des

gesamtrussischen Wettbewerbs

„Bester Lehrer der deutschen Sprache

2012“.Foto: ekburg.tv

Nach Auffassung der erfahrenen Pädagogin lässt sich Deutsch von Kindern im Vorschulalter leichter durch das Hörverständnis lernen, weil im Unterschied zum Englischen seine Aussprache einfach ist. Selbst Logopäden wissen in der Regel Kurse für junge Kinder zu schätzen. Vorausgesetzt, sie haben keine ernsthaften Probleme mit ihrer Muttersprache. Im Alter von fünf bis sechs Jahren sind Kinder außerdem sehr lernfreudig und ahmen gerne nach. Es sollte natürlich alles individuell abgestimmt werden. Wenn ein Kind Mühe hat, sich eine Stunde lang zu konzentrieren und wenn es schnell müde wird, dann sollte man lieber noch ein paar Jahre warten.

Das Eintauchen in die Welt der deutschen Sprache fand einmal wöchentlich im Kinderzentrum des historischen Museums von Jekaterinburg statt. Der Unterricht war spielerisch aufgebaut. Die Kinder sangen deutsche Lieder, hörten Märchen, malten Bilder aus, unterhielten sich mit Hans Hase und seiner Familie, der Tante Rosi und dem Cousin Erik. Nach einem Einstieg mit einfacher Begrüßung konnten die kleinen Zuhörer im Frühjahr schon die Jahreszeiten aufzählen, die Grundfarben, wichtige Kleidungsstücke, Spielzeuge, Räume in einer Wohnung, einige Haustiere und wildlebende Tiere benennen sowie bis Zwölf zählen.

Fast in jeder Unterrichtsstunde geschah etwas Besonderes. Am Tag der Deutschen Einheit zum Beispiel hörten die Kinder ein Volksmusikkonzert der bayerischen Musikgruppe „d’Hammerbachtaler Blous’n“. An Ostern bemalten sie Eier. Weihnachten besuchten sie einen echten deutschen Weihnachtsmarkt, auf dem es ein kleines Bühnenstück über die Geburt Jesu zu sehen gab, und erfuhren, warum alle deutschen Kinder in der Nacht zum 6. Dezember saubere Stiefel vor die Tür stellen und ein Adventskalender 24 Türchen hat. Der Heilige Nikolaus kam auf einem von Hirschen gezogenen Schlitten angefahren und begann in seinem „goldenen Buch“ zu lesen, wer sich von den anwesenden Kindern gut oder schlecht benommen hatte. Die kleinen Racker verstummten umgehend in aufgeregter Spannung. Sollte der Nikolaus für sie kein Geschenk mitgebracht haben? Der graubärtige Alte aber blieb seinem gütigen Image treu.

Eis, Kuchen und Deutsch

 „Als wir das Projekt ‚Deutsch für Kinder‘ entwickelten, fingen wir mit der Suche nach einer geeigneten Lehrkraft an. Es stellte sich heraus, dass es für Kinder im Alter von fünf bis sechs Jahren in Jekaterinburg keine Deutschkurse gab. Private Sprachschulen richten ihre Angebote in der Regel an ältere Kinder. Wir hatten großes Glück, Swetlana Nikolajewna für unser Vorhaben gewinnen zu können. Ein großes Dankeschön hierfür auch im Namen der Eltern“, berichtet Valentina Tjukowa, Mitarbeiterin des deutschen Generalkonsulats in Jekaterinburg und Mutter der kleinen Anja, und fügt hinzu: „Während der vergangenen Monate haben unsere Kinder sehr viel gelernt. Wenn ein Kind auf die Frage: ‚Was magst Du am allermeisten auf der Welt?‘ antwortet: ‚Eis, Kuchen und Deutsch‘, dann kann vor allem die Lehrerin stolz sein.“

Das Projekt wird von deutscher Seite finanziert. Von den bereitgestellten Mitteln mietete man Räumlichkeiten und schaffte Lehrmaterial an. Die Eltern beteiligen sich nur mit einer symbolischen Summe von 4,60 Euro pro Unterrichtsstunde. Für das nächste Unterrichtsjahr sollen neue Teilnehmer gewonnen und die „alten“ aufgeteilt werden. In einer Gruppe werden diejenigen weiterlernen, die schon lesen und eine Fremdsprache nach dem Schriftbild begreifen können, in einer anderen die Kinder, die nach dem Prinzip des Hörverstehens unterrichtet werden.

„Heutzutage sollte jeder mindestens zwei Fremdsprachen beherrschen, um den Anforderungen des Arbeitsmarktes entsprechen zu können. Englisch wird natürlich am häufigsten gelernt, es ist aber nicht die einzige Sprache in der internationalen Kommunikation. Deutsch bezeichnen weltweit 193 Millionen Menschen als ihre Muttersprache. Und übrigens fällt es auf der Grundlage des Deutschen leichter, Englisch zu lernen. Die beiden Sprachen gehören ja einer gemeinsamen Sprachfamilie an“, so Truchina.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Rossijskaja Gaseta.

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