U-Boot-Geschichten: Zwei Monate unter Wasser

Foto: Reuters

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Ein U-Boot-Matrose erzählt, was es bedeutet, den „Vorschlaghammer zu küssen“, warum man Stockfisch zum Wein isst und warum einige Matrosen jahrelang die Toiletten schrubben müssen.

Das erste Abtauchen

Wenn das U-Boot zum ersten Mal in See sticht, dann müssen alle Matrosen ein Aufnahmeritual bestehen, wobei meines eher harmlos war: Ich musste Meerwasser aus der Deckenleuchte einer Kajüte trinken. Es hatte einen wahrlich scheußlichen, herben und bitteren Geschmack. Danach wurde mir ein handgeschriebenes Zeugnis ausgehändigt, das bestätigte, dass ich jetzt Matrose bin.

Auf einigen anderen Unterwasserbooten kommt zu diesem Aufnahmeritual noch ein weiteres Aufnahmeprocedere hinzu: „das Küssen des Vorschlaghammers". Dabei wird ein Vorschlaghammer an die Decke gehängt, den der Matrose, sobald das U-Boot zu schaukeln beginnt, küssen muss. Ich sehe zwar keinen Sinn in letzterem Ritual, doch einen Streit deswegen zu beginnen, ist nicht angebracht – wenn man an Bord eines U-Boots geht, ist dies die erste Regel, die man lernt.

 

Der Dienst

Für fast jedes U-Boot gibt es zwei Besatzungen. Wenn die eine Besatzung in den Urlaub geht – die Urlaube sind immer nach den Tauchfahrten angesetzt –, tritt die andere ihren Dienst an. Die Tauchfahrten dauern dabei unterschiedlich lange: die kürzeste dauert 50, die längste 90 Tage. Hat man einmal seinen Dienst angetreten, muss man zunächst verschiedene Aufgaben erfüllen, wie beispielsweise abtauchen und mit einem anderen U-Boot Kontakt aufnehmen, Tieftauchgänge bei maximaler Tauchtiefe durchführen und Schießübungen machen. Wenn das U-Boot alle Übungen absolviert und der Stab dies bestätigt hat, tritt die Besatzung ihren Gefechtsdienst an.

Meistens sind wir beim Gefechtsdienst unter den Eiskappen des Nordpols unterwegs. Auf diese Weise kann das U-Boot nicht mit einem Satelliten geortet werden, denn sollte man in klaren Gewässern tauchen, könnte man das U-Boot selbst in einer Tiefe von 100 Metern mit Satelliten aufspüren. Dabei haben wir ebenfalls gewisse Aufgaben zu erfüllen – beispielsweise in einem Meeresabschnitt bei voller Gefechtsbereitschaft zu patrouillieren und, sollten wir angegriffen werden, Waffen einzusetzen. Ein U-Boot mit 16 ballistischen Raketen an Bord hätte demnach genügend Schlagkraft, um etwa Großbritannien von der Landkarte zu radieren, da jede der 16 Raketen mit zehn autonomen Sprengköpfen ausgestattet ist. Ein Sprengkopf hat eine Sprengkraft von fünf bis sechs Hiroshima-Atombomben. Wenn man es also aufrechnet, führen wir täglich etwa 800 Hiroshima-Atombomben mit uns.

 

Der Alltag

In einem geschlossenen Raum zu leben, ist nicht so schwierig, wie man denkt. Vor allem deswegen, weil man die meiste Zeit über beschäftigt ist – man verbringt acht Stunden pro Tag im Wachdienst. Jeden Tag, so gegen

15 Uhr, werden alle zum sogenannten „kleinen Reinigungsdienst" berufen. Dabei gehen alle zu den ihnen zugeteilten Stationen, um diese zu reinigen. Für manche bedeutet dies, den Staub von einem Bedienungspult zu wischen, andere hingegen müssen die Latrinen säubern – die Toiletten für die Matrosen, welche sich im Bug des Boots befinden.

Das unangenehmste dabei ist jedoch, dass alle dir einmal zugewiesenen Reinigungsbereiche über deine gesamte Dienstzeit im U-Boot nicht geändert werden. Das heißt dann: Wenn du einmal die Toiletten zum Schrubben bekommst, dann wirst du diese immer, bis zum Ende, reinigen müssen.

 

Das Essen

U-Boot-Matrosen bekommen nur Gutes zu essen. Zum Frühstück gibt es für gewöhnlich Frischkäse, Honig und Marmelade, zu Mittag oder zum Abendessen immer roten Kaviar und Balyk aus Störfisch (das getrocknete Filet eines besonders schmackhaften Fisches, Anm. d. Red.).

Jedem Matrosen stehen zudem täglich auch ein Glas trockener Rotwein zu, eine Tafel Schokolade sowie Wobla, eine Trockenfischspezialität. Die Verpflegung mit Rotwein ist darauf zurückzuführen, dass sich eine Kommission, die über die Verpflegung der Matrosen entschied, noch zu Sowjetzeiten uneinig in der Frage war, was den Appetit der Seemänner besser anregen würde: Bier oder Wein. Die einen stimmten für Bier, die anderen für Wein. Und so kam es, dass eben der Wein mehr Stimmen erhielt. Der getrocknete Fisch, der für gewöhnlich zum Bier gegessen wird, blieb jedoch in der Verpflegung der Matrosen.

 

Die Dienstvorschriften

Dienstvorschriften sind unser „Heiligtum", auch wenn es manchmal schon lächerlich wird. So besagt beispielsweise Artikel 33 des Exerzierreglements

der russischen Streitkräfte, dass das Laufen nur nach dem Befehl „Im Laufschritt, Marsch!" erlaubt ist. Dazu eine witzige Geschichte: Einmal wollte der stellvertretende Divisionskommandant des U-Boots in die WC-Räume gehen, die jedoch mit einem Schloss versperrt waren. Er befahl dem ersten Offizier des Kapitäns: „Erster Offizier, machen Sie die Tür auf!" Dieser saß einfach nur da und reagierte nicht. Der stellvertretende Kommandant hielt es nicht mehr aus und befahl wieder: „Erster Offizier, bringen Sie mir den Schlüssel – im Laufschritt!" Doch der erste Offizier saß weiterhin nur da. „Im Laufschritt, habe ich gesagt! Hören Sie mich nicht? Im Laufschritt! Worauf warten Sie?" Der erste Offizier machte daraufhin die Dienstvorschriften, die er, so schien es, in seiner Freizeit las, zu und antwortete: „Ich warte auf den Befehl ‚im Laufschritt, Marsch', Genosse Kapitän ersten Ranges."

 

Dieser Beitrag erschien zuerst beim Online-Magazin The Village. 

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