Autofahren in Russland: Werden die Straßen sicherer?

In Russland wurden zu Beginn des Monats die Strafen für Verkehrsverstöße drastisch erhöht. Foto: ITAR-TASS

In Russland wurden zu Beginn des Monats die Strafen für Verkehrsverstöße drastisch erhöht. Foto: ITAR-TASS

Die Strafen für Verkehrsverstöße sind deutlich erhöht worden. Während die Straßenverkehrsbehörde auf sicherere Straßen hofft, bezweifeln Experten die Wirksamkeit der Reform.

Seit dem 1. September gelten neue Strafen für Autofahrer. Das Strafmaß wurde für 46 Verstöße geändert, darunter Geschwindigkeitsüberschreitung, Überfahren einer roten Ampel, Trunkenheit am Steuer und Befahren des Seitenstreifens. Die Höchststrafe wurde um das Zehnfache erhöht und beläuft sich nun auf 1 460 Euro. So umfassend wurden die Straßenverkehrsregeln noch nie geändert. Bei der russischen Straßenverkehrsbehörde glaubt man, dass sich die Änderungen positiv auf die Fahrkultur auswirken werden. Experten sind allerdings überzeugt, dass hohe Strafen den aggressiven Fahrstil nicht beeinflussen werden.

 

Höhere Strafen sollen Verkehr sicherer machen

Die in Kraft getretenen Änderungen im Ordnungswidrigkeitengesetz (KoAP) zielen auf mehrere Bereiche ab. Zum einen wird die Verantwortlichkeit bei 46 Rechtsverstößen deutlich erhöht. Es werden auch neue Rechtsverstöße festgelegt, zum Beispiel ein Strafmaß für Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 80 Stundenkilometern. Die Mindeststrafe für Autofahrer liegt jetzt nicht mehr bei rund drei Euro, sondern 15 Euro, die Höchststrafe bei 1 460 statt 146 Euro, schreibt die Zeitung Kommersant.

Die Strafe erhöht sich bei einer Wiederholung des Verstoßes innerhalb eines Jahres nach der Begleichung der Strafe. Die Höchststrafe von 1 460 Euro (einschließlich Führerscheinentzug) wird für wiederholte Trunkenheit am Steuer verhängt. Außerdem kann jetzt ein Führerscheinentzug mit einem Bußgeld einhergehen. Das war bisher ausgeschlossen.

 

Experten bezweifeln die Wirksamkeit der Reform

Wie Wladimir Kusin, stellvertretender Leiter der russischen Straßenverkehrsbehörde, erklärte, ist je nach statistischem Erfolg der neuen Regelung auch eine weitere Strafverschärfung möglich. Die Mitarbeiter des Straßendienstes hoffen aber, dass die Autofahrer disziplinierter werden und die Zahl der Unfälle sinkt.

Experten bezweifeln das jedoch stark. Der Präsident des Kollegiums für den Rechtsschutz von Autobesitzern, Viktor Trawin, ist überzeugt, dass die Anzahl der Verstöße nicht von den erhobenen Strafen abhängig sei. „In den letzten Jahren wurden die Strafen immer wieder erhöht, aber es gibt nach wie vor Verstöße. Unsere Autofahrer leben in völlig anderen Verhältnissen als in Europa. Wir sind ständig in Eile, müssen eine Unmenge an Alltagsproblemen bewältigen und keiner schaut mal zur Seite. Niemand fährt nur aus Spaß Auto. Die Leute verbringen viel Zeit im Stau und versuchen, die verlorene Zeit durch Geschwindigkeitsübertretungen zu kompensieren", erklärt der Fachmann.

Er glaubt, dass es allen Russen, nicht nur den Autofahrern, an Gesetzestreue mangele. „Wir sind kein besonders gesetzestreues Volk. So zahlen wir zum Beispiel nicht immer Steuern für vermietete Wohnungen

oder Geschenke. Psychologen bestätigen, dass sich Straferhöhungen nur im ersten Jahr auf die Gesetztestreue auswirken, aber danach tritt ein Gewöhnungs- oder Anpassungseffekt ein", meint Trawin. „Wir müssen unbedingt die allgemeinen Umgangsformen und den Respekt vor dem Gesetz verbessern. Aber solange es Korruption gibt und Beamte, die keine Achtung vor dem Gesetz haben, wird sich die Bevölkerung auch unkorrekt verhalten."

Darin stimmt Michail Wonogradow, der Leiter des Zentrums für rechtliche und psychologische Hilfe in Extremsituationen, überein. Er meint, dass die Verbesserung der Fahrkultur auf den Straßen pädagogische Arbeit erfordere und man bereits in den Fahrschulen Verhaltensregeln im Straßenverkehr unterrichten müsse. „In meiner Praxis gab es einen Fall, als einer jungen Frau plötzlich das Auto auf der Straße liegenblieb. Sie brauchte Hilfe, um das Auto auf den Seitenstreifen zu rollen. Ein junger Mann zeigte sich hilfsbereit und brachte dadurch die anderen Verkehrsteilnehmer in Schwierigkeiten. Einer davon, den er behinderte, stieg aus dem Auto und begann eine Schlägerei mit dem Helfer. Diese permanente Aggression, Rohheit und Respektlosigkeit ist typisch für Autofahrer", meint der Psychiater. Winogradow ist überzeugt, dass eine psychologische Unterweisung für eine bessere Fahrschulung sorgen könne.

 

Russlands Straßen werden gefährlicher

Nach einer offiziellen Statistik der Straßenverkehrsbehörde betrug die Zahl

der Verkehrsdelikte im vergangenen Jahr fast 43 Millionen – 1,4 Prozentpunkte höher als 2011. Der Gesamtanstieg geht auf das Konto der Autofahrer und Fahrgäste, während die Fußgänger sich umgekehrt disziplinierter zeigten.

2012 ereigneten sich in Russland ungefähr 200 000 Verkehrsunfälle, bei denen fast 28 000 Menschen starben und 250 000 verletzt wurden. Bereits 2010 errechneten die Experten, dass sich 85 Prozent der Unfälle in Russland aufgrund von Verkehrsverstößen ereignen, davon ein Viertel wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen. Fußgänger sind nur in 20 Prozent der Fälle verantwortlich.

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