Russlandbild: Wer beeinflusst die Deutschen?

Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion "Russlandbild der Deutschen - Unwissenheit oder Medienprägung?" stimmten überein, dass insbesondere die Medien das Russlandbild der Deutschen forme. Foto: Sven Wolter

Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion "Russlandbild der Deutschen - Unwissenheit oder Medienprägung?" stimmten überein, dass insbesondere die Medien das Russlandbild der Deutschen forme. Foto: Sven Wolter

Glaubt man den Meinungsumfragen, so verlieren die Russen bei den Deutschen an Sympathie. Über mögliche Gründe und Lösungsansätze diskutierten am 13. September in Berlin Experten und ein sachkundiges Publikum.

Eine vor kurzem veröffentlichte Studie des Medienunternehmens Bertelsmann kam zu dem alarmierenden Ergebnis, dass nur noch etwa 15 % der Deutschen die Russen sympathisch finden. Noch vor sieben Jahren lag diese Zahl laut einer Forsa-Umfrage bei etwa 30 % Prozent. Vor fünf Jahren kamen die Meinungsforscher vom Allensbach-Institut auf immerhin noch 25 %. Mögliche Erklärungen für diese Entwicklung und Lösungsansätze diskutierten am vergangenen Freitag in Berlin auf einer Podiumsdiskussion unter dem Titel „Russlandbild der Deutschen – Unwissenheit oder Medienprägung?" Medienleute und Wissenschaftler mit fast 150 Gästen.

Die Redner der Veranstaltung nannten eine Vielfalt von Gründen für das Russlandbild der Deutschen. Einig waren sie sich darin, dass es im Wesentlichen von den Medien geformt werde, denn die Zahl der Deutschen, die Russland persönlich kennen sei im Vergleich zu denen, die Westeuropa oder die USA kennen, verschwindend gering.

Dr. Johannes Grotzky, Hörfunkdirektor des Bayerischen Rundfunks und ehemaliger ARD-Korrespondent in Moskau, beschrieb zunächst in sehr persönlichen Erinnerungen an Schulzeit und Studium in Hamburg und München die Schwierigkeiten, sich in der Zeit des Kalten Krieges eine ausgewogene Meinung zu Russland zu erarbeiten. Bis heute hätten viel zu wenig Deutsche ein auf eigenen Erfahrungen begründetes Russlandbild. Es werde bis heute oft eher durch die Kriegserfahrungen der Eltern und Lehrer geprägt. Einige sähen Russland immer noch als Bedrohung. Anhand der aktuellen außenpolitischen Entwicklungen rund um Syrien stellte Grotzky dar, wie schnell jedoch sich aus seiner Sicht das durch die Medien vermittelte Bild eines Landes wenden könne. In der Syrienfrage würde Russland aktuell weit besser wegkommen als die USA.

Dr. Vladislav Belov, Direktor des Zentrums für Deutschlandforschungen am Europa-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften, beklagte die Vielzahl an Klischees und Stereotypen, die über sein Land in Umlauf seien. Auch sei die deutsche Berichterstattung zu einseitig auf die Person von Präsident Putin ausgerichtet und von Schlagzeilen wie „Putins kalter Krieg" oder „Putins altes neues Feindbild" geprägt. Belov bemängelte die zuweilen zu beobachtenden geringen Kenntnisse zu Russland unter den Journalisten und kritisierte die Streichung von Redakteursstellen bzw. die Schließung ganzer Büros in Moskau. Es fehle am Willen zu wirklicher Analyse und an professioneller Verantwortung. Die Diskussion zu Russland in den Medien aber auch in Politik und Gesellschaft sei oft von Emotionen und nicht von wirklichem Sachverstand geprägt.

 

Wege aus der Sackgasse

Dr. Henning von Löwis of Menar, Fachjournalist für internationale Beziehungen, stellte anhand von 13 Thesen die Behauptung auf, dass Präsident Putin zu Unrecht in den deutschen Medien zum Prügelknaben gemacht werde. Zu oft würde in der Beurteilung des russischen Präsidenten im Vergleich zu anderen Politkern zweierlei Maß angewandt. Von Löwis warb dafür, sich stärker mit den Hintergründen bestimmter russischer Positionen zu befassen und Russland mehr Zeit für seine Entwicklung zu geben.

Sergej Sumlenny, Deutschlandkorrespondent der russischen Mediaholding Expert, setzte sich mit unterschiedlichen Wertvorstellungen in Deutschland und Russland auseinander und verwies anhand des jüngsten russischen Gesetzes über das Verbot der Propaganda von Homosexualität unter Minderjährigen darauf, dass es teilweise erhebliche Diskrepanzen gebe. Dieser Zustand hätte beide Seiten in eine Sackgasse geführt. Nach Meinung Sumlennys sei nicht nur das Russlandbild in Deutschland sondern auch das Deutschlandbild in den russischen Medien zu schwarz gemalt.

Bei der Diskussion zu den Lösungsansätzen waren sich Experten und Publikum darin einig, dass sowohl auf deutscher als auch auf russischer Seite Handlungsbedarf besteht. Dr. Grotzky forderte als Beitrag zu einem besseren Russlandbild mehr individuelle Rechtsfreiheit in Russland und einen offeneren und besseren Zugang der Medien zu den Funktionsträgern.

V.l.n.r.: Dr. Johannes Grotzky, Hörfunkdirektor des Bayerischen Rundfunks und ehemaliger ARD-Korrespondent in Moskau, Moderator Oleg Zinkovski, Dr. Vladislav Belov, Direktor des Zentrums für Deutschlandforschungen am Europa-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften, Andreas Förster, Go East Generationen e.V., Marita Müller, Petersburger Dialog e.V., Dr. Henning Löwis of Menar, Journalist, und Sergej Sumlenny, Deutschlandkorrespondent der russischen Mediaholding Expert.  Foto: Russland HEUTE

Dr. Belov sprach sich dafür aus, endlich die Visafreiheit einzuführen. Wenn die EU und Deutschland an einem echten Wertetransfer interessiert seien, hätten sie, so Belov, längst die Visapflicht abgeschafft. Sumlenny stimmte dem zu und sagte, dass Visafreiheit Ängste nehmen und zu einem allgemeinen Aggressionsabbau führen könnte.

Die Medien, so war der allgemeine Konsens, sollten sich ihre kritische Distanz bewahren, aber differenzierter, mannigfaltiger und vielschichtiger

berichten. Die russischen Regionen müssten, so von Löwis, viel öfter zu Wort kommen. Die gegenwärtige Moskau-Zentrierung würde das Russlandbild verzerren. Es mangele nicht an positiven Themen. Sendezeit und Programmacher würden einer ausgewogeneren Berichterstattung gelegentlich im Wege stehen. Der russischen Seite wurde empfohlen, mehr Pressereisen für Journalisten, die Russland noch nicht kennen, zu initiieren.

Organisatoren der Veranstaltung waren der Verein Go East Generationen, ein Zusammenschluss von in Deutschland lebenden Absolventen russischer und sowjetischer Hochschulen, der Petersburger Dialog sowie das Russische Haus der Wissenschaft und Kultur in Berlin. Moderiert wurde die Diskussion von Oleg Zinkovski, Leiter der russischen Hörfunkredaktion beim Rundfunk Berlin Brandenburg.

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