Amur-Hochwasser verursacht Schäden in Millionenhöhe

Noch immer ist das Hochwasser in der Region Amur nicht zurückgegangen und richtet weiter große Schäden an. Foto: AP

Noch immer ist das Hochwasser in der Region Amur nicht zurückgegangen und richtet weiter große Schäden an. Foto: AP

Das Wasser des Amur steigt weiter an und wird auch in den nächsten Tagen nicht sinken. Der bislang entstandene Schaden wird bereits auf etwa 750 Millionen Euro geschätzt.

Der Schaden durch das ungewöhnlich starke und andauernde Hochwasser im Fernen Osten Russlands wird auf 750 Millionen Euro geschätzt. Aber das ist lediglich ein vorläufiger Wert, denn die Naturgewalten sind noch nicht zur Ruhe gekommen. Die einheimischen Bewohner, die schon den zweiten Monat den Kampf gegen das ‚große Wasser' führen, vergleichen die Katastrophe bereits mit der biblischen Sintflut. Fast 30 000 Personen wurden umquartiert, 3 000 wurden in Krankenhäuser eingewiesen, meist wegen kleinerer Verletzungen und Stress. In Chabarowsk erfolgt die Evakuation der gefluteten Häuser. Hydrologen prognostizieren, dass das Wasser bis Donnerstag auf bis zu 8,30 Meter ansteigen wird.

 

Der einsetzende Winter wird zur Belastungsprobe

Im Mittellauf sinkt der Pegel des Amurs bereits wieder: an manchen Stellen um fünf Zentimeter pro Tag, an manchen sogar um einen halben Meter. Ende September wird in der Region Primorje die Frostperiode einsetzen und dann werden Tausende Häuser nicht mehr bewohnbar sein.

„Wir leben bereits seit fast einem Monat aus dem Koffer. Das Wasser steht uns im Haus bis zu den Hüften, sodass man sich dort überhaupt nicht mehr aufhalten kann: Es riecht nach Moder, überall hat sich Schimmel gebildet", klagt Marina Maslowa aus dem Dorf Wladimirowka. „Wir haben heute einen Antrag auf einen Platz im Wohnheim gestellt und hoffen, bald wieder in unsere Wohnung zurückkehren zu können."

Zum Winterbeginn werden die Menschen in Kliniken und Kasernen untergebracht. Die Häuser, die wieder aufgebaut werden können, werden mit Heizkanonen getrocknet. Dreihundert solcher Heizgeräte wurden bereits aus dem Notfallfonds der Regierung zur Verfügung gestellt, 2 000 weitere wurden bestellt. Diese Geräte haben einen enormen Energieverbrauch, und die örtlichen Behörden haben eine außerordentliche Entscheidung getroffen: Die vom Hochwasser betroffenen Amurbewohner müssen für den Strom nur zwei Drittel des Preises bezahlen.

 

Auch China ist betroffen

Hilfe für ihre Nachbarn hat auch die Regierung der chinesischen Provinz Heilongjiang angeboten, aber die Russen haben von dem Angebot bisher noch keinen Gebrauch gemacht. Diese Region Chinas befindet sich ebenfalls im Katastrophengebiet: Vom Hochwasser und Hagel im Sommer waren 4,5 Millionen Menschen betroffen, der unmittelbare wirtschaftliche Schaden beträgt rund eine Milliarde Euro. Im Zolllager in der Stadt Heihe haben sich zwölf Tonnen Warensendungen für das Ausland angehäuft, da das Frachtterminal vom Hochwasser des Amurs geflutet wurde. Aber inzwischen hat sich der Flusspegel gesenkt, und am 29. August fuhren schon wieder die ersten zwei Lastkähne auf dem Fluss. Sie haben technische Geräte und drei Tonnen Post auf die russische Seite transportiert.

Währenddessen steigt im Jüdischen Autonomen Bezirk und in der Region Chabarowsk das Wasser des Flusses auch weiterhin auf einer Länge von etwa 1 000 Kilometern.

 

Chabarowsk trifft es am Schlimmsten

In Chabarowsk hat der Flusspegel bereits eine Marke von acht Metern erreicht. Normalerweise beträgt er zu dieser Jahreszeit 4,50 Meter. Die Einwohner, Rettungskräfte und Hilfstruppen der Armee haben bereits einen 18 Kilometer langen Damm errichtet und bauen diesen noch weiter aus. Sie hoffen, dass sie dem außer Rand und Band geratenen Amur zuvorkommen.

Der auf Inseln gelegene Teil der Stadt wird ironisch bereits ‚Venedig des Fernen Ostens' genannt: Die Straßen haben sich in Kanäle mit trübem Wasser verwandelt. Der Gouverneur ruft die Bewohner persönlich dazu auf,

die Gefahrenzone zu verlassen. Aber mehr als hundert Inselbewohner harren trotzig in ihren Häusern aus. Sie haben sich mit Grieß, Zucker und Nudeln eingedeckt. Die Rettungskräfte versorgen die Menschen per Boot mit Brot und Wasser. In den Hochhäusern haben sich eigentümliche Wohngemeinschaften gebildet: Die Bewohner der oberen Etagen quartieren ihre Nachbarn aus den unteren Etagen in freistehenden Zimmern ihrer Wohnungen ein.

Der Rentner Wladimir Nikolajewitsch ist mittlerweile eine Art Attraktion. Schon mehrere Tage fastet er und betet für ein Ende der Katastrophe. Er sagt, man müsse die Prüfung durch höhere Gewalten mit Demut annehmen. Wenn sich die Rettungskräfte in der Nähe befinden, betet er mit spürbarem Vergnügen auf dem Dach seines Hauses.

 

Putin besucht die Katastrophenregion

Die Evakuierung begann in Komsomolsk, dem Herzen des fernöstlichen Industriereviers. Hier werden normalerweise Atom-U-Boote, Militär- und Passagierflugzeuge für den Mittelstreckenbereich gebaut. Aber gegenwärtig baut man in der Stadt einen Damm.

Der Präsident Russlands besuchte die betroffenen Regionen: Er nahm vom Hubschrauber aus das scheinbar grenzenlose Überschwemmungsgebiet in Augenschein und unterhielt sich mit der einheimischen Bevölkerung. „Mit einer Katastrophe solchen Ausmaßes haben wir es bisher noch nicht zu tun gehabt", bemerkte Wladimir Putin. Er wies den Ermittlungsausschuss an zu überprüfen, ob das Vorgehen der Beamten während des Hochwassers den

Gesetzen und Vorschriften entsprach. Zwanzig Einwohner wurden in Notunterkünften besucht. Um die freie Fahrt der Wagenkolonne des Präsidenten zu gewährleisten, wurde eine der drei Hauptverkehrsstraßen der Stadt für den öffentlichen Verkehr gesperrt. Eine andere hatte bereits der Amur weggespült. Am Ende lag nahezu die Hälfte des 600 000 Einwohner zählenden Chabarowsks im verkehrstechnischen Koma.

 

Nach dem Besuch des Staatsoberhauptes im Hochwassergebiet musste Viktor Ischajew, Generalbevollmächtigter des Präsidenten für den Föderationsdistrikt Ferner Osten und Minister für die Entwicklung des Fernen Osten, seinen Hut nehmen. Den Posten des Generalbevollmächtigten des Präsidenten übernahm Jurij Trutnjew. Wem das Ministerium anvertraut werden wird, muss die Regierung der Russischen Föderation erst noch entscheiden. Offiziell wurde mitgeteilt, dass die Personalentscheidung absolut nichts mit dem Hochwasser zu tun gehabt habe und der Entschluss zu Ischajew bereits vor einem Monat gefällt worden sei.

 

Staubecken beeinflussen den Pegelstand

Laut Prognosen soll das Hochwasser seinen Höchststand an der Mündung des Amur in etwa 15 bis 20 Tagen erreichen. Der Pegel des Flusses wird sich voraussichtlich erst in einigen Wochen normalisieren.

„Das Klima verändert sich, und zwar sehr stark. Der enorme Einfluss auf die

Umwelt wirkt sich auf die globale Erwärmung und die wirtschaftliche Tätigkeit der Menschen aus. Dazu gehören auch der Bau von Wasserkraftwerken und Waldbrände. Die Staubecken sammeln zu Sommerbeginn große Wassermassen an. Wenn dann der Pegel entsprechend angestiegen ist, ergießt sich die Wasserflut aus dem Staubecken in den Fluss", erläutert Boris Woronow, Direktor des Instituts für Probleme der Wasserwirtschaft und Ökologie an der Russischen Akademie der Wissenschaften. „Die Staubecken entleeren sich nicht nur auf russischer Seite. China verfügt ebenso über Wasserkraftwerke und hat einen erheblichen Einfluss auf den Pegelstand des Amur."

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