Krimdeutsche stehen zu Russland

Die Geschichte der Krimdeutsche in Postkarten: Sudak, eine ehemalige deutsche Kolonie auf der Krim. Bild: Ethnographisches Museum Krim

Die Geschichte der Krimdeutsche in Postkarten: Sudak, eine ehemalige deutsche Kolonie auf der Krim. Bild: Ethnographisches Museum Krim

Noch etwa 3 000 Menschen deutscher Abstammung leben heute auf der Krim. Sie haben die Eingliederung der Halbinsel in die Russische Föderation begrüßt. Manch ein Vertriebener könnte sich nun auch die Rückkehr in die alte Heimat auf der Krim vorstellen.

Eines der großen Themen rund um die Eingliederung der Krim in die Russische Föderation war der zukünftige Umgang mit den nationalen Minderheiten der Halbinsel. In den Medien verschafften sich vor allem die Krimtataren Gehör. Aktuell leben etwa 243 000 Tataren auf der Krim, damit bilden sie die größte nationale Minderheit. In Erinnerung an die Repressionen, denen ihre Vorfahren unter Stalin ausgesetzt waren, standen die Tataren dem Beitritt der Krim zu Russland mehrheitlich skeptisch gegenüber.  

Präsident Wladimir Putin betonte in einer Rede, die er anlässlich der Prüfung des Erlasses über die Eingliederung der Krim in die Russische Föderation hielt, die besondere Rolle der Krimtataren: „Es sollten alle für eine Rehabilitierung der Krimtataren, für eine vollkommene Wiederherstellung ihrer Rechte und ihres guten Namens erforderlichen politischen und gesetzlichen Schritte unternommen werden“, erklärte der Präsident.

Ja zur Eingliederung  

Zu den nationalen Minderheiten auf der Krim gehören aber auch Menschen deutscher Abstammung. Nach Angaben der letzten Volkszählung der Ukraine im Jahr 2001 lebten von insgesamt 33 000 ethnisch Deutschen etwa 2 800 auf der Krim. Juri Gempel ist der Vorsitzende von „Wiedergeburt“, der Republikanischen Gesellschaft der Deutschen auf der Krim. Vor dem Referendum traf er sich mit den Leitern der lokalen Verbände der Krimdeutschen und diskutierte mit ihnen unter anderem die Frage, ob man sich an den Wahlen beteiligen solle oder nicht. Das Ergebnis fiel auch für Gempel überraschend aus: „Die Mehrheit der auf der Krim lebenden Deutschen versteht sich in erster Linie als Russlanddeutsche und in zweiter Linie als Bewohner der Krim. 99,9 Prozent von ihnen werden in jedem Fall hier bleiben.“

Angesichts der angespannten politischen Lage sorgten diese Zahlen nicht bei allen für Begeisterung. Der Vorsitzende des Rates der Deutschen in der Ukraine Wladimir Leysle richtete einen offiziellen Aufruf an die Krimdeutschen. Er warnte die Köpfe gesellschaftlicher Organisationen vor „kategorischen Erklärungen“ und forderte sie auf, „den politischen Konflikt nicht auf eine ethnische Ebene zu heben“. Den Konflikt zwischen welchen Völkern er damit meinte, führte er jedoch nicht näher aus.

Verfolgt und verbannt

Als Russen bezeichnete Gempel die Krimdeutschen bereits zu einer Zeit, als die Halbinsel noch zur Ukraine gehörte. Er weist daraufhin, dass die Vorfahren der Krimdeutschen einer Einladung von Katharina der Großen aus dem Jahr 1787 gefolgt waren. Damals stellte man den ersten Siedlern aus Danzig fruchtbaren Boden im Süden des Landes zur Verfügung. Innerhalb der folgenden 15 Jahre entstanden auf der Krim Kolonien von Deutschen aus Württemberg, Baden, Preußen und sogar aus der Schweiz. Die deutschen Kolonisten erhielten Bodenanteile und führten bewirtschaftete Bauernhöfe, die unter den einheimischen Russen als vorbildlich galten.

Mit Beginn des Ersten Weltkriegs verschlechterte sich die Beziehung Russlands zu den ethnischen Deutschen. Die staatliche Propaganda gegen die Deutschen machte auch vor den Krimdeutschen nicht halt. Im August 1914 wurden rund 5 000 Deutsche in die Wolgaregion verbannt.

Die große Welle der Repressionen sollte allerdings 1941 folgen. Im Laufe des Jahres wurden noch weitere 50 000 deutsche Siedler der Krim in den asiatischen Teil der UdSSR verbannt. Nur eine Woche später traf dieses Schicksal auch die sogenannten Wolgadeutschen. Am 28. August 1941 wurden etwa 400 000 Wolgadeutsche kurzfristig nach Sibirien, Kasachstan und Zentralasien deportiert. Die Republik der Wolgadeutschen, die seit 1918 zum Verband der UdSSR gehörte, wurde automatisch liquidiert. Ihr Territorium teilte man auf die Gebiete Saratow und Wolgograd auf.

Im Laufe von zwei Jahren folgten den aus der Wolgaregion deportierten deutschen Siedlern weitere rund 300 000 deutsche Kolonisten der Krim. Männer und kinderlose Frauen verpflichtete man für die Arbeitsarmee, Frauen und Kinder unterstanden einer strengen Aufsicht durch das NKWD, dem Innenministerium der UdSSR. Hunderttausende ethnische Deutsche starben damals an Kälte, Hunger und den harten Arbeitsbedingungen.

Als der Zerfall der UdSSR seinen Anfang nahm, begannen die Deutschen, über die Frage einer Wiedererrichtung der Wolgarepublik zu diskutieren. Damals äußerte Präsident Boris Jelzin den berühmten Satz, in dem er den Deutschen die Überlassung des Raketentestgeländes Kapustin Jar versprach: „Sollen sie dieses mit Granaten gespickte Land bearbeiten“, sagte er 1992 während eines Besuchs im Gebiet Saratow. „Irgendwann wird dort ein nationaler Bezirk entstehen, aber nur, wenn die Deutschen dort 90 Prozent der Bevölkerung ausmachen“, bemerkte er und spielte damit auf die mangelnde gesellschaftliche Aktualität dieser Maßnahme an.

Neue Heimat Krim?

Der ukrainische Präsident Leonid Krawtschuk war der Erste, der den Deutschen offiziell eine Rückkehr in die Ukraine anbot. So fanden sich viele von ihnen erneut in ihrer alten Heimat, auf der Krim, ein. Für diesen Schritt ist Juri Gempel der Ukraine dankbar, aber den Beitritt der Krim zu Russland betrachtet er als eine historische Tatsache. Diese Meinung vertreten auch seine russischen Kollegen aus der Föderalen Nationalen Kulturautonomie der Russlanddeutschen, denen er direkt nach dem Referendum einen Vorschlag zur Zusammenarbeit unterbreitete.

Heinrich Martens, Präsident der Organisation, stellte, noch bevor Putin am 21. April 2014 den Erlass über die Rehabilitierung aller deportierten Völker der Krim unterzeichnete, klar: „Als Krimdeutsche verstehen wir nicht nur die, die auf der Halbinsel leben, sondern auch die, die auf Anordnung Stalins verbannt wurden und jetzt verstreut in Russland, Kasachstan und Kirgistan siedeln.“ Martens forderte ein staatliches Programm für die „Rückkehr in ihre historische Heimat, auf die Krim“. 

Nach Auskunft von Juri Gempel haben bereits 500 Familien von Krimdeutschen aus Kirgistan den Wunsch geäußert, in ihre alte Heimat zurückzukehren. Nach Schätzungen von Experten leben in verschiedenen postsowjetischen Ländern mindestens 60 000 ehemalige deutsche Siedler der Krim. Daher plant Martens, nach Abwägung der politischen Risiken, im Mai eine offizielle Reise in die Republik Krim und nach Sewastopol. In diesem Rahmen möchte er auch die ukrainische Seite über die geplanten Maßnahmen informieren und sich einen Eindruck von der Lage vor Ort verschaffen. Auf der Krim gebe es unterschiedliche gesellschaftliche Organisationen von Deutschen, deren Einschätzungen zur aktuellen Situation auseinandergingen, sagte er. Er versprach, dass ihre Probleme und konkreten Projekte ebenfalls zur Sprache kommen werden.

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

Diese Webseite benutzt Cookies. Mehr Informationen finden Sie hier! Weiterlesen!

OK!