Sechs Menschen starben bei Flutkatastrophe in Chakassien und Altai. Foto: RIA Novosti
Dauerregen führte in den Republiken Chakassien und Altai in Südsibirien zu Überschwemmungen. Nach Angaben des Rettungsdienstes mussten mehr als 20 000 Menschen evakuiert werden. Sie wurden in Notunterkünften untergebracht. Etwa 6 700 Häuser sind infolge der Fluten unbewohnbar geworden. In den Wassermassen verloren bislang sechs Menschen ihr Leben, viele gelten noch als vermisst.
Am Dienstag teilten die Regionsadministrationen mit, dass das Wasser in der Altai-Region langsam zurückgehe und die ersten Bewohner bereits in ihre Häuser zurückkehrten. Später wurde jedoch bekannt, dass der Pegelstand des Ob in der Umgebung von Barnaul wieder steigt.
Die Bewohner hoffen und kämpfen bis zuletzt
In der Altai-Region stehen noch immer über 3 000 Wohnhäuser unter Wasser, aus denen 7 500 Personen evakuiert wurden. Zu Beginn der Überschwemmung versuchten die Bewohner noch, ihr Hab und Gut in Sicherheit zu bringen, doch am Wochenende ging es nur noch ums Überleben. Trotz der Lebensgefahr weigerten sich viele Bewohner, ihre Häuser zu verlassen.
Wiktor Jeremejew ist einer der Bewohner, die in den überfluteten Dörfern ausharren und den Wassermassen trotzen wollen. Auch gutes Zureden einer Frau konnte ihn nicht dazu bewegen, Haus und Hof zurückzulassen. So bringt sie ihm nun täglich Thermosflaschen mit heißem Tee und etwas zu essen vorbei.
Jelena aus dem Dorf Malougrenewo hatte keine Möglichkeit mehr, ihr Haus rechtzeitig zu verlassen. Sie erzählt den lokalen Medien, dass das Wasser mit unvorstellbarer Geschwindigkeit gestiegen sei und sogar den Dachboden erreichte, auf dem sich Jelena mit ihren beiden Kinder in Sicherheit bringen wollte. Dort saßen sie in einer tödlichen Falle, doch glücklicherweise konnten Rettungsdienste sie noch rechtzeitig befreien.
Viele behaupten, die Rettungskräfte hätten auf die Überschwemmung viel zu langsam reagiert. Die Kritik scheint unberechtigt und mehr dem Umstand geschuldet, dass in einer solchen Notlage Minuten zu Stunden
werden können. Tatsächlich arbeiteten die Rettungskräfte unermüdlich. Viele freiwillige Helfer meldeten sich, um die professionellen Retter zu unterstützen und die Menschen aus ihrer Notlage zu befreien. Bis zu drei Tage lang fuhren sie pausenlos von Dorf zu Dorf. Immer in der Hoffnung, rechtzeitig anzukommen. In den meisten Fällen schafften sie es. Dennoch fielen sechs Menschen der schlimmsten Überflutung der Region seit 50 Jahren zum Opfer.
Der Ministerpräsident der Russischen Föderation, Dmitri Medwedjew, beauftragte die Regierung, den Schaden durch die Überflutung in Sibirien einzuschätzen, um die Höhe der Entschädigungen für die Betroffenen zu bestimmen. Das Geld soll aus dem Staatshaushalt gezahlt werden. Laut Wladimir Putschkow, Chef der Sondereinsatzkräfte Russlands, soll mit der Auszahlung der Entschädigungen bereits in dieser Woche begonnen werden. Die Bewohner der am schwersten betroffenen Altai-Region haben bereits die ersten Gelder erhalten.
Was sind die Ursachen der Überflutung?
Das zweite Jahr in Folge wird der östliche Teil Russlands von massiven Regenfällen heimgesucht. Jurij Warankin, Chef des Situationszentrums vom russischen Wetterdienst „Rosgidromet", sieht die Ursache der Überflutungen in unüblichen Luftmassenzirkulationen über dem Süden Sibiriens und dem Fernen Osten. Diese Phänomene könnten jedoch zur Normalität werden, warnt Warankin.
„Auf diese Weise hat sich auch Anfang Juli 2013 über der Amur-Region eine ständige Frontalzone gebildet. Innerhalb von zwei Monaten gab es hier tief mit Feuchtigkeit gesättigte tropische Zyklone, die von heftigen Regenfällen begleitet wurden. In der Folge lag die Niederschlagsmenge in der Amur-Region und in der Jüdischen Autonomen Region allein im Juli und August weit über dem Jahresdurchschnitt", erklärt der Experte.
Seine Vermutungen werden von Wiktor Usow, Exekutivdirektor des Russischen Nationalkomitees des UN-Umweltprogramms, geteilt. Seinen Worten zufolge sind hier zyklische Prozesse im Gange, die teilweise durch
technogene Faktoren und den Einfluss des Menschen verstärkt wurden. Usow mahnt, dass man diese Überflutung zwar nicht zu 100 Prozent hätte vorhersehen können, doch die Methoden zur Schadensminimierung, die russische und ausländische Wissenschaftler erarbeitet hätten, seien nicht beachtet worden.
Bei den letzten Überschwemmungen im Fernen Osten im vergangenen Jahr belief sich der Schaden allein für die Landwirtschaft auf über zehn Milliarden Rubel (210 Millionen Euro). Damals waren die Stauseen der Wasserkraftwerke an der Zeja und Bureja infolge der starken Regenfälle vollständig gefüllt. Als der Pegelstand dann überschritten wurde, floss das Wasser in die Flüsse ab, die daraufhin über die Ufer traten – mit verheerenden Folgen. In der Amur-Region wurden 126 Ortschaften überflutet. Etwa 8 000 Wohnhäuser und 37 000 Menschen gerieten in die Wassermassen, darunter über 10 000 Kinder.
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