Betriebsfeiern in Russland: Subbotnik bis Event-Catering

Bild: Aljona Repkina

Bild: Aljona Repkina

Teambuilding mit Parolen, Liederabenden und Arbeitseinsätzen fürs Gemeinwohl war einmal – heute übernehmen Eventagenturen Unternehmensfeiern und Ausflüge, alles wird durchgestylt. Manchmal vergisst man jedoch das Wichtigste: den Spaß.

Viele Menschen besuchten nach der sozialistischen Revolution aktiv Parteiversammlungen und hörten sich Propagandareden an. In diesen Reden hieß es oft, dass der Ausgang der weltweiten, proletarischen Revolution auch von den Zielen ihres eigenen Betriebs und der vorzeitigen Erfüllung des Fünfjahresplans abhinge. Diese Art der Mitarbeitermotivation verpuffte jedoch bereits in den fünfziger und sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Mit der Tauwetter-Periode verschwanden weder Parteiversammlungen, Fünfjahrespläne und die Normerfüllungsvorgaben der Planwirtschaft noch die obligatorischen Subbotniks, eine freiwillige, unbezahlte Wochenendarbeit zum Gemeinwohl der Gesellschaft. Nur die Einstellung zu alledem hatte sich grundlegend verändert.

Kaum jemand nahm die alten Parolen noch ernst, die Leute tuschelten und kicherten immer mehr darüber. Die Propagandamaschine lief aber ununterbrochen weiter, passte sich den neuen Verhältnissen nicht an und zwang den Menschen weiterhin unbeirrt alltagsfremde Konzepte auf, die für jene jeglichen Inhalt und Aktualität eingebüßt hatten. Selbst der Zerfall der Sowjetunion änderte daran nichts.


Kein Wodka, kein Spaß

Nach 1991 gab es in Russland kaum noch Teambuilding-Maßnahmen, egal

ob alter oder neuer westlicher Prägung. Alle waren sich aber bewusst, dass der Teamgeist gefördert werden muss. So kam in russischen Firmen die Maßnahme der „Betriebsfeiern“ auf, eine Massenveranstaltung für die Mitarbeiter unter einem kulturellen Deckmantel. Auf Kosten der Firma wurden Tische mit Alkoholika und einem Imbiss eingedeckt. Großunternehmen mieteten ganze Restaurants, die das Unternehmen bezahlte. Gemeinsam auf Kosten der Firma tranken, tanzten, sangen und aßen die Mitarbeiter und diskutierten nebenbei aktuelle berufliche und politische Probleme – so sah eine russische Betriebsfeier aus.

Das trifft aber nur auf die Entstehungszeit dieser Erscheinung in den neunziger Jahren zu. Inzwischen haben sich die Firmenfeiern grundsätzlich gewandelt, es gibt sogar Eventagenturen, die individuelle Feste konzipiert haben. Heute umfassen die Betriebsfeiern Sportveranstaltungen, Wettbewerbe und Preisverleihungen an die besten Mitarbeiter.

Ein paar Besonderheiten blieben jedoch unverändert. „Sie wissen doch, wie es so schön heißt: Wenn man am nächsten Morgen nach der Unternehmensfeier keine Gewissensbisse hat, dann war das Fest nicht gut“, scherzt der Mitarbeiter einer großen Eventagentur. „Wenn wir eine Unternehmensfeier veranstalten, egal ob im Restaurant oder im Freien, müssen wir uns neben dem Unterhaltungsprogramm immer auch über das kulinarische Angebot Gedanken machen“, erklärt der Eventmanager, dem dazu gleich eine kleine Anekdote einfällt: „Wir haben einmal eine Betriebsfeier für eine kleine Retail-Firma veranstaltet. Deren Chef war ein

junger Kerl, der sich um eine gesunde und vitale Lebensweise bemühte und deshalb den Alkohol von der Speisekarte gestrichen hatte. Seine Mitarbeiter gehörten aber verschiedenen Altersgruppen an und waren anderes gewohnt. Als wir sie zum Veranstaltungsort gebracht hatten und sie sahen, dass es keinen Alkohol gab und lediglich Salate serviert waren, wurde es etwas unruhig in der Belegschaft. Einige dachten, dass der Chef zu knausrig war, andere wiederum befürchteten, dass ihre Firma in einer Krise steckte. Sie kamen sogar auf mich als Veranstalter zu, um sich bei mir nach den Hintergründen zu erkundigen. Ich konnte sie beruhigen – ihr Arbeitsplatz war nicht gefährdet!“

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