Der Kapitän von "Arctic Sunrise" Peter Willcox: "Ich hatte die besten Zellengenossen in Sankt Petersburg". Foto: AFP/East News
Am Freitag hat Greenpeace ein informelles Treffen in Sankt Petersburg veranstaltet, bei dem Besatzungsmitglieder des Eisbrechers Arctic Sunrise Vorträge hielten. Zurzeit leben die Aktivisten in einem Sankt Petersburger Hotel im Zentrum der Stadt. Manche kommunizieren mit ihren Familien, manche besuchen Museen, viele arbeiten weiter für Greenpeace und halten den Kontakt zu Kollegen aufrecht, erarbeiten neue Projekte, Programme und Strategien für den Kampf gegen Unternehmen, die die Umwelt verschmutzen. Fast jeden Tag gehen sie zu den Untersuchungsermittlungen in die Verwaltung des Ermittlungskomitees der Russischen Föderation (SK). Was dort geschieht, erzählen sie nicht im Detail, da sie der Verschwiegenheit verpflichtet sind.
Der Aufenthaltsstatus lässt die Aktivisten im Ungewissen
Viele Aktivisten haben ihre Familien und Freunde schon lange nicht mehr gesehen, da diese bislang kein russisches Visum erhalten haben. Die Ehefrau und Tochter von Kapitän Peter Willcox befinden sich in den USA und bereiten derzeit den Antrag für das Visum vor. „Wahrscheinlich wird es ein langer Prozess werden", sagte Willcox traurig. „Dem Greenpeace-Chef Kumi Naidoo wurde schon eine Absage für ein Visum erteilt, momentan beantragt er es ein zweites Mal."
Ähnliche Probleme hat der britische Journalist Kieron Bryan. Seine Familie versucht schon seit drei Wochen, ein Visum zu bekommen, obwohl dieser Prozess normalerweise nur einen Tag beansprucht. „Ich weiß nicht genau, was vor sich geht, aber ich hoffe, dass sie nächste Woche kommen können", sagte Kieron.
Mehr Glück hatten die Aktivisten aus Ländern, die Visumsfreiheit für die Einreise nach Russland haben. Die Ehefrau und das Kind von Steuermann Miguel Hernan Orsi kamen vergangene Woche Freitag nach Sankt Petersburg. Sie hätten ihm Matetee mitgebracht, ohne den Orsi es in der Untersuchungshaft sehr schwer gehabt habe. „Ich hoffe sehr, dass andere Familien auch kommen können. Wir haben keine Sicherheit, sondern nur die Hoffnung, dass wir nach Hause zurückkehren können", sagte Orsi.
Laut Aussage des Greenpeace-Anwalts Anton Beneslawskij wisse momentan niemand, ob die Umweltschützer in näherer Zukunft nach Hause zurückkehren dürfen oder ob sie in Sankt Petersburger Hotels auf das Urteil warten müssen. Die Aktivisten wurden ohne Ausreisedokumente nach Russland gebracht. Momentan halten sie sich offiziell illegal in Russland auf, wobei sie nicht als Illegale angesehen werden. Für den Moment hat der Migrationsdienst den Mitgliedern von Greenpeace eine temporäre Registrierung in Sankt Petersburg erteilt. Offiziell gibt es keine
Überwachung der Aktivisten. Doch das Land können sie derzeit trotzdem nicht verlassen: Es ist durchaus möglich, dass sie an der Grenze angehalten und für Flüchtlinge gehalten werden.
Alles hängt davon ab, wie die Untersuchungskommission die Geschehnisse auslegen wird. „Das Problem betrifft die Gesetzgebung und die Menschen, die diese ausführen", sagte Beneslawskij. „Der Begriff ‚Gewähr' ist für Russland neu. Er wurde vom Westen übernommen und ist daher nicht sonderlich gut im Gesetz beschrieben. Der Gesetzgeber sollte verstehen, dass es in seinem eigenen Interesse ist, Menschen nicht länger für ihre Ideale zu verfolgen. Doch solange die Ermittler nicht klar sagen, was erlaubt ist und was nicht, handeln wir sehr vorsichtig. Denn niemand kann vorhersehen, was ihnen in den Kopf kommt."
Die russischen Mitgefangenen machten die Haft erträglich
Innerhalb kürzester Zeit haben die Umweltschützer russische Wörter gelernt, die sie oft in der Untersuchungshaft hörten. Größtenteils sind es Jargon-Ausdrücke, die von Häftlingen benutzt werden. Doch da sie keine englischsprachigen Gesprächspartner hatten, wussten sie nicht, was außerhalb der Gefängnismauern passierte. Dennoch entwickelten sie enge
Beziehungen zu ihren russischen Mitgefangenen. Die Umweltschützer erzählen, sie hätten sehr angenehme Erinnerungen an die russischen Mitinsassen.
„Die Mitgefangenen waren unglaublich, sie behandelten uns wie Brüder, haben alles mit uns geteilt", sagte Miguel Orsi. „Als ich in Untersuchungshaft kam, hatte ich nichts bei mir. Mir wurde Kleidung gegeben: neue Hosen, ein T-Shirt, Schuhe. Sobald ich mich umgezogen hatte, sah ich, dass ein großer Teller Nudeln auf mich wartete. Ich bin diesen Menschen sehr dankbar und werde mich ein Leben lang an sie erinnern."
Peter Willcox erklärte, dass er den besten Zellengenossen in Sankt Petersburg gehabt hätte – jeden Abend hätte er ihm eine vegetarische Suppe gekocht. Der Kapitän erzählte auch, dass die Bedingungen in der Untersuchungshaft nicht schlecht gewesen seien. Das Schlimmste, was sie hätten überstehen müssen, sei die Nachricht gewesen, dass den Besatzungsmitgliedern ein Freiheitsentzug von bis zu 18 Jahren für Piraterie drohe.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Gazeta.ru
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