Russische Unternehmenskultur: Singlebörse Büro

Bild: Aljona Repkina

Bild: Aljona Repkina

Was zu Sowjetzeiten im Privaten geregelt wurde, findet heute vornehmlich in den Büros statt: die Partnersuche. Nicht selten wird sich auch gleich am Arbeitsplatz „beschnuppert“.

Die Russen gehen zur Arbeit, um Freundschaften zu schließen und sich zu verlieben. In Russland wollen die wenigsten jungen Frauen nur unter Kolleginnen sein, denn für sie ergeben sich so keine Perspektiven für ihr Privatleben. Und nicht jeder russische Mann freut sich über eine rein männliche Belegschaft, denn da gibt es keine Kolleginnen zum Flirten.

Liebesaffären unter Kollegen ähneln einer Seifenoper im Fernsehen. Sowohl die Darsteller als auch die Zuschauer haben teil an den Entwicklungen und Gefühlen und so immer eine Motivation, um zur Arbeit zu gehen. Die Regel, nicht mit Kollegen zu schlafen, wird in russischen Unternehmen ständig gebrochen.

„Ich erinnere mich, wie wir die Überwachungskameras in den Treppenhäusern abbauen mussten“, erzählt der Chef eines

Sicherheitsdienstes von einem Bürokomplex. „Damals kam der Chef eines Unternehmens, das sich in unserem Haus eingemietet hat, zu mir und bat darum, die Aufnahmen der zwei vorhergehenden Tage einzusehen. Ein Drucker war wohl abhandengekommen. Den vermissten Drucker haben wir auf den Aufnahmen leider nicht gesehen, dafür aber, dass unsere Treppenhäuser offenbar echte Liebesoasen sind“, berichtet der Sicherheitschef. „Am nächsten Tag kamen auch die Chefs der anderen Unternehmen zu uns und baten mich, die Überwachungskameras abzumontieren. Die Kameras würden in ihren Augen kaum die Sicherheit erhöhen, dafür aber kompromittierendes Material ansammeln.“  

Das heißt jedoch nicht, dass sich die Russen unzüchtig benehmen und sich über gesellschaftliche Normen hinwegsetzen. Einer Studie zufolge ist eher das Gegenteil der Fall. Die Umfrage zeigt, dass mehr als die Hälfte der Russen die große Liebe im Kreis der Kollegen findet. Das ist übrigens ein riesiger Unterschied zu Sowjetzeiten – damals lernte man sich eher in Vereinen oder auf Tanzveranstaltungen in Parks kennen. Da in den modernen Büros weniger Zeit für das Privatleben bleibt, sind Kontakte

unter den Kollegen bei der Suche nach einem Partner überaus hilfreich. Das ist auch für Unternehmen im Ausland typisch, wobei allerdings auch hier die Situation von der russischen Mentalität geprägt ist: Die meisten Russen träumen von der Ehe – besonders Frauen. Für sie ist die Ehe ein fester Bestandteil eines glücklichen Lebens. Laut einer Umfrage von SuperJob halten fast 80 Prozent der russischen Frauen die Familie als unabdingbar für ein glückliches Leben. Eine erfolgreiche Karriere landet dagegen nur auf Platz zwei.

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

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