Die russische Regierung plant eine gesetzesmäßige Überwachung der gesamten russischen Internet- und Telekommunikation. Foto: RIA Novosti
Russlands Telekommunikationsministerium hat den Entwurf einer Verordnung vorgelegt, die Internetprovider ab Juli 2014 zwingen will, Abhörausrüstung zu installieren, um den Föderalen Sicherheitsdienst (FSB), den Geheimdienst des Landes, Zugang zum gesamten Serververkehr zu ermöglichen. Das berichtete die Zeitung Kommersant Daily am vergangenen Montag.
Russische Internetnutzer äußerten ihre Besorgnis über die Initiative des Ministeriums, da sie fürchten, dass es zu einer allgegenwärtigen Überwachung durch die Regierung kommen könnte. Experten sehen jedoch keinen Grund zur Panik, weil die russischen Internetprovider bereits gefordert hätten, dass diese Ausrüstung zuvor lizenziert werden müsse. Nach dem gegenwärtigen Gesetz wird von den Mitarbeitern der Internet- und Telekommunikationsbranche verlangt, dem Sicherheitsdienst Auskunft über die Telefonnummern ihrer Kunden und deren Standort zu geben, doch sie sind nicht verpflichtet, diese Daten zu speichern.
„Zusätzliche Sicherheit" – Proteste bleiben ungehört
Laut der Zeitung hat der russische Telekommunikationsgigant VimpelCom, dem unter anderen die Marke Beeline gehört, einen Beschwerdebrief an das Ministerium, das als Regulierungsbehörde auftritt, gesandt. In dem Schreiben mahnt das Unternehmen, das Dokument verletze die Datenschutzbestimmung der Verfassung. Diese legt fest, dass kein Brief, Telefongespräch oder sonst eine Form der Telekommunikation ohne Gerichtsbeschluss überwacht werden kann.
Der Gesetzesentwurf des Telekommunikationsministeriums will alle Internetprovider zum 1. Juli 2014 verpflichten, die Aufzeichnungsausrüstung, die dem FSB einen direkten Zugriff auf den Internetverkehr zur Verfügung stellen würde, zu kaufen und zu installieren. Geht es nach der Gesetzesvorlage, fallen in Zukunft die Kontonamen aller Benutzer von E-Mail-Konten bei Gmail, Yahoo und Yandex sowie die IP-Adressen, Telefonnummern und der gegenwärtige Aufenthaltsort der Benutzer von Skype, Google Voice und anderen VoIP-Diensten unter die Aufsicht durch die Behörden.
Dieser Schritt erfolgte nur wenige Tage nach Veröffentlichung eines Änderungsvorschlags der russischen Regierung, der den FSB im Falle von
Hacker-Angriffen, die „die Informationssicherheit des Landes gefährden", zu Ermittlungen berechtigen würde. Nachdem die Nachricht Schlagzeilen gemacht hatte, versuchte das Telekommunikationsministerium, die aufgebrachten russischen Internetnutzer zu beruhigen. „Das System stellt keine Bedrohung für die gesetzestreuen Bürger dar, es bringt nur zusätzliche Sicherheit", hieß es in einer Stellungnahme der Behörde.
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte einmal die Datenüberwachung als zulässige Maßnahme bezeichnet, wenn sie im Rahmen des Gesetzes erfolge. Die Überwachung würde sich „im Zusammenhang mit der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu einer globalen Erscheinung" entwickeln. In Russland sei es „nicht ohne Weiteres möglich, sich ohne eine richterliche Anordnung in Telefongespräche einzuklinken", beschwichtigte der Präsident damals.
Russlands PRISM heißt SORM
Der russische Technologie-Experte Eldar Murtasin sagte, dass die russischen Geheimdienste bereits seit 2008 Zugang zur Internetkommunikation des Landes hätten. Damals wurde die obligatorische Verknüpfung der Datenströme von den Servern mit dem operativen und investigativen System des russischen Geheimdienstes eingerichtet.
„Jetzt erweitert der FSB einfach das vorhandene System in Zusammenarbeit mit Russlands Telekommunikationsministerium. Und während das Informationsvolumen exponentiell anwächst, können die FSB-Server das Datenaufkommen nicht mehr bewältigen", so der Experte in seinem persönlichen Blog.
Deshalb sollen die Telekommunikationsunternehmen alle Daten für die Dauer von zwölf Stunden speichern, damit sie bei Bedarf später übermittelt werden können. „Sie wollen mit dem weitermachen, was sie bisher getan haben und ihre alltägliche Arbeit zum Geschäft machen", fügte Murtasin hinzu.
Andrej Soldatow, Verfasser mehrerer Bücher über die russischen Geheimdienste, erklärte, dass das russische Überwachungssystem weiter entwickelt sei als das System PRISM der NSA. „Seine Aktivitäten haben in der letzten Zeit massiv zugenommen, was seine Ursache zum Teil in den Protestaktionen der Moskauer Opposition (...) und in der veränderten politischen Situation hat", erzählte er gegenüber der Zeitung Moskowskije Nowosti.
Laut Soldatow wurde das als SORM (die russische Abkürzung für die etwas sperrige Bezeichnung „System technischer Mittel zur Absicherung der Ermittlungsarbeit") bekannte Überwachungssystem ursprünglich vom Vorgänger des FSB, dem KGB, Mitte der Achtzigerjahre entwickelt, um den Telefonverkehr zu überwachen. Später hat es sich in drei Richtungen weiterentwickelt: SORM-1 überwacht den Internetverkehr, SORM-2
zeichnet die Internetkommunikation auf, während SORM-3 Informationen aus allen möglichen Kommunikationsmedien sammelt.
Das Grundprinzip des Systems ist äußert einfach: Nach Erwirken einer richterlichen Anordnung kann der FSB einen Internetprovider anweisen, eine SORM-Vorrichtung zu kaufen, zu installieren und den Betrieb in seinen Netzen aufrechtzuerhalten.
Nach dem gegenwärtig geltenden Gesetz muss der FSB nicht offenlegen, wer warum überwacht wurde, und ist noch nicht einmal gezwungen, dem Provider eine richterliche Anordnung vorzulegen. In den Vereinigten Staaten dagegen kann die Regierung die Serviceprovider, die als Zwischenstation agieren, nicht einfach übergehen.
Der Sachexperte in diesen Dingen, Edward Snowden, war für eine Stellungnahme übrigens nicht verfügbar.
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