Terror in Wolgograd: Racheakt islamistischer Rebellen?

Experten glauben, dass hinter den jüngsten Terroranschlägen islamistische Rebellenstecken, die sich für die Tötung ihrer Anführer rächen wollen. Foto: Reuters

Experten glauben, dass hinter den jüngsten Terroranschlägen islamistische Rebellenstecken, die sich für die Tötung ihrer Anführer rächen wollen. Foto: Reuters

Russische Experten sind der Ansicht,dass die jüngsten Terroranschläge in Wolgograd keine direkte Verbindung zu den Olympischen Spielen in Sotschi haben. Sie vermuten vielmehr einen Racheakt islamistischer Rebellen.

Infolge des zweiten Terroranschlags innerhalb von 24 Stunden wurden in Wolgograd nach vorläufigen Angaben zwölf Menschen getötet, Dutzende weitere schwer verletzt. Am Tag zuvor hatte eine Explosion das Bahnhofsgebäude erschüttert, wobei 17 Menschen getötet und mehr als 40 weitereverletzt wurden.

 

Zwei Terroranschlägeinnerhalb von 24 Stunden erschüttern Wolgograd

Der jüngste Terroranschlag ereignete sich am Montagmorgenin einem voll besetzten Oberleitungsbus, der aus einem Wohnviertel in das Stadtzentrum fuhr. Infolge der Explosion wurde der Bus vollständig zerstört. Die Explosionswelle zerschlug auch die Fenster der umliegenden Häuser. Lokalen Behörden zufolge gebe es zwölf Tote, jedoch berichten andere Informationsquellen von bis zu 15 Toten. Das russische Gesundheitsministerium berichtet von 28 Verletzten, darunter auch ein sechs Monate altes Kleinkind. Nach Angaben der Ärzte befindet es sich in einem kritischen Zustand.

 „Ich kam aus dem Haus und hörte einen lauten Knall und Schreie. Dann sah ich, was passiert war. Zuerst habe ich gar nicht gesehen, dass es ein Oberleitungsbus war, weil er so zerstört war. Alles war herausgeflogen, nicht nur die Fenster, sondern auch die Fahrzeugwände", erzählte eine Einwohnerin der Nachrichtenagentur RIA Novosti.

Am Tag zuvor hatte eine Explosion das Bahnhofsgebäude erschüttert. Nach Angaben der Behörden detonierte ein Sprengsatz mit einer Kraftvon bis zu zehn Kilogramm TNT. Dabei wurden 17 Menschen getötet und mehr als 40 weitere verletzt.

„Die Explosion war so stark, dass unser Haus bebte. Wir dachten, wir würden selbst in die Luft gesprengt werden", erzählte die Verkäuferin eines Geschäfts, das gegenüber dem Bahnhof liegt. „Ich lief auf die Straße und sah, dass die Explosion vom Bahnhof kam. Auf den Treppenstufen am Haupteingang lagen Menschen. Durch die Explosion waren alle Fenster des Gebäudes zerstört. Aus den Fenstern des ersten Obergeschosses im Mittelflügel,wo die Skulpturen stehen, quoll schwarzer Rauch hervor."

Laut Zeugenaussagen stellte eine der Reisenden, wie auchalle anderen, am Eingang ihre Tasche auf das Band des Röntgengeräts und ging durch den Metalldetektor. In diesem Augenblick detonierte der Sprengsatz. Nach ersten Informationen wurde die Detonation von einer Selbstmordattentäterin ausgelöst. Unbestätigten Angaben zufolge wurde berichtet, dass die Attentäterin womöglich aus Dagestan stammte. Später teilte das Ermittlungskomitee mit, dass die Explosion ebenso von einem Mann hätte verursacht werden können. Im Laufe der Untersuchungen am Tatort wurde eine unausgelöste F-1-Handgranate gefunden.

Wolgograd liegt im Süden Russlands, jedoch ziemlich weit von Tschetschenien und anderen Krisengebieten sowie fast 700 Kilometer von Sotschi, wo bald die Olympischen Winterspiele ausgetragen werden, entfernt. Dennoch wurden dort innerhalb der letzten zwei Monate drei Terroranschläge vongroßem Ausmaß verübt. Am 21. Oktober sprengte eine Selbstmordattentäterin einen Linienbus. Dabei wurden sieben Menschen getötet und 37 weitere verletzt.

 

„Die Anschlägehaben keine Bedeutung für Sotschi"

Der Vorsitzende des Veteranenverbands der russischen Antiterroreinheit „ALFA" und Vorsitzender des Verbands russischer Sicherheitsunternehmen Sergej Gontscharow teilte im Gespräch mit Russland HEUTE mit, dass sich in letzter Zeit im Verwaltungsgebiet Wolgograd Gerüchten zufolge die Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Gruppierungen der politischen Elite verschärft haben sollen. Die Beamten beschäftigten sich mehr mit dem Machtkampf als mit der Antiterrorsicherheit, heißt es.

„Außerdem berichteten die Beamten, dass nach der ersten Tragödie im Linienbus alle Rebellenführer getötet worden seien. Die neuen Terroranschläge ähnelten einem Racheakt und dem Wunsch, den Behörden zubeweisen, dass die Rebellen immer noch zur Durchführung solcher Operationenfähig sind", sagte der Experte. Er fügte hinzu, dass man die zwei sich kürzlichereigneten Anschläge schwer mit den Olympischen Spielen in Verbindung bringen könne, da diese erst in einem Monat stattfinden. Er räumte jedoch ein, dass solche Ereignisse zweifellos eine negative Auswirkung auf das Image des Landes haben.

Der Politik-Kommentator des Radiosenders „Golos Rossii" („Stimme Russlands") Dmitrij Babitsch ist überzeugt, dass die tragischen Ereignisse lediglich eine indirekte Verbindung zu den Olympischen Spielen haben. „Wenn es hier bei um die Olympischen Spiele ginge, würde es Sinn machen,

den Terroranschlag im Januar oder Februar durchzuführen. In diesem Fall hängt es höchstwahrscheinlich mit den Neujahrs-Feiertagen zusammen."

Der Experte führt aus: „Es ist augenscheinlich, dass die Anschläge von Islamisten durchgeführtwurden. Das Neujahrsfest ist für sie das unangenehmste Fest. Dafür gibt es zwei Grunde: Für sie ist dieses Fest ein heidnischer Brauch. Außerdem vereint er alle Menschen aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion, darunter auch aus den muslimischen Republiken. Ich habe das während meiner Reisen nach Tschetschenien und während des Krieges erfahren", erklärt der Experte.

Babitsch glaubt, dass die Ereignisse in Wolgograd keinen Einfluss auf die politische Lage im Land haben werden. „Aufgrund der Besonderheiten unserer Politik und unserer Gesellschaft haben solche Terroranschläge nicht dieselbe Bedeutung wie in den westlichen Ländern. Es können 100 oder 200 Menschen in Moskau sterben, doch es wird sich nichts an der politischen Einstellung gegenüber dem Nordkaukasus oder den Terroristen ändern", erklärt der Politologe. „Der russische Präsident Wladimir Putin ändert seine Politik nicht einmal nach den schlimmsten Terroranschlägen wie zum Beispiel nach der Geiselnahme im Moskauer Dubrowka-Theater oder in der Schule in Beslan."

Der Kommentator fügt hinzu: „Diese Politik ist richtig, ähnlich wie in Israel. Wenn man nur einmal nachgibt, wird ein Terroranschlag nach dem anderen verübt, denn sie sind nicht schwer zu organisieren. Als nach dem Anschlag von Bassajew in Budjonnowsk die Kampfhandlungen in Tschetschenien eingestellt wurden, folgten unmittelbar darauf weitere Terroranschläge."

Babitsch fügte hinzu, dass in Sotschi ein strenges Sicherheitssystem erarbeitet werde. „Ich bin sicher, dass es in Sotschi keine Terroranschläge geben wird. Dort gibt es ein strenges Sicherheitssystem, das würde den Islamisten zu teuer zu stehen kommen", glaubt der Experte. „Außerdem sind Sportler mutige Menschen, die oft zu Wettkämpfen in nicht gerade stabile Regionen fahren, wie zum Beispiel zu den Olympischen Spielen in Sarajevo, als dort eine angespannte Lage herrschte."

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