Deutsche in Russland: Ein Partylöwe in Moskau

Der Weltenbummler Chris Helmbrecht lebt in Moskaus Luxuswelt. Foto: Pressebild

Der Weltenbummler Chris Helmbrecht lebt in Moskaus Luxuswelt. Foto: Pressebild

Der gebürtige Deutsche Chris Helmbrecht leitet in Moskau eine Kreativagentur für Werbung, arbeitet für Moskauer Luxus-Clubs und zieht mit seiner russischen Frau eine kleine Tochter auf. Wie lebt es sich als Partylöwe in der russischen Hauptstadt?

RBTH: Wieso sind Sie nach Russland gekommen? Anscheinend hat es Ihnen gefallen, denn Sie sind hier geblieben.

Helmbrecht: Ich habe mich in Deutschland gelangweilt, ich lebe schon seit 17 Jahren nicht mehr dort. Ich habe lange in New York gelebt und lernte dort einige Russen kennen. Nach dem 11. September sind wir alle raus aus der Stadt, die ganzen Ausländer eigentlich, weil es kein Geschäft mehr für uns gab. Ich bin dann nach Spanien gegangen und Freunde von mir nach Russland. In Spanien habe ich für eine Internetfirma gearbeitet, doch irgendwann habe ich meinen Job verloren. Dann rief mich mein Freund Vadim an, ein Litauer, auch Investmentbanker, und sagte: „Komm doch nach Moskau, hier steppt der Bär!" Seitdem habe ich so eine Hassliebe mit Moskau. Ganz am Anfang hatte ich wahnsinnige Angst.

Wovor? Was war besonders beängstigend?

Na, diese ganzen russischen Klischees: Es ist kalt, überall lauert die Mafia, die Leute haben kein Geld und du wirst auf der Straße ausgeraubt. Ich bin die ersten zwei Wochen nur mit Bodyguards raus. Aber danach habe ich gelernt, hier zu leben. Jetzt lache ich selbst darüber. Aber die letzten Jahre hatte ich eine Phase, in der ich keine Lust mehr auf Moskau hatte. Die Stadt ist so groß und es ist auch nicht wirklich schön hier und echt anstrengend. Oft hatte ich auch kulturelle Probleme mit den Russen, die Rumschubserei zum Beispiel oder die Tatsache, dass man keinen Abstand von den Leuten hat. Und das Business ist hier auch so: Man versucht, dich ständig übers Ohr zu hauen, wenn du nicht richtig aufpasst. Deswegen habe ich mir vor zwei Jahren ein Auto gemietet und bin durch Europa gefahren, um zu entscheiden, wo ich leben möchte. Sechs Wochen hat die Tour gedauert. Aber zwei Tage vor der Abreise habe ich meine Frau, eine Russin, kennengelernt. Und jetzt tobt meine kleine Tochter hier rum.

Sie betreiben eine Kreativagentur. Was machen Sie genau und wie lässt sich der Hauptberuf mit dem Nachtleben vereinbaren?

Ich mache in meiner kleinen Kreativagentur Werbung. Wir arbeiten zum

Beispiel mit Volkswagen oder Germania Airlines zusammen. Es ist manchmal ein bisschen hart. Diese Woche war ich auf vier Partys. Gestern ging es bis drei Uhr nachts. Und heute habe ich wieder eine um zehn und morgen auch und es wird sogar bis fünf Uhr morgens gehen. Es hat sich über die Jahre so entwickelt mit dem Nachtleben. Anfangs bin ich in die Clubs nicht reingekommen, und dann habe ich angefangen, selber Partys zu machen, und es hat sich zum Geschäft entwickelt.

Worin unterscheiden sich Clubs in Russland von denen in New York oder auf Teneriffa, wo Sie auch gelebt haben?

Moskau ist die größte Stadt Europas, du hast also eine Menge Vielfalt, es gibt für jeden was. Es gibt natürlich die Glamour-Clubs, in die ich gehe, aber das ist eine finanzielle Frage. Ich habe ein Faible für Underground, aber damit kannst du ja kein Geld verdienen. So nach acht Jahren bin ich im Glamour-Bereich gelandet. Es ist langweilig, muss ich sagen. Da stehen die Jungs an der Bar, haben die Nase voller Koks und jeder will wichtig sein nach dem Motto: „Ich habe mehr Geld als du". In New York oder auch in Berlin ist es aber in dem Glamour-Segment ähnlich.

Die Russen machen viel Party. 2008 vor der Krise sagte ich zu der PR-Managerin von einem der Premium-Clubs: „Jetzt bleiben Ihnen alle Gäste weg." Sie meinte aber: „Nein, Chris, bevor sie das tun, verkaufen sie lieber

ihr Auto und ihre Wohnung." Das Nachtleben hier ist exzessiv. Als ich nach New York kam, dachte ich: „Das ist Sodom und Gomorra, es kann nicht schlimmer sein." Aber Moskau ist viel schlimmer. Dafür feiert man nie zu Hause, das ist eher ein privates Domizil.

Sind die Menschen in den Clubs den Menschen auf der Straße ähnlich? Wie ist das Club-Publikum in Moskau?

Es gibt etwas für die Hipster, aber es gibt auch was für die Gopniki, also Jugendliche mit sozial schwachem Hintergrund. Es gibt Swinger-Clubs, es gibt Art-Clubs, es gibt alles. Ich bewege mich in dem Premium-Segment und da gibt es ja nur fünftausend Menschen, die sich das leisten können. Sie haben ein Einkommen von 150 000 Euro im Jahr und aufwärts.

Könnten Sie Männer und Frauen in Russland charakterisieren?

Die Frauen sind schon anders als in Deutschland oder sonst irgendwo. Sie sind schön und sie machen mehr aus sich. Ab 25 aufwärts siehst du

Mädels nur aufgedonnert: mit viel Make-up, Klamotten, die immer eine Nummer kleiner sind, und hohen Absätzen. Sie streiten sich um Aufmerksamkeit.

Im Westen sind wir aufgewachsen mit Werbung, wir sind abgestumpft. In Russland ist das anders. Gerade was das Nachtleben betrifft, verstehen Männer wie Frauen nicht, dass das alles nur Show ist. Tut mir ein bisschen leid für die Gesellschaft, das sind keine guten Werte. Und russische Männer sind sehr unselbstständig. Es gibt einen Grund, warum italienische Männer und russische Frauen so gut zusammenpassen. Italiener hören auf die Mama und die Russen halt nicht. Viele Deutsche haben Probleme mit russischen Frauen, da sie sehr emotional sind.

Waren Sie auch schon mal außerhalb von Moskau unterwegs?

Na klar! Ich war in Wladiwostok, in Sotschi, Sankt Petersburg, Jekaterinburg, Nischnij Nowgorod, Krasnojarsk – ein ganz übles Nest übrigens. In Krasnodar war ich auch. Moskau ist schon sehr reich, aber außerhalb sind die Leute viel netter und hilfsbereiter.

 

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