Moskau lernt laufen

Während der Gorki-Park ähnlich gute Bedingungen biete wie vergleichbare Parks in großen westeuropäischen Städten, seien andere Parks weit weniger sicher und komfortabel. Foto: AP

Während der Gorki-Park ähnlich gute Bedingungen biete wie vergleichbare Parks in großen westeuropäischen Städten, seien andere Parks weit weniger sicher und komfortabel. Foto: AP

Moskau hat noch einiges zu tun auf dem Weg zu einer sportfreundlichen Stadt. Dem Einsatz der Stadt und den Organisatoren von großen Laufveranstaltungen ist es jedoch zu verdanken, dass das Laufen schrittweise immer beliebter wird.

„Die Popularität des Laufens nimmt ganz deutlich zu", sagt Iwan Wladimirow, ein Lauf-Enthusiast seit fast 40 Jahren. „Diese Entwicklung folgt globalen Trends, zeugt aber auch von einer stabilen Entwicklung unserer Gesellschaft."

Rodion, Mitglied des Lauf-Clubs Senesch aus Moskau meint: „Immer mehr Leute fangen an zu laufen." In der Szene nutzt er seinen Spitznamen Los („Elch") anstelle eines Familiennamens, denn Familiennamen seien nichts für die Welt des Laufens. Sie stelle vielmehr ein Refugium für die Flucht aus dem Alltag dar.

Die ersten Lauf-Clubs in der russischen Hauptstadt, etwa der Verein Fakel, wurden in den 1970er-Jahren gegründet. Ihre Mitgliederzahlen allerdings waren bescheiden, Läufer wirkten auf Moskaus Straßen und in seinen Parks sehr deplatziert. Der Fall des Kommunismus in den frühen 1990er-Jahren und das darauffolgende ökonomische Chaos förderten die Beliebtheit des Laufens nicht gerade. Dies ändert sich jedoch seit dem Jahrtausendwechsel, da nun mehr Aufwand in die Pflege der Grünanlagen gesteckt wird und auch gerade junge Russen die Idee eines gesunden Lebensstils immer öfter aufgreifen.

Laufsport nimmt immer größeren Stellenwert in der Freizeit ein

„Fast überall in der Stadt hat man in der Nähe einen Park, der groß genug ist zum Laufen", sagt Wladimirow. „Und in den letzten Jahren sind die Parks vor allem auch ansprechender geworden." Obwohl im Gorki-Park immer noch deutlich weniger Jogger anzutreffen sind als etwa im New Yorker Central Park, so könne doch von einem stetigen Aufwärtstrend gesprochen werden. „Immer mehr Menschen fangen an zu laufen", sagt Alexandra Bojarskaja, Vorsitzende des Lauf-Clubs Nike Plus am Gorki-Park. Für viele sei das Laufen wie Yoga oder Fahrradfahren Teil einer sportlichen und gesunden Lebensweise, die immer mehr im Kommen sei. Manche wollten einfach etwas Neues ausprobieren und blieben dann dabei.

„Das Laufen ist eine Möglichkeit der Freizeitgestaltung unter vielen, man hat die Wahl", sagt Bojarskaja. „Du kannst ein Eis essen, eine Fahrradtour

machen oder eben laufen." Unter den vielen Tausend Lauffreudigen, die an den Trainingseinheiten ihres Clubs im vergangenen Sommer teilnahmen, seien Vertreter sämtlicher Altersgruppen gewesen, so Bojarskaja. Die Mehrzahl aber bildeten junge Leute zwischen 17 und 27 Jahren, auch die Expatriates in der Hauptstadt beteiligten sich zahlreich.

Ein wichtiger Aspekt, der das Laufen attraktiver macht, ist das Engagement großer Sportartikelhersteller. Für diese stellt es einen Lebensstil dar, der über den bloßen Sport hinausgeht. Nike beispielsweise unterstützte 2011 eine Reihe von Volksläufen. Das allgemein wachsende Interesse am Laufen schlägt sich in einer Vielzahl neuer Lauftreffs in allen Moskauer Bezirken nieder, die sich nun neben den alten aus sowjetischen Zeiten etablieren.

Gegenwärtig gibt es in Moskau über ein Dutzend solcher Clubs. Viele der Freizeitsportler möchten aber nur Kenntnisse über das Laufen sowie die Vorbereitung erwerben, ohne ständig mit den anderen Mitgliedern zu trainieren. Einer der Vorteile des Laufens ist es schließlich, dass es auch alleine möglich ist.

 

Moskau veranstaltet eigenen Marathon

In diesem Sommer war auch der Laufkalender für Moskau entsprechend gefüllt. Fast jedes Wochenende bot sich die Möglichkeit, an einer solchen Veranstaltung teilzunehmen. Die Organisatoren des Moskau Marathons stellten eine Reihe von Läufen über fünf und zehn Kilometer auf die Beine.

Hierbei wurde auch einiges geboten: So gab es beispielsweise einen

Nachtlauf am 22. Juni, dem Tag der Sommersonnenwende und somit der kürzesten Nacht des Jahres. Auch ein durch das indische Holi, das Fest der Farben, inspirierter Color Run (der Farbige Lauf) führte Ende August durch die Stadt – inklusive mit Farbbeuteln ausgestatteter Zuschauer an jeder Kilometermarke. All das diente der sorgsam inszenierten Hinführung zum läuferischen Höhepunkt des Jahres in Moskau: der ersten Auflage des Moskau-Marathons am 15. September. Hier absolvierten fast 2 400 Läufer aus aller Welt die kompletten 42,195 Kilometer durch die Moskauer Innenstadt.

 

Noch liegen einige Hindernisse vor den Joggern

Moskauer Jogger jedoch sähen sich immer noch vor manche Herausforderungen gestellt, wie Rodion berichtet. Während der Gorki-Park ähnlich gute Bedingungen biete wie vergleichbare Parks in großen westeuropäischen Städten, seien andere Parks weit weniger sicher und komfortabel. Straßenhunde in Verbindung mit den maroden Wegen

innerhalb der Parks würden in Moskau als großes Problem wahrgenommen – sofern die mangelhafte Straßenbeleuchtung es zulasse.

Dem stimmt auch Bojarskaja zu: „Die Stadt bietet wenig Komfort für Läufer, so wie sie im Allgemeinen wenig Lebensqualität bietet." Viele Menschen, vor allem Frauen, fühlten sich in Parks nicht sicher, seien auf der Straße dem aggressiven Fahrstil der Autofahrer ausgesetzt, die Gehsteige seien zudem einen Großteil des Jahres vereist. Einen Vorteil aber biete die Größe der russischen Metropole. Auf jene, die den widrigen Umständen trotzen, wartet eine Vielzahl an möglichen Strecken durch die Stadt. „Manch einer klagt, Laufen sei ein langweiliger Sport. In Moskau aber findet man immer eine neue Route", verspricht Bojarskaja. 

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